01 - Fremder

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„Mum?", rief ich durchs Haus.

Seufzend hob ich die leere Flasche Tequila vom Boden auf, wie erwartet schlief sie auf der Couch ihren Rausch aus. Auf dem alten Wohnzimmertisch stand noch eine halbe Pizza die sie sich Nachts bestellt hatte. Ich schloss den Karton und holte eine Decke aus dem Schrank, aus das was davon übrig war, und deckte die blasse Frau damit zu. Mit einem brummen drehte sie sich zur Seite, wie jeden Morgen. Es war nicht leicht für sie seit ihr Vater gestorben war, im Gegenteil es wurde alles schlimmer. Ihre Zuflucht war weg, jetzt musste sie alles alleine schaffen. Es war niemand mehr da bei dem sie weinen gehen konnte, sich darüber beschweren konnte wie schlimm ihre Tochter ja ist. Nein, jetzt nicht mehr.
Mit den Hausschlüsseln in der Hand verließ ich das Haus und kramte in meinen Jackentaschen nach meinem Handy. Der kaputte Bildschirm leuchtete auf und man erkannte das Wort „Dad" unter den Rissen. Während ich die Straße lang ging nahm ich ab und wartete auf die Worte des Mannes der sich kaum noch zuhause blicken ließ.

„Hey Süße", sagte er so freundlich das ich mich fast übergeben hätte.

„Ich hab kein Geld", kam ich gleich zur Sache.

Es war nicht einmal gelogen, ich war tatsächlich pleite. In meinen Jackentaschen befanden sich nur noch die Hausschlüssel, eine zerquetschte Zigarette und ein leeres Feuerzeug. Armselig dieses Leben.

„Ich will kein Geld von dir M", seufzte er.

Glauben konnte ich ihm nicht, seit er „verschwunden" war, wie meine Mum es immer nannte, rief er wegen nichts anderem an. Er rief an, wir tranken einen Kaffee, den ich bezahlte, er lieh sich Geld und meldete sich die nächsten Wochen nicht. So viel zu Eltern müssen für ihre Kinder sorgen.

„Sondern?", murrte ich und klemmte mir das Metallding zwischen Schulter und Ohr um vielleicht doch noch die Zigarette anzukriegen.

„Rauchst du schon wieder?", fragte er besorgt anstatt mir einfach eine Antwort auf meine Frage zu geben.

„Geht dich einen scheiß an, ich bin alt genug und im Gegensatz zu dir kauf ich mir den Mist von meinem Geld. Also was willst du?", zischte ich genervt.

Wir hatten keinen Kaffee mehr zuhause und mir morgens auf die Nerven zu gehen konnte nicht gut ausgehen, für niemanden.

„Ich will dich sehen", sagte er sanft.

„Nein danke", gab ich wieder.

Mich sehen? Wer's glaubt, hat ihn bisher ja auch nicht interessiert.

„Komm schon Maia", seufzte er und bevor er weiter reden konnte hatte mein Daumen schon den roten Kreis auf dem Bildschirm gedrückt und das Handy verschwand wieder in meiner Jackentasche.

Kopfschüttelnd lachte ich kurz auf und konzentrierte mich wieder darauf noch etwas Feuer aus dem gelben Feuerzeug zu kriegen. Als ich genervt das Plastikteil zu Boden warf und ein „verdammte Scheiße" von mir gab hörte ich jemanden lachen.

„Was ist so lustig?", gab ich beleidigt von mir.

„Du wie du dich aufregst", grinste der große Mann vor mir und nahm seine Hand aus der Jackentasche, „hier."

Er hielt mir ein brennendes Feuerzeug hin an dem ich meine letzte Kippe anzünden konnte.

„Jetzt bist du meine Bitch", grinste er.

Ich sah ihn skeptisch an, anscheinend wartete der Kerl auf eine richtige Antwort.

„Träum weiter, ich bin von niemandem die Bitch."

„Das erklärt deine schlechte Laune", lachte er.

Ich zog an meiner Zigarette und zeigte dem Fremden den Mittelfinger, worauf er mit einem Lachen antwortete. Unsicher was sein Verhalten sollte beließ ich es dabei.

„Hast du noch eine?", fragte er.

„Meinst du echt ich würde diesen Mist rauchen wenn ich noch eine hätte?", fragte ich ihn.

Er zuckte mit den Schultern, nahm mir die Kippe aus dem Mund und zog dran. Genervt schaute ich den Fremden an. Neben meinem Kaffee, den ich nicht bekam, nahm man mir jetzt auch noch die letzte Zigarette die ich noch besaß.

„Reg dich ab Kätzchen", lachte er wieder, gab mir meine Kippe zurück und holte eine volle Schachtel raus.

Bevor ich was sagen konnte hielt er mir drei Zigaretten hin: „Nimm schon bevor ich's mir anders überlege. Du scheinst die grade mehr zu brauchen als ich."

„Danke", murmelte ich und die Kippen verschwanden in meiner Jackentasche.

Der Fremde nickte kurz und ging dann weiter. Ich sah ihm kurz nach. Von hinten erkannte man nicht viel, die dunklen Haare die meiner Meinung nach zu viel Gel hatten, die alte, schwarze Lederjacke, die eindeutig schon ihre besten Tage hinter sich hatte und die Tattoos die am Nacken und an den Händen zu sehen waren. So ein auftreten war nicht selten in dieser Gegend, jedoch hatte ich den Kerl vorher noch nicht hier gesehen.
Mit dem letzten Zug an der Zigarette machte ich mich auf den Weg zu meinem Ziel ein paar Häuser weiter und klopfte an die Tür. Durch das Bellen des Hundes hörte man ein „Komme" und kurz danach öffnete auch schon jemand die Tür. Die lila Haare fielen ihr ins Gesicht als sie den Pitbull am Halsband packte und etwas von der Tür wegzog damit ich rein kommen konnte.

„Kaffee ist in der Küche", sagte meine beste Freundin Lora und lehnte sich gegen die Haustür, um kurz danach den Hund wieder loszulassen.

Die graue Pitbulldame sprang mich an und freute sich am Morgen gestreichelt zu werden ohne vorher ein „geh aus dem weg" zu hören. Als ich von ihr abließ machte ich mich auch schon auf den Weg in die kleine Küche und nahm mir eine Tasse, die ich kurz danach auch schon mit Kaffee füllte.

„Was steht heute auf dem Plan?", rief ich, damit das Mädchen mich in ihrem Zimmer, in das sie verschwunden war, auch hörte.

„Nunja", rief sie gerade zurück als ein gut aussehender Mann vor mir in der Küche auftauchte und ihre Stimme immer dumpfer wurde.

„Na großer", grinste ich und setzte mich auf die Theke.

„Na kleines", grinste er ebenfalls und öffnete den Schrank neben mir um sich eine Tasse zu nehmen.

Verdammt, der Kerl ging wieder trainieren.

„Maia!", hörte ich die Stimme meiner besten Freundin und mein Blick ging von Kol zu dem Mädchen im Türrahmen.

„Ich brauch euch heute Abend", gab der Mann neben von sich.

„Wofür?", fragte Lora skeptisch.

Er nahm einen Schluck von seinem Kaffee und sah kurz zwischen uns hin und her: „Da ist eine Party und so ein Mädchen klebt an mir", er legte seine Arm um mich, „und die liebe Maia ist meine letzte Rettung."

„Hast du es mit Vergeben versucht?", fragte Lora, er nickte, „Ziehst nach Australien?" Wieder nicken.

„Schwul?", warf ich ein und nahm einen Schluck von meinem geliebten Kaffee.

Lora grinste um nicht loszulachen, während Kol mich schockiert ansah.

„M, Süße, du weißt ich bin nicht schwul."

Und wie ich das wusste, ich hatte zwei einhalb Jahre damit verbracht es immer wieder bestätigt zu bekommen. Eine Schande sowas abgeben zu müssen, aber wie man sah kamen wir immer wieder aufeinander zurück.

„Also ihr seid dabei?", fragte er an seine Schwester gerichtet.

Diese sah kurz zu mir, verdrehte darauf das ich nickte die Augen und gab ein genervtes „Fein" von sich, ehe sie noch einwarf der er fahren musste.
Es war ein Wunder das sein Auto noch fuhr, falls man den Schrotthaufen noch Auto nennen kann. Der Motor war viel zu laut, die Türen gingen nur auf wenn man sie fast rausriss oder sich gegen warf, die Gurte klemmten jedes mal, das Fenster hinten links wurde nur von Klebeband ans Auto gehalten und ein Airbag hatte das Auto von Anfang an nicht. Zugegeben, es ist besser als kein Auto, aber wirklich sicher konnte man das Ding nicht nennen.

A Strangers Truth || AbgeschlossenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt