Zwei

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Gegen Abend fing es stark an zu regnen. Unaufhörlich schlugen Tropfen gegen die Scheibe und das Geräusch umfing Nola wie eine sanfte Melodie. Es gerade mal nach acht, aber sie lag bereits in ihre Decke gekuschelt, weil sie einfach nur den Tag vergessen wollte. 

Ein Klopfen durchbrach die Sinfonie des Regens und mit der Ruhe war es vorbei. Aber das Klopfen kam nicht von der Tür, sondern vom Fenster. Neugierig stand Nola auf und öffnete es. Draußen war alles nass und die Lichter der Stadt spiegelten sich in den großen und kleinen Pfützen. 

Aber nichts war zu sehen. Natürlich nicht. Sie lebte im dritten Stock, da konnte wohl kaum jemand die Fassade hochklettern und gegen die Scheibe klopfen. Plötzlich kam etwas wie ein Blitz in ihr Zimmer geschossen. 

Sie unterdrückte sich einen Aufschrei und drehte sich erschrocken um. Da, mitten auf ihrem Schreibtisch, saß ein Rabe. Und er trug einen kleinen Zylinder, ein Monokel und eine graue Weste. 

Sie rieb sich mehrmals über die Augen und zwickte sich, doch er saß immer noch da. "Da gibt's nicht!", sagte sie leise und wollte das seltsame Tier genauer betrachten.

"Was glotzt du denn so!?", rief dieser auf einmal und diesmal schrie sie. "Verdammt, warum kannst du reden!?", fauchte sie zurück und stolperte bis sie die Fensterbank im Rücken spürte. 

"Warum kannst du reden?", fragte der Rabe frech zurück. "Wie, warum kann  ich reden? Ich bin ein Mensch!" "Und ich ein Rabe. Nun, da wir unsere Gattungen geklärt hätten, ich bin hier, um dich abzuholen."

"Wovon sprichst du?"

Im gleichen Moment ging ihre Zimmertür auf und ihr Vater lugte herein. "Mit wem redest du denn?" Zittrig deutete Nola auf den Raben. "Der ... der kann reden! Ich ... also ... er ist einfach-" "Was meinst du?" 

"Häh?" Sie zeigte eindeutig auf den Raben, der wirkte, als würde er hämisch grinsen. "Was ich meine!? Da sitzt ein Rabe und der kann reden!" Ihr Vater starrte nochmal auf den Tisch. "Da ist nichts. Sehr witzig, Nola." 

Er schloss die Tür wieder und ließ Nola mit dem eigenartigen Tier allein. 

Sie zwang sich, erst mal tief durchzuatmen. "Warum sollst du mich holen? Und wohin überhaupt?" "War es nicht dein Wunsch zu fliehen? Ich kann ihn dir erfüllen." "Ich soll weglaufen und einem sprechenden Raben folgen?" 

Der Rabe seufzte. "Nicht für immer. Zeit ist in eurer Welt so ... hektisch. Komm einfach mit und zieh dir was Warmes an. Draußen regnet es." "Was du nicht sagst.", brummte Nola zurück, ging aber tatsächlich zu ihrem Kleiderschrank. 

Sie wusste nicht warum, aber die Aussicht auf einen Weg, den sie wählen konnte, war einfach zu verlockend. 

"Und was jetzt?", fragte sie, als sie im Regenmantel und Gummistiefel vor ihm stand.

"Wir müssen zur Themse. Wir brauchen Wasser. Sehr viel Wasser."

Nola im Anderland (Storyadaption)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt