"Wie seid ihr entkommen?", fragte Milanka eher nachdenklich, als sie schon in den Wäldern waren.
"Lawewe hat uns die Schlüssel geholt. Danach ging alles eigentlich ganz schnell. Wir sind um unser Leben gerannt, bis in den Saal. Danke, dass du uns holen gekommen bist."
Milanka zog an den Zügeln ihres Pferdes und dieses blieb stehen. "Was ist los, Milanka?", wollte es wissen.
Eher sie antworten konnte, erklang Hufgetrampel und Chilon kam mit einigen Soldaten hinter sich angallopiert.
"Milanka! Was sollte diese Aktion?", rief er und zum ersten Mal sah Nola etwas wie Wut in seinen farbenfrohen Augen.
"Prestel sagte, du hättest einfach Riolien gestattelt und wärst davon!"
Milanka atmete tief durch.
"Es tut mir leid. Warden hatte die Kinder entführt und er hat nach mir geschickt. Ich wollte niemanden in Gefahr bringen und bin deshalb alleine los."
Chilon stieg ab und ging zu Milanka. Er nahm ihre Hand.
"Ich bin der Hauptmann der Garde und außerdem seit zehn Jahren ein enger Freund. Trotzdem vertraust du mir nicht?"
Sie stieg ab, damit sie mit ihm auf Augenhöhe war. Oder zumindest fast, denn er war fast zwei Köpfe größer als sie.
"Ich vertraue dir. Aber ich habe in diesem Moment nicht nachgedacht. Das ist zwar keine Entschuldigung, aber ich bitte dich dennoch im Verzeihung."
Er sah sie eindringlich und seine Augen leuchteten kurz auf, eher er leicht lächelte und ihr einen Kuss auf die Handfläche hauchte.
"Natürlich vergebe ich dir, meine Königin."
°*°
Eine freundliche Bedienstete namens Wolria mit langen, dunkelblau gefärbten Zöpfen und einem bunten Dienstmädchenkleid ließ Nola ein Bad ein und brachte ihr frische Kleidung.
"Ruf einfach, wenn du mich brauchst.", sagte sie noch lächelnd, eher sie die Tür eines riesigen Badezimmers hinter sich schloss.
Nola betrachtete misstrauisch das fliederfarbene Samtkleid mit dem cremefarbenen Tüll und den Blumenstickereien.
Nicht ihr Stil, auch wenn es ein schönes Kleid war. Seufzend legte sie es beiseite und streifte sich ihre alten, verschwitzten Klamotten ab, eher sie ins warme Wasser sank.
Die Sonne ging hinter den Bergen unter und zum ersten Mal erlaubte sie sich, über ihr Zuhause nachzudenken. Ihre Eltern waren es gewohnt, dass sie sich um sich selbst kümmerte und sich kaum blicken ließ.
Sie würden sie erst in ein paar Tagen vermissen. Was hielt sie überhaupt davon ab, für immer hier zu bleiben?
Hier könnte sie garantiert glücklich werden.
Sie dachte so lange nach, bis das Wasser kalt wurde. Nachdem sie sich abgetrocknet hatte, zog sie schließlich doch das Kleid an.
Ihre verschwitzten Sachen griff sich sofort Wolria, um sie in irgendeine Art Waschküche zu bringen, eher sie wieder zu ihr kam.
"Milanka würde gerne mit dir und ein paar Freunden zu Abend essen. Ich mach dir eine hübsche Frisur, in Ordnung? Du hast so schönes Haar."
"Danke, das ist wirklich nett von dir."
Das Dienstmädchen führte sie in ein großes Gästezimmer, in dem sie laut Milanka so lange leben konnte, wie sie wollte.
Eine hellblaue Tapete mit Mondmustern und dunkelblaue Vorgänge verliehen dem Raum Farbe, während ein riesiges Himmelbett für das gewisse Königliche sorgte.
Nola wartete geduldig, bis Wolria ihr einen französischen Zopf geflochten hatte.
"Fertig!", rief sie nach nur wenigen Minuten und hielt ihr einen Spiegel hin.
Nola erkannte sich kaum wieder.
Im Spiegel war eine junge Frau in einem schönen Kleid und einer aufwendigen Frisur zu sehen.
Kein schüchternes Mädchen, das für verrückt erklärt wurde, wenn es von ihrem Träumen erzählte.
"Danke.", flüsterte sie.
"Nichts zu danken. Es ist schön, sich auch mal mit einem Mädchen in meinem Alter unterhalten zu können. Milanka ist auch nett, aber einfach mehr die große Schwester und außerdem immer noch die Königin."
Nola lächelte. "Ich weiß, was du meinst. Du bist glaub ich die Erste, mit der ich mich überhaupt unterhalten will. Also, nicht falsch verstehen ... es ist nur..."
"Ich versteh dich. Aber jetzt geh lieber runter, bevor das Essen kalt wird."
Auf ihrem Weg zum Speisesaal, tauchte eine kleine schwarze Gestalt neben ihr in der Luft auf. "Corvinus!", rief Nola überrascht, als sie den Raben mit dem Zylinder erkannte.
"Hallo, Nola.", begrüßte er sie weniger begeistert.
Sie blieb stehen und sah ihn fragend an. "Alles in Ordnung?"
"Nein, gar nichts ist in Ordnung!", krächzte er theatralisch und ließ sich auf einer Fensterbank nieder.
"Du und das Anderland ihr seid verloren!"
"Was? Wieso das denn?"
Er erhob sich wieder in die Luft und sah sie eindringlich aus seinen schwarzen Augen an.
"Frag das deine angeblichen Freunde."
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Nola im Anderland (Storyadaption)
FantasíaNola fühlt sich in der normalen Welt überhaupt nicht wohl. Wegen ihrer eigensinnigen Art ist sie eine Außenseiterin. Eines Nachts taucht mitten in ihrem Zimmer ein Rabe mit einem Zylinder auf und führt sie quer durch London, bis zu einer Brücke. Die...