Nachts hatte Nola nicht ein Auge zugetan. Sie war in ihrem Zimmer auf- und abgetigert und hatte sich überlegt, wie sie Warden nur anhand von Worten zur Vernunft bringen sollte. Vielleicht war da auch noch etwas anderes... Irgendetwas, das sie übersah.
Milanka sprach jedes Mal mit so viel Schmerz in der Stimme von ihm, dass etwas zwischen ihnen vorgefallen sein musste. Und wenn dem so war, dann war es wohl etwas, dass sie enttäuscht hatte. Also war er wohl nicht immer so gewesen.
Wenn sie wüsste, was ihn so verändert hatte...
Es musste etwas mit der Krone zu tun haben, aber sie spürte, dass da mehr dahintersteckte als purer Neid.
Sie brauchte frische Luft zum Nachdenken.
Als sie sich ihren Weg durch die Gänge bahnte, sah sie eine weitere Gestalt, die in einem langen weißen Nachthemd und einem dunkelblauen Morgenmantel herumirrte. Langes, schwarzes Haar und ihre blasse Haut ließen sie beinahe wie einen Geist aussehen.
"Milanka?", fragte Nola vorsichtig. "Alles in Ordnung?"
Die Königin starrte gedankenverloren zu den großen Fenstern hinaus und schien sie erst zu bemerken, als sie direkt neben ihr stand. "Oh... Nola... Solltest du nicht eigentlich schlafen? Es ist schon spät."
"Eigentlich schon, aber ich bin ja anscheinend nicht die Einzige, der das gerade schwer fällt."
Milanka seufzte schwer. "Du hast Recht, ich ... ich habe kein gutes Gefühl dabei. Ich sollte niemanden in diese Sache hineinziehen. Das ist eine Sache zwischen mir und Prinz Warden."
"Hören Sie, ich verstehe, wenn das Thema sie belastet, aber würden Sie mir bitte erzählen, was zwischen Ihnen passiert ist? Ich will das alles einfach nur verstehen..."
"Ich weiß. Na gut, setz dich, Nola." Sie deutete auf den kleinen Hocker neben einem Tischchen mit Blumenvase. Nola ließ sich darauf fallen und sah sie abwartend an.
"Warden und ich wurden am selben Tag geboren.", begann Milanka seufzend und schlang die Arme um sich, als wäre ihr kalt. "Wir wurden beide unser ganzes Leben auf unseren 18. Geburtstag vorbereitet, an dem ein neuer Herrscher für das Anderland bestimmt werden sollte. Um uns besser kennenzulernen lud die damalige Königin meine Mutter und mich hierher ein." Ein kurzes Lächeln, das genauso so schnell verschwand wie es gekommen war, stahl sich auf ihre Lippen. "Anfangs konnten Warden und ich uns überhaupt nicht ausstehen, aber mit der Zeit... Etwas veränderte sich und unser Hass verwandelte sich in..." Das Wort aussprechen schien sie zu sehr zu schmerzen. Nola bohrte nicht nach. "Jedenfalls mochten wir uns mehr, als es gut für uns war. Wir versprachen uns, dass wir füreinander da sein würden, egal, wie die Entscheidung ausfiel. Dann wurde ich erwählt und Warden wurde ganz plötzlich neidisch, gerade zu besessen. Er zwang einige Leute, für ihn zu arbeiten oder er steckte sie mit seinem Machthunger an. Er wurde so, wie du ihn erlebt hast. Aber glaub mir, Nola, er war nicht immer so. Das ist nicht mei... Das ist nicht Warden!"
Die Königin begann zu zittern und schien selbst über ihre Worte erschrocken. Nola stand auf und versuchte, sie aufmunternd anzulächeln.
"Vielleicht wird alles wieder wie früher, wenn -"
"Nein, Nola! Das kann es gar nicht. Selbst wenn Warden jemals zur Besinnung kommen sollte... Du weißt nicht, was er alles angerichtet hat! Das kann man nicht vergeben!" Nola bekam das Gefühl, dass sie nicht nur vom Anderland sprach.
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Nola im Anderland (Storyadaption)
FantasíaNola fühlt sich in der normalen Welt überhaupt nicht wohl. Wegen ihrer eigensinnigen Art ist sie eine Außenseiterin. Eines Nachts taucht mitten in ihrem Zimmer ein Rabe mit einem Zylinder auf und führt sie quer durch London, bis zu einer Brücke. Die...