Nach Corvinus' Warnung betrat Nola eher unsicher den Speisesaal. Milanka trug ein atemberaubend schönes dunkelblaues Kleid mit silbernen Verzierungen und einer sternförmigen Spange, die ihre Haare zusammenhielt.
Chilon und Will waren auch anwesend, in einer Art besonderen Uniform. Für Chilon als hoher Offizier vermutlich nichts ungewöhnliches, aber Will stand seine Arbeitskleidung besser und er schien sich darin auch nicht wohl zu fühlen, da er ständig an dem engen Kragen herumzerrte.
Als er Nola sah, starrte er sie einen Moment lang nur an, eher er lächelte und ihr wie Chilon vorhin bei Milanka einen Kuss auf die Handfläche gab. Dann sah er sich nochmal von oben bis unten an und grinste.
"Du siehst auch nicht schlecht aus.", sagte Nola ebenfalls lachend und wollte zu Milanka, um mit ihr über Corvinus' Worte zu sprechen, aber eine Art Kellner führte sie zu einem Stuhl zwischen Milanka und Will.
Sie brachten ein schwarzes Getränk, das irgendwie wie Cola aussah. Neugierig roch Nola daran, als sich Milanka erhob.
"Meine Freunde, ich würde gerne etwas mit euch besprechen.", begann und klang dabei nicht gerade fröhlich.
Sie sah zu Will und Nola. "Als erstes möchte ich mich bei euch entschuldigen. Das ihr entführt wurdet, war untragbar. Aber ihr solltet wissen, dass das nicht Wardens erste grausame Tat war. Doch es wird die letzte sein."
Sie sagte das mit solcher Trauer und solchem Schmerz in der Stimme, das Nolas Herz schwer wurde. Was war zwischen den beiden passiert?
"Wir haben lange den Wassergeist der heiligen Quelle um Rat gebeten und sie uns eines vorausgesagt.", fuhr sie nun etwas gefasster fort. "Ein Mädchen, dessen Name von edlem Blut bedeutet, soll unsere Erlösung sein. Nola, damit warst du gemeint."
Nola zuckte zusammen, als hätte man ihr einen Schlag ins Gesicht verpasst. Sie wollte protestieren, aber Milanka ließ sie gar nicht zu Wort kommen.
"Wir werden dich zu nichts zwingen, aber wir bitten dich um deine Hilfe. Du sollst angeblich in der Lage sein, Warden zu überzeugen, seine Herrschaft zu beenden. Ohne Blut zu vergießen."
Sie atmete erleichtert auf. Also verlangte niemand von ihr, gegen ihn zu kämpfen.
"Und wie soll ich das anstellen?", fragte sie zögerlich.
"Du musst mit unserer Wassergöttin sprechen. Sie allein kann es dir sagen.", erklärte Chilon.
Plötzlich lagen alle Blick auf ihr und Nola bekam keine Luft mehr. Sie allein soll Warden aufhalten?
"Ich muss kurz ... frische Luft holen.", murmelte sie und sprang auf. Sie stürmte aus dem Saal und rannte durch die Gänge, bis sie so etwas wie einen Balkon fand, von dem man eine hell beleuchtete Stadt ein paar hundert Meter hinter dem Schloss erkennen konnte.
Sie atmete tief durch.
Sie wollte ja helfen. Aber sie würde es sich nie verzeihen, wenn das schiefging und sie für den endgültigen Untergang des Anderlands verantwortlich wäre.
Das Klackern von Schuhen riss sie aus ihren Gedanken. Milanka trat neben sie und sah nachdenklich zu der Stadt hinüber.
"Du musst nichts tun, was du nicht willst, Nola.", sagte sie. "Wenn du Angst hast oder dir einfach unsicher bist, dann ist das auch in Ordnung. Niemand will dich zwingen, für das Schicksal eines ganzen Reiches verantwortlich zu sein. Glaub mir, ich weiß, wie belastend das sein kann."
"Milanka, darf ich Euch etwas fragen?"
"Natürlich, mein Kind."
"Wann und wie seid Ihr und Warden so auseinander gegangen, dass er solchen Hass in sich trägt?"
Nola hatte Angst, dass die Frage zu persönlich war, aber die Königin lächelte nur schwach.
"Es war an unserem achtzehnten Geburtstag. Die Göttin der heiligen Quelle des Lebens sollte einen neuen Herrscher für das Anderland auswählen. Ihre Wahl fiel auf mich und das scheint mir Warden bis heute nie verziehen zu haben."
"Das tut mir leid. Wenn ich mir das erlauben darf, ihr beide scheint euch mal näher gestanden zu haben."
Auf Milankas blasser Haut war eine leichte Röte zu erkennen.
"Ja, wir waren einmal sehr vertraut."
Milanka hätte ihre Gefühle nie über das Wohl ihrer Untertanen gestellt, da war Nola sich sicher. Vielleicht sollte sie sich ein Beispiel und...
Sie atmete tief durch.
"Ich werde alles in meiner Macht stehende tun, um euch zu helfen.", entschied sie.
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Nola im Anderland (Storyadaption)
FantasyNola fühlt sich in der normalen Welt überhaupt nicht wohl. Wegen ihrer eigensinnigen Art ist sie eine Außenseiterin. Eines Nachts taucht mitten in ihrem Zimmer ein Rabe mit einem Zylinder auf und führt sie quer durch London, bis zu einer Brücke. Die...