Das Wesen des Drachen

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Verstohlen hielt der König seinen Blick auf den Boden gerichtet.
Leise schluchzte er in sich hinein.
Hin und wieder wischte er die schmerzlichen Tränen von seinem Gesicht und rang verzweifelt nach Luft.
Jon vergaß beinahe zu atmen.

Einige Male kamen ihm Soldaten entgegen.
Die meisten lachten und waren so betrunken, dass sie sicherlich nicht bemerkten, dass dieser weinende Mann ihr König war.
Wenn sie überhaupt bemerkten, dass er weinte.
Wenn sie überhaupt bemerkten, dass er vorbeilief.

Seine Lederstiefel trugen ihn an den Rand des Kriegslagers.
Der Matsch klebte hartnäckig an seinen Schuhen.
Auch der lange Mantel des Targaryen traf hin und wieder den braunen Dreck.

Jon hasste diese Lager.
Alles trug dieselbe Farbe.
Braun.
Es war trist und traurig.
Der König hasste alles, was mit Krieg zu tun hatte.

Reue begleitete seinen Alltag.
Er wusste nicht, was er bereute.
Vielleicht, dass er sich in ein unschuldiges Mädchen verliebt hatte, dass nun Qualen litt, da es allein in Winterfell war.
Sie hatte alles für ihn aufgegeben.
Vielleicht bereute er es, als Targaryen geboren zu werden, auch wenn er nichts dafür konnte.
Vielleicht bereute er es auch ein Gewissen zu haben, dass die Ursache dafür war, Cersei vom Thron stoßen zu wollen.
Er tat es für Westeros.
Sein Gewissen ließ es nicht zu die Löwin das Land zerstören zu lassen.
Wäre so vieles anders, wäre sein Leben vielleicht um einiges leichter.

Jon dachte viel zu viel nach.
Es brachte ihn in ein Tief, aus dem er nicht mehr heraus kam.
Jede Nacht lag er wach, dachte an all die Leben die er genommen hatte.
Er weinte kläglich, schluchzte leise in sich hinein, während sich sein Körper immer mehr zusammen zog.

Also setzte sich Jon Targaryen, erfüllt von Selbstmitleid auf einen Hügel, welcher ihm einen guten Überblick über das ganze Lager verschaffte.
Deutlich konnte er die Stimmen seiner Männer hören.
Das Gelächter schien auf einmal wie eine Qual in seinen Ohren.
Der Brief hatte ihn geradewegs ins Herz getroffen.

Der Targaryen zog das mächtige Schwert aus der Öffnung und holte ein Tuch hervor.
Es war noch immer feucht, wie als er vorhin begonnen hatte die Klinge zu reinigen.
Konzentriert führte seine Hand den nassen Lappen über das inzwischen getrocknete Blut.
Weitere Tränen brannte sich durch seine Haut, über die Wange, durch die Narben und tropfen schließlich auf die silberne Klinge.
Würde ihn jetzt einer der Soldaten so sehen...

Er schämte sich nicht zu weinen.
Aber Jon hasste es sich so verletztlich und schutzlos zu fühlen.
Es gingen dem Targaryen so viele Gedanken auf einmal durch den Kopf, dass er noch mehr das Gesicht verzog.
Er weinte wegen vieler Dinge.
Wahrscheinlich hatte er all die Dinge, die passiert waren, nur viel zu lange unterdrückt.
Der Brief hatte ihm den letzten Rest gegeben.

Jon liebte Mayisa so sehr.
Es war unbeschreiblich, was er für sie empfand.
Sein Herz schlug schneller, sobald er nur an sie dachte.
Immer begleitete ein Bild von ihr, seine Gedanken.
Ein Bild von ihr, wie sie herzlich lachte und ihre blauen Augen ihn innig musterten.
Jedes Mal, wenn sie ihn ansah, wusste der Drache, dass er der einzige für sie war.

Ein Stich traf sein Herz.

Sie war nicht immer die einzige für ihn gewesen.
Der König musste bedrückt schlucken.

Er hasste sich selbst dafür.
Er hatte nur sein Land retten wollen.
Daenerys war für das Land gestorben.
Und Mayisa wurde für das Land das Herz gebrochen.

Es mussten immer Opfer gebracht werden.
Diese harte Tatsache, war ihm mit den Jahren immer klarer geworden.

Fest schrubbte er das trockene Blut, von den genommenen Leben, von seinem Schwert.
Jedes Mal nach einer Schlacht konnte er einfach nicht damit abschließen wenn er Langklaue nicht gereinigt hatte.
Es war als wenn er versuchen würde, sich wieder rein zu waschen.

Drachenfeuer | jon snowWo Geschichten leben. Entdecke jetzt