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Als Alex an diesem Abend nach Hause kommt sieht er nachdenklicher aus als in den letzten Tagen.
Er war im Krankenhaus, um Nathans Schrank zu leeren. Außerdem wurde er von seinen Eltern gebeten, Nathans Sachen bei der Bundeswehr abzuholen. Mit einer Plastikkiste in der Hand kommt er schließlich nach Hause.

"Jeder Soldat, ob er nun wirklich kämpft oder auch einfach nur ein Koch ist, trägt eine Waffe bei sich.", sagt er, völlig aus dem Nichts heraus.
Ich ziehe eine Augenbraue hoch.

"Ja, ich weiß."

Er stellt die Box, die etwa die Größe eines Umzugskartons hat, auf den Küchentisch.

"Nathan hatte auch eine Waffe. Er hat sie in der Hand gehalten, als er die Kinder gerettet hat.", fährt er fort.

"Was willst du mir damit sagen?"

"Die haben festgestellt, dass sich kein einziger Schuss aus seiner Waffe gelöst hat. Nicht ein einziger. Er hat sich überhaupt nicht gewehrt."

"Vielleicht hatte er dazu keine Zeit?"

"Unsinn.", erwidert Alex schroff. "Er wusste doch, dass die feindlichen Soldaten das Dorf stürmen würden. Er hat überhaupt nicht versucht sich zu retten."

"Alex, sei ihm doch deshalb nicht böse. Du kannst nicht wissen, ob er sich nicht vielleicht doch wehren wollte. Deine Spekulationen holen ihn nicht zurück."

"Warum bist du immer gegen mich?", fragt er nun aufgebracht. Verwirrt sehe ich ihn an. "Früher waren wir doch immer einer Meinung."

"Ich bin nicht gehen dich, Alex, aber wir waren nicht dabei. Nathan ist tot und er wird auch nicht zurück kommen, ob du ihn nun hasst oder nicht. Du kannst ihm doch nicht böse sein, weil er gestorben ist!"

"Ich bin ihm aber böse!" Er schlägt mit der Faust auf den Tisch. Erschrocken zucke ich zusammen.
"Tut mir leid.", murmelt er, während er sein Gesicht in seinen Händen vergräbt.

Ich mache ein paar Schritte auf ihn zu. Vorsichtig ergreife ich seine Hände und ziehe sie von seinem Gesicht weg, sodass er mich ansehen muss.

"Ich weiß, dass du verletzt bist und dass du ihn vermisst. Aber du darfst nicht wütend sein. Das war kein Selbstmord, Alex, es war Mord. Und selbst wenn nicht, das ändert doch nichts."

"Ich weiß."

Er legt seinen Kopf an meine Schulter.  Sanft streiche ihm durch die Haare und dann über den Rücken.

"Er ist fort, aber wir sind noch hier. Unser Leben muss weitergehen, verstehst du?"

Er nickt. Vorsichtig weicht er ein Stück zurück und sieht mich an. In seinem blauen Augen kann ich den Schmerz, den er empfindet, sehen, aber ich kann ihn ihm nicht nehmen. Unsicher hebt er die linke Hand und legt sie an meine Wange. Abwartend sieht er mich an, als würde er erwarten, dass ich zurückweiche oder sie wegschlage.

"Ich verdiene es gar nicht, dass du so nett zu mir bist."

Meine Mundwinkel verziehen sich zu einem leichten Lächeln.
"Du bist mein Ehemann und hast deinen Bruder verloren. Natürlich verdienst du es."

"Ich war so ein Idiot."

"Ja, das warst du."

"Ich habe dir versprochen, eine Lösung zu finden.", erinnert er mich. "Ich werde dieses Versprechen halten."

"Okay."

"Okay.", wiederholt er. Dann sagen wir beide nichts mehr. Eine Weile lang sehen wir uns einfach nur an. Irgendwann wird es unangenehm, weshalb ich den Blick senke.

"Ich sehne mich so nach dir."

"Aber ich stehe doch direkt vor dir."

Er schüttelt den Kopf. "Das meine ich nicht. Ich sehne mich nach deinem Lachen. Früher haben wir so viel zusammen gelacht und du warst so glücklich."

Ich würde gerne erwidern, dass ich immer noch glücklich bin, aber dass das gelogen wäre, wissen wir wohl beide. Mit fällt jedoch auf, dass ich noch nie gefragt habe, ob Alex glücklich ist.

"Und ich vermisse es mit dir in einem Bett zu schlafen. Es ist mir irgendwann wie eine Selbstverständlichkeit vorgekommen neben dir einzuschlafen. Und ich sehne mich nach deinen Berührungen. Alles nur, weil ich ein Idiot bin."

Jetzt muss auch er leise lachen. Er will gerade erneut ansetzen und noch etwas hinzufügen, als ich schnell meine Lippen auf seine drücke. Überrascht erwidert er den Kuss. Seine Hände liegen an meiner Hüfte, während meine seinen Rücken herauf wandern und schließlich in seinem Haaren verweilen.
Seine Lippen wandern von meinem Mund zu meinem Hals. Er liebkost jede Stelle.
Als ich mein Tshirt über den Kopf ziehen will, packt er meine Arme und hält sie fest. Hin und her gerissen sieht er mich an.

"Willst du das wirklich?"

Außer Atem nicke ich. So sehr wie ich seine Berührungen in den letzten Wochen gehasst habe, so sehr begehre ich sie jetzt.

"Bist du sicher?"

"Ja, du Idiot."

Grinsend lässt er meine Arme los und zieht mir den dünnen Stoff über den Kopf. Dann finden seine Lippen wieder meine und für den Moment ist alles wieder wie früher.
Ich bin glücklich.

HusbandWo Geschichten leben. Entdecke jetzt