Einundzwanzig

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Wie eine Burg aus Schatten erhob sich das alte Herrenhaus vor ihnen. Nola schluckte schwer, als sie an ihren letzten Besuch hier dachte. Frielo und Maloa wurden im Hof festgebunden. Während die Stute sich ruhig verhielt, bäumte Frielo sich so lange auf und trat aus, bis Milanka ihm etwas in einer anderen Sprache zurief, das ihn anscheinend beruhigte.

Sie brachten sie diesmal nicht in den Saal, sondern in einen verwachsenen Garten, wo Warden zwischen überwucherten Blumenranken und Büschen auf dem Rand eines steinernen Brunnens saß. Er sah beinahe gelangweilt auf, als sie vor ihn traten.

Nach der Reihe blickte er sie an. An Milanka blieb sein Blick hängen. Er musterte ihren Arm.

"Was ist passiert?", fragte er leise. Sein Hand zuckte, als wolle er sie berühren, aber er hielt sich zurück.

Nola hatte Recht behalten. Er empfand noch etwas für sie.

"Es war einer deiner Greife!", knurrte Milanka. "War es derselbe, der die Dörfer an der Küste überfallen hat!?" Ihre Stimme zitterte. Ihre Beherrschung schwankte.

Er kniff die Augen zusammen. "Feinde bis aufs Blut, schon vergessen? Nola, du willst doch sicher mit mir sprechen. Zumindest sagen das meine Informanten."

Nola unterdrückte sich ein ängstliches Wimmern, als sie seinen raubentierhaften Blick erwiderte. Sie spürte kurz Wills Hand in ihrer, eher sie einen Schritt nach vorne wagte.

"Geht das auch ein bisschen privater? Es ist wichtig."

Warden brauchte nur eine einfach Kopfbewegung zu machen und schon leerte sich der Garten.

"Also was willst du, Mädchen? Warum sollte ich euch beide nicht einfach töten und Milanka die Krone mit Gewalt entreißen?"

"Erinnern Sie sich an den Tag, an dem zwischen Ihnen und Milanka entschieden wurde?"

Er funkelte die Königin kalt an. "Wie könnte ich?"

"Können Sie mir vom Morgen an erzählen, was an diesem Tag passiert ist?"

Sein Blick glitt ins Leere, als würde er vergeblich nach dieser Erinnerung suchen.

"Ich weiß genau, was damals passiert ist.", sagte Milanka langsam und ging ebenfalls ein paar Schritte auf ihn zu, bis nur sie nur noch wenige Zentimeter von ihm entfernt war. Sie sprach so leise, das Nola sie kaum verstand.

"Wir sind noch vor Sonnenaufgang zu unserem Platz geritten. Wir haben uns beide ein Geschenk gemacht, obwohl wir das nicht wollten." Sie umfasste ihr rechtes Handgelenk und zum ersten Mal bemerkte Nola dort die blau-schwarzen Perlen, die um ein violettes Band geknüpft waren. Sie fragte sich, was Warden von ihr bekommen hatte.

"Du hast mich..." Sie warf einen Blick über die Schulter zu Nola und Will, bevor sie seufzte. "Du hast mich geküsst und mir gesagt, dass du mich liebst. Dass das wichtiger ist als jede Krone. Dasselbe hast du mir vor der Entscheidung nochmal ins Ohr geflüstert. Kaum sind wir aus dem Wasser, hast du dich verändert. Das ist alles."

Wardens Ausdruck hatte sich verändert. Er sah sie entgeistert an. Erinnerte er sich etwa wieder? Nola sah ihn genau an. Seine Augen ... sie hatten immer in einem hellen Grün mit einem schwarzen Rand darum herum geleuchtet. Aber das Schwarz am äußeren Rand ließ immer mehr nach, bis nur noch ein schmaler Ring zu sehen war.

Milanka legte ihm zitternd eine Hand an die Wange. Nola bemerkte eine Träne, die über ihr Gesicht lief. Er umfasste ihre Finger, als wolle er sie wegdrücken, doch er verschränkte sie mit den seinen und rührte sich nicht.

"Milanka, ich..."

Seine Worte wurde von einem Schwert unterbrochen, das sich an Milankas Kehle legte.

"Nimm deine dreckigen Finger von unserem König."

Nola im Anderland (Storyadaption)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt