Achtzehn

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"Vielleicht solltest du ihm einen Witz erzählen. Lachen ist gesund.", sagte Lawewe kichernd. Er hockte auf dem Tisch, an dem Nola seit Stunden saß und Entwürfe aufschrieb.

Sie musste ihre Worte mit Bedacht wählen, denn sobald sie Warden gegenüberstand, gab es kein Zurück mehr.

"Ich bezweifle, dass er der Typ für Scherze ist.", erwiderte sie und ließ die Schreibfeder in ihrer Hand nachdenklich kreisen. "Milankas Geschichte hilft mir zwar weiter, aber es fehlt immer noch der Grund. Machtgier entwickelt man, vor allem wenn man verliebt ist, nicht von heute auf morgen. Irgendetwas ist während ihrem Besuch hier passiert und entweder weiß sie es wirklich nicht oder sie verschweigt es."

"Die Antwort kann ich dir geben.", rief eine dritte Stimme und Nola sah Corvinus durch ein offenes Fenster hereinkommen. "Die Königin ist an einen Schwur gebunden. Wenn sie sagt, dass sie es nicht weiß, dann entspricht das auch der Wahrheit."

Nola seufzte resigniert. "Aber wer könnte es wissen? Leben Milankas oder Wardens Eltern noch oder sonst jemand, der es wissen könnte?"

"Entweder sie sind tot oder lange nicht mehr im Dienst.", kicherte Lawewe.

"Na ja, nicht ganz. Einer ist noch übrig.", widersprach Corvinus. "Chilon war schon damals hier. Vielleicht weiß er etwas."

Wie vom Blitz getroffen sprang Nola auf und rannte nach draußen auf den Hof, wo sie prompt in Will hineinlief.

"Ich muss dringend mit Chilon reden! Hast du ihn gesehen!?", rief sie statt einer Begrüßung. 

Er deutete ihr, sich beruhigen und ihm zu folgen. Sie gingen wieder in den Palast zu der kleinen Tür zur Stadt. Die Soldaten grüßten sie kurz und Will führte sie zu einem Schmied. Einen Moment erschrak sie, denn das Feuer, mit dem er arbeitete, war violett. 

Chilon stand neben dem hochgewachsenen Schmied, der eher einem Bär glich, und unterhielt sich mit ihm. Als er die beiden bemerkte lächelte er und wollte etwas sagen, aber Nola unterbrach ihn sofort. "Ich muss mit Ihnen sofort unter vier Augen sprechen. Bitte!"

Chilon sah sie kurz nachdenklich an, eher er nickte und ihr eine Hand auf die Schulter legte. "Gut, gehen wir zum Hof zurück. Ich hole die Hufeisen später ab, in Ordnung?", wandte er sich an den Schmied, der mit dem Hammer in der Hand zum Abschied winkte. 

Will griff nochmal nach Nolas Hand und sah sie fragend an. Sie bemühte sich um ein Lächeln. "Es ist alles okay. Ich erklär dir nachher alles, versprochen!"

Er nickte und ließ sie langsam los. Nola ging mit Chilon zurück bis in die Bibliothek. Die kichernde Katze und Corvinus waren verschwunden und der unvergleichbare Duft von Staub und altem Papier hing in der Luft.

Sie setzten sich in zwei abgewetzte Ledersessel und Chilon schlug abwartend die Beine übereinander. "Also, was kann ich für dich tun, Nola?"

"Es geht um Milanka. Sie hat mir erzählt, dass sie und Warden ... sich einmal sehr nahe standen. Aber nach der Krönung wurde er anders und ich will den Grund dafür erfahren, damit ich auch wirklich helfen kann. Und ich hatte gehofft, Sie wissen mehr darüber..."

Hoffnungsvoll sah sie zu ihm. 

Chilon sah nachdenklich zu einem der großen Fenster hinaus. "Es war um den achtzehnten Geburtstag der beiden herum. Ich weiß nicht, wie viel Milanka dir erzählt, aber für jemanden wie mich war ihre Liebe kein Geheimnis."

Nola fragte sich, was er mit jemandem wie sich meinte, als sie an seine bunten Augen denken musste. Sie wollte ihn fragen, aber er fuhr bereits fort.

"Sie hätten eine Chance gehabt. Wenn erst mal einer von ihnen der neue König oder die neue Königin gewesen wäre, hätten sie tun und lassen können, was sie wollten. Aber kurz vor der Entscheidung wurde Warden zu dem grausamen Monster, das wir heute vor uns haben. Den genauen Grund dafür kann ich dir auch nicht sagen. Es ist bloß eine Theorie und..."

Nola konnte gar nicht anders, als ihn hoffnungsvoll anzublicken. Chilon brachte dieser Blick zu einem traurigen Lächeln, eher er tief seufzte. 

"Man hat schon damals geflüstert das Trachiel, die damalige Königin und Wardens Mutter, in der Lage sei, Magie auszuüben, die über die einer gewöhnlichen Herrscherin hinausgeht. Sie hat nie einen Hehl daraus gemacht, zu verschweigen, dass die Milanka gehasst hat. Und als herauskam, dass Warden sich in sie verliebt hatte, brannte sie vor Zorn. Einige, auch ich ehrlich gesagt, sind der Meinung, dass sie nach der Entscheidung Warden einem Fluch unterzogen hat, damit er Milanka hasst und sich das Anderland eines Tages mit Gewalt zurückholt."

Nola im Anderland (Storyadaption)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt