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Wochen später noch ist die Lage genauso angespannt wie zuvor. Jedes Abendessen verläuft schweigend, jeder Tag ist der selbe.
Alex und ich reden nur das Nötigste. In Anwesenheit der Kinder spielen wir ihnen natürlich die perfekte Ehe vor, als wäre alles in Ordnung. Bis jetzt ist weder unseren Kindern noch unseren Freunden etwas aufgefallen. Gerade bei Noah habe ich mir Sorgen gemacht, weil er eben nicht mehr der kleine Junge ist, der von dem Ganzen nichts versteht.

Alex und ich versuchen eine Lösung zu finden, kommen aber zu keinem Ergebnis. Da wir nun beide wissen, dass die Scheidung eigentlich keine Option ist, ist die Sache weitaus komplizierter. Irgendwie warten wir beide einfach nur darauf, dass die Lösung uns zugeflogen kommt. Deshalb tut sich seit Wochen nichts und die Stimmung bleibt eisig.

"Mama, kann Tian heute Mittag zu uns kommen?", fragt Noah, während er sich ein Müsli macht.

"Ja, klar."

Noah und Tian sind seit der ersten Klasse beste Freunde. Genau genommen seit ihrem ersten Schultag. Auch der Wechsel auf die weiterführende Schule konnte die beiden nicht trennen.

"Tian fährt übrigens auch ins Ferienlager.", fügt er mit einem vorwurfsvollen Unterton hinzu.

"Noah..."

"Bitte, Mama."

Unsicher sehe ich meinen Sohn an. Ich weiß, wie gerne er mitfahren möchte, aber dann muss ich Emily auch mitfahren lassen und meine Kinder waren noch nie länger als ein paar Tage nicht Zuhause.
Andererseits, wäre das vielleicht eine Chance etwas mehr Zeit mit Alex alleine zu verbringen und einen Versuch zu starten, unsere Ehe zu retten.
Vielleicht wäre es sinnvoll die Kinder ins Ferienlager zu schicken.
Wir könnten endlich eine Lösung finden, ohne dass der Alltag uns immer wieder voneinander trennt.

"Na schön.", gebe ich schließlich nach.  "Aber die Anmeldung machst du mit Papa zusammen. Und holt für Emily auch eine."

"Danke Mama!" Glücklich fällt Noah mir um den Hals. Kurz drücke ich ihn an mich. Es kommt nicht mehr oft vor, dass Noah mich umarmt. Dazu ist er wohl einfach zu alt geworden.

Unglaublich, dass er schon dreizehn ist. Ich weiß noch genau, wie ich ihn zum ersten Mal im Arm gehalten habe. Und wie Alex uns nach Hause gefahren hat und so furchtbar nervös war, obwohl er sonst immer die Ruhe in Person beim Auto fahren ist.
Kaum vorstellbar, dass Noah einmal so klein war.
Wir schnell die Zeit vergeht.

"Ich habe den Kindern erlaubt ins Ferienlager zu fahren.", erkläre ich Alex, als ich gerade den Topf Kartoffeln auf den Tisch stelle.

"Noah, möchte Tian mitessen?", rufe ich in den Flur. Auf seine Antwort hin decke ich für eine Person mehr.

"Woher der Sinneswandel?"

"Es ist wohl Zeit ihn loszulassen." Ich lege die Schürze ab und hänge sie an die Küchentür. "Außerdem dachte ich, dass es vielleicht eine gute Gelegenheit wäre etwas Zeit alleine zu verbringen. Nur wir beide."

"Ja, das ist gut."

Damit ist das Gespräch auch schon wieder beendet. Beim Abendessen sind es hauptsächlich Tian und Noah, die sich unterhalten. Emily hat einen Brief von Nathan bekommen, den sie sich immer wieder durchliest.

Als endlich alles erledigt ist, kann ich nicht einschlafen. Alex schläft heute bei mir im Bett, weil Noah und Tian beim Fernsehen eingeschlafen sind und das Sofa blockieren. Da Freitag ist, haben wir ihnen erlaubt, dass Tian hier übernachten darf.

Ob es nun Alex' Anwesenheit ist, oder die Tatsache, dass meine Gedanken nicht aufhören zu kreisen, ich kann einfach nicht schlafen.
Dabei kann ich mich kaum beschweren. Es ist fast wieder wie zuvor.
Alex geht arbeiten, ich mache den Haushalt. Es gibt keine großen Streitereien, wir reden nicht viel.
Das einzige was anders ist, ist das Fehlen von Alex' Zuneigung.

Vor unserem Streit hat er mich trotzdem oft geküsst oder einfach so nur berührt.
Das tut er jetzt gar nicht mehr. Sogar beim Schlafen achtet er penibel darauf mich nicht zu berühren.
Aber eigentlich ist auch das ja genau das was ich wollte.

Wie kommt es, dass ich immer wenn sich einer meiner Wünsche erfüllt, so unzufrieden bin?

Alex hat Recht, nichts kann man mir recht machen. Immer bin ich unzufrieden, egal was in unserem Leben vorgeht. Aber wie komme ich aus dieser Sache wieder heraus?

Auch weitere vier Wochen später hat sich nichts verändert. Und deshalb stelle ich mir, obwohl ich es mir eigentlich verboten hatte, doch immer wieder die Frage, ob wir unsere Beziehung vielleicht doch nicht retten können.

Was Gott geschaffen hat soll der Mensch nicht trennen.

Aber was, wenn es einfach keine andere Möglichkeit gibt? Wenn die Ehe einen so kaputt macht, dass das Leben einen nicht mehr erfüllt.

Trotzdem stelle ich mir auch immer wieder die Frage, ob das Problem nicht mehr bei mir liegt, als bei Alex und mir.
Bin ich die, die die ganze Ehe zerstört? Ist das vielleicht alles meine Schuld?

HusbandWo Geschichten leben. Entdecke jetzt