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Es ist Mittwoch.
Der Tag verläuft wie jeder andere. Ich kann nicht verhindern, dass mir beim Betten machen wieder die Tränen in die Augen steigen. Ich habe doch alles was ich mir gewünscht habe, wieso bin ich so unglücklich?

Als ich höre, wie die Haustür unten geöffnet wird, zucke ich zusammen. Ich versuche den Schmerz und die Tränen irgendwie runterzuschlucken. Es ist Alex, der eigentlich gerade auf der Arbeit sein sollte. Ich hatte nicht mit ihm gerechnet.

"Ich hab was vergessen.", murmelt er hektisch. Ich stehe oben am Treppenabsatz und sehe dabei zu, wie er vom Flur in die Küche und wieder in den Flur läuft. Als er mich sieht bleibt er stehen.

"Melissa?" Er legt seine Jacke auf die kleine Bank, die in der Garderobe integriert ist und kommt die Treppe herauf.

"Hast du es gefunden?", frage ich einigermaßen gefasst.

Er nickt. Ich gehe zurück ins Schlafzimmer, wo die Betten immer noch darauf warten gemacht zu werden und hebe seine Bettdecke vom Boden auf.

"Warum hast du geweint?", fragt er. Ich hatte nicht bemerkt, dass er mir gefolgt war.

"Habe ich nicht."

"Ich bin nicht blöd. In guten, wie in schlechten Zeiten, erinnerst du dich? Du bist meine Frau. Ich kenne dich."

"Ich habe an meine Eltern gedacht.", antworte ich. Es ist nicht ganz gelogen. In letzter Zeit denke ich viel an sie und frage mich, ob ihre Ehe genauso war, wie meine. Ob meine Mutter genauso unglücklich war, wie ich es heute bin. Aber wenn ich an meine Kindheit denke, kann ich mir das nur schwer vorstellen. Hoffentlich werden meine Kinder ebenfalls zurückblicken und nur die positiven Dinge sehen.

Er berührt mich am Arm, so vorsichtig, dass man meinen könnte, dass er Angst hat mich zu zerbrechen.

"Bitte, Alex."

Abwehrend hebe ich die Hände. Es ist kaum mehr als ein Flüstern, welches meinen Mund verlässt. Ich weiß nicht, wann es angefangen hat, dass ich mich so vor seinen Berührungen scheue.

"Hast du wegen mir geweint?"

Ich bringe kein Wort mehr zustande und kann nur in seine blauen Augen sehen. Er scheint besorgt zu sein. Aber besorgt zu sein ändert nichts. Es ändert nichts an seinem Verhalten und unserer aktuellen Situation.

"Melissa..."

"Nein, bitte Alex. Es ist alles in Ordnung. Du musst zur Arbeit."

"Was ist bloß los mit dir?", fragt er. Sein Tonfall klingt nun verärgert. So habe ich ihn schon lange nicht mehr erlebt. Alex ist meistens der Stillere und sagt nichts.

"Mit mir? Was ist los mit dir? Wann hast du aufgehört dich für deine Familie zu interessieren?"

"Was soll das heißen?"

"Du lässt mich alles alleine machen. Du gehst nur noch zur Arbeit und den Rest lässt du mich erledigen. Wann hast du deinen Sohn das letzte Mal zu einem Fußballspiel begleitet? Und wann warst du zum letzten Mal mit Emily auf dem Reiterhof?", werfe ich ihm vor.

Entrüstet sieht er mich an. "Ich gehe zur Arbeit, damit ich unser Leben finanzieren kann. Denkst du, es macht mir Spaß so wenig Zeit mit meiner Frau und meinen Kindern zu verbringen?"

"Du weißt, dass ich das nicht so meine."

"Du hast Recht, ich muss zur Arbeit."

Wütend verlässt er das Schlafzimmer und stürmt die Treppe herunter. Das letzte, was ich an diesem Morgen von ihm höre, ist wie er die Haustüre hinter sich zuzieht.

*

Am Nachmittag sitzt Kate bei uns in der Küche. Noah und Emily spielen zusammen mit Lina oben in den Kinderzimmern. Ich reiche Kate eine Tasse Kaffee.

"Laura kommt gleich auch noch vorbei.", erwähne ich.

Laura und Michael sind mittlerweile ebenfalls verheiratet und erwarten ihr erstes Kind. Sie sind kurz vor unserer Hochzeit in meine alte Wohnung gezogen und dort wohnen sie auch heute noch. Unsere Freundschaft hat sich tatsächlich gehalten und die Zeit, die Kate und ich früher alleine verbracht haben, verbringen wir nun meistens zu dritt.

Auch Alex kommt am späten Nachmittag nach Hause. Noch immer sitzen wir in der Küche. Die Zeit mit meinem besten Freundinnen ist mir eine willkommene Ablenkung. Vor allem nach dem Streit am Morgen.

"Hallo." Zu meiner Überraschung küsst er mich kurz und zögerlich auf die Wange, bevor er sich einen Kaffee macht. Darüber hinaus stürmen die Kinder die Küche.

"Mama, ich will auch mit ins Zeltlager fahren!", ruft Emily und klettert auf meinen Schoß. Ich streiche ihr lächelnd ein paar Haare aus dem Gesicht.

"Ins Zeltlager? Meinst du nicht, dass du dazu noch etwas zu klein bist?"

"Nein!"

"Lina fährt auch mit. Dürfen wir auch?", mischt Noah sich nun ein.

"Ich weiß nicht..." Ratlos sehe ich meine zwei Kleinen an. Der Gedanke, sie für zwei Wochen alleine wegfahren zu lassen beunruhigt mich. Ich wende mich an Alex. "Was sagst du dazu?"

"Mama und ich besprechen das später, okay? Es ist ja auch noch etwas Zeit, bis ihr euch anmelden müsst."

Ein wenig geknickt lassen die beiden uns wieder alleine.

"Lass sie doch mitfahren. Was spricht schon dagegen?" Kate nippt an ihrem Kaffee. Im Gegensatz zu mir ist sie weniger ängstlich was ihr Kind angeht.

Alex nimmt seine Tasse und geht Richtung Tür. "Lass uns später darüber reden. Ich muss noch Papierkram erledigen."

Dann wendet er sich ab und verlässt den Raum. Wahrscheinlich wird er nun in das kleine Büro gehen, welches wir beim Umzug extra eingerichtet haben, denn als klar wurde, dass Alex für die Position des Chefarztes infrage kommt, war ebenfalls klar, dass das noch mehr Arbeit bedeuten würde. Diese wollte Alex von Zuhause aus erledigen.

Ich kann ihm nur traurig nachsehen und hoffen, dass meinen Freundinnen die schlechte Stimmung verborgen bleibt.

HusbandWo Geschichten leben. Entdecke jetzt