So kann es weitergehen

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Mit langen vorsichtigen Schritten kam die rothaarige Lady den Gang entlang. Er führte geradewegs auf eine Brücke.
Die Frau musste schlucken, als sie nach oben blickte. Es kamen Erinnerungen in ihr, die das Essen wieder hochkommen ließen und ihre Augen feucht machten. Die langen Pfähle waren entfernt worden, ebenso die abgehackten Köpfe. Nichts deutete mehr darauf hin, dass hier die Exekutierten zur Schau gestellt worden waren. Sansa konnte sich genau in das Gefühl zurückversetzen, als König Joffrey sie dazu zwang den Kopf ihres eigenen Vater anzuschauen. Es war der Beginn einer psychischen Tortur gewesen, die sie jahrelang erdulden musste.

Doch jetzt stand dort kein blonder Junge, der sie quälen wollte. Jetzt stand dort eine starke Königin, die wohl die Stille genoss und über etwas grübelte. Sansa kam der Braunhaarigen etwas näher. Mayisa drehte den Kopf zu ihr. Ihr Gesicht leuchtete freundlich auf, als sie die Lady des Nordens bemerkte. "Sansa," atmete sie erleichtert aus. Auch die Stark freute sich sichtlich. Ein sanftes Lächeln bildete sich auf ihrem Mund. Dann fielen die beiden Frauen in eine herzliche Umarmung. Als sie sich wieder lösten schaute sie einander musternd an. "Fünf Jahre ist es her, dass du das letzte Mal da warst," brummte die Königin. "Ich weiß. Aber es kam mir vor wie ein Wimpernschlag."
"Mir nicht," meinte Mayisa unbegeistert. "Wobei die Zwillinge tatsächlich jeden Tag immer größer werden und mir die Zeit mit ihnen davon zu laufen scheint."
"Sie sind erst fünf Jahre alt," grinste Sansa leicht amüsiert.
"Sie werden dieses Jahr schon sechs!"
Mayisa verzog das Gesicht. "Jon will Robb schon für den Schwertkampf begeistern. Aber zu funktionieren scheint das ganze nicht."
Sansa lächelte wieder sanft. "Ich würde die Kinder gerne mal wieder sehen. Erkennen werden sie mich wahrscheinlich nicht."
"Die beiden sehen so viele Gesichter. Da kommen sie mal durcheinander."
"Ich war seit fünf Jahren nicht mehr in Königsmund. Sie erinnern sich bestimmt nicht an ihre Tante."
Mayisa zuckte mit den Schultern. "Womöglich."

"Wie war eure Reise? Wer ist denn alles mitgekommen?"
Prüfend schaute die Königin zu den zwei Wachen, welche sie zur Sicherheit hierhin begleitet hatten.
"Die Straßen sind tatsächlich sicherer geworden. Es gab keine Probleme und wir haben etwas weniger als einen Monat gebracht. Arya ist mit Bran in Winterfell geblieben und überwacht den Norden. Mitgekommen sind Brienne und Podrick. Der Rest sind meine eigenen Soldaten, die ich für den Notfall mitgenommen habe."
Die Königin nickte verständlich. Ihr Kopf wandte sich nach oben gen Himmel. Er war blau, frei von Wolken. Die Sonne strahlte auf ihr zartes Gesicht, während sie kurz die Augen schloss.
"Hasst Brienne uns immer noch?"
"Warum sollte sie euch hassen?"
"Weil Jon damals damals die Lennister Geschwister umgebracht hat. Auch Jaime. Er und Brienne hatten eine besondere Beziehung."
Sansa schnaufte laut aus. Nachdenklich blickte sie zur Seite. Wahrscheinlich hatte die Lady nie darüber nachgedacht.
"Sie wird es nicht vergessen haben, aber was sollte sie denn tun? Ihr seid König und Königin. Cersei musste sterben, das war immer klar. Tyrion und Jaime haben ihr eigenes Todesurteil gefällt, als sie das Attentat auf Jon organisierten und dich entführen wollten."

Mayisa holte tief Luft. Ihr Kopf wandte sich wieder nach unten, die Stirn runzelte sich.
"Manchmal vergesse ich, was wir alles hinter uns gebracht haben, um hier anzukommen."
Die Lady von Winterfell verzog leicht den Mund. "Aber das ist doch gut. Man lebt besser im Jetzt, als in der Vergangenheit." "Das ist wahr," stimmte die Königin der Stark zu.
"So kann es doch weitergehen," meinte Sansa. "Eure Politik zeigt Erfolg. Die Gesetze machen das Land gerechter und sicherer. Die Armut geht zurück. So sollte es doch sein. Und nach euch werden Jeora und Robb regieren. Oder wie sind die Regeln der Thronfolge nun?"
Die Mutter presste die Lippen aufeinander und schnaufte.
"Das ältere Kind, egal welchen Geschlechts, hat den Anspruch auf den Thron, kann aber auch ablehnen.
Jeora würde aber niemals den Thron abgeben wollen. Sie wird ihrer Pflicht nachgehen wollen. So schätze ich sie ein. Robb ist das ganze ziemlich egal. Er ist viel sanfter und zurückhaltender, als seine Schwester."
Mayisa fasste sich an den Bauch. Verwundert blickte Sansa zu ihrer Hand, die behutsam auf dem Kleid lag. Ihre Augen waren größer geworden.
"Was ist? Bist du...?"
"Ich glaube schon," lächelte die Königin friedlich. Die Stark schnappte nach Luft und lachte dann glücklich auf. "Weiß Jon es schon?"
"Nein, ich bin mir noch nicht sicher. Du bist die erste, die es erfährt."
Mayisa biss sich aufgeregt auf die Unterlipppe. Sansa verzog das Gesicht. Sie war ganz gerührt darüber, dass die Königin ihr die Nachricht als erstes anvertraut hatte.
"Wann weißt du es sicher?"
"In einer Woche."
Lady Stark atmete tief ein.
"Es freut mich sehr, dass ihr vielleicht noch mehr Nachwuchs erwartet."
"Danke," lächelte Mayisa ihre Freundin an.
"Wie geht es Arya und Bran?"
Lady Stark schnaufte aus, als sie an ihre beiden Geschwister denken musste. Einer schwieriger als der andere. "Gut, denke ich. Sind beide so wie immer. Meine kleine Schwester hat einen Antrag abgelehnt."
"Gendry?", fragte die Königin aufgeregt.
"Ja, genau. Aber sie will das natürlich nicht. Wie sollte es auch anders sein."
"Arya wäre auch nicht der Typ für eine Hochzeit. Stell dir vor, sie würde ein Kleid tragen."
Sansa Stark musste über die Vorstellung kichern. "Da hast du Recht." Beide stimmten in ein amüsiertes Gelächter ein.

Drachenfeuer | jon snowWo Geschichten leben. Entdecke jetzt