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Wir kehren erst zum Hotel zurück, als es schon dunkel ist. Alex will in einem kleinen Supermarkt um die Ecke noch ein paar Besorgungen machen. In der Zeit, in der er weg ist, sitze ich am Fenster und öffne zum ersten Mal an diesem Tag Facebook.
Ich habe auch sonst nicht viel Zeit um den Ansprüchen meiner sozialen Medien gerecht zu werden, aber es ist selten so, dass ich mein Handy in der Tasche lasse, weil ich das Gefühl habe nichts zu verpassen.

Der Urlaub in Südafrika gefällt mir so gut, dass es überhaupt kein Problem ist den ganzen Tag lang auf mein Handy zu verzichten. Ich brauche nur Alex und meine Welt ist perfekt. Es ist merkwürdig, was wir hier tun. Die meisten anderen Paare, die solche Schwierigkeiten im Alltag haben wie wir, hätten wahrscheinlich eine Paartherapie begonnen oder einfach die Scheidung eingereicht.
Aber Alex und ich waren schon immer anders, als die anderen. Wir waren nie wie Kate und Dean oder wie Laura und Michael.
Wir haben uns auf die merkwürdigste Weise kennengelernt und von da an lief nichts mehr nach Plan und trotzdem hat es immer irgendwie funktioniert. Vielleicht haben wir das alles gar nicht so schlecht gemeistert, wie wir dachten. Vielleicht sind wir doch ganz okay so wie wir sind. Und vielleicht ist Südafrika unsere ganz persönliche Paartherapie.

Alex braucht nicht lange. Mit einer Tüte in der Hand kommt er nach bereits zehn Minuten wieder. Ich lege mein Handy auf den Tisch und nehme ihm die Tüte neugierig ab. Sie enthält ein paar Kleinigkeiten und eine Flasche Wein. Alex nimmt die Flasche und füllt zwei Gläser mit der roten Füssigkeit. Dann setzen wir uns gemeinsam wieder an den Tisch. Doch kaum dass wir sitzen vibriert mein Handy.

"Ich werde einen Blick darauf werfen und dann lege ich es weg.", erkläre ich. Amüsiert sieht Alex mich an.

"Du musst es nicht weglegen."

"Will ich aber. Ich möchte die Zeit mit dir verbringen.", antworte ich ernst und entsperre dabei mit meiner freien Hand mein Handy, um die Nachricht zu lesen.

"Oh, es ist Laura. Sie hat Wehen!"

"Wow. Das ist toll."

Schnell tippe ich eine Antwort ein, dann lege ich mein Handy aber wirklich zur Seite. Alex trinkt einen Schluck Wein.

"Solltest du jetzt nicht erreichbar bleiben?"

"Nein. Sie schafft das schon alleine."

"Das mit Laura finde ich immer noch merkwürdig.", gesteht Alex. Ich kann nicht anders, als zu grinsen.

"Immer noch? Wieso?"

"Überleg mal, was passiert wäre wenn ihr nicht zu dieser Party gegangen wärt."

"Nichts wäre dann passiert.", gebe ich gleichgültig von mir. "Du warst nicht ihr Typ."

"Dann überleg mal was passiert wäre, wenn du dich auf diese Wette nicht eingelassen hättest."

"Vermutlich wäre dann auch nichts zwischen euch passiert. Allerdings habe ich über diese Frage vorhin auch nachgedacht. Denkst du, du wärst jetzt glücklicher, wenn ich nicht da gewesen wäre?"

Überrascht sieht er mich an. Er schüttelt wild mit dem Kopf, stellt sein Glas ab und nimmt meine Hände in seine.

"Nein. Sag so etwas bloß nie wieder."
Er macht eine kurze Pause. Tief sieht er mir in die Augen und holt Luft.
"Nein, Melissa, dann wäre ich nicht glücklicher. Wir beide haben so viel durchgemacht, aber es gibt niemand anderen den ich mir dabei besser an meiner Seite hätte vorstellen können, als dich. Du warst die perfekte Freundin für mich. Und du bist die perfekte Ehefrau für mich und die beste Mutter, die unsere Kinder haben könnten."

"Findest du?", frage ich unsicher.

"Ja, natürlich. Ich weiß, dass ich manchmal schwierig bin, aber du bist die Person, die mich am besten im Griff hat. Ich habe viel darüber nachgedacht, was du gesagt hast, als wir uns gestritten haben; Ich weiß, wir wollten das vergessen. Ich bewundere dich, Melissa. Das was du leistest ist unglaublich. Ich habe das nie wirklich wertgeschätzt und meine Schuldgefühle deshalb sind immens aber ich weiß, dass es keine perfektere Frau für mich gibt. "

Er lacht. "Mein Gott, das hört sich schnulzig an. Aber es ist die Wahrheit. Keine ist wie du, Melli."

Als er mich bei meinen Spitznamen, den er schon seit Ewigkeiten nicht mehr gesagt hat, nennt, wird mir ganz warm ums Herz. Seine kleine Ansprache treibt mir fast Tränen in die Augen. Ic glaube, meine Liebe zu ihm war nie größer, als in diesem Moment.

"Ich wäre auch nicht glücklicher wenn ich dich nicht getroffen hätte. Ich meine, da ist wirklich ziemlich viel passiert, von dem ich nie erwartet hätte, dass es passiert, aber irgendwie... Immer wenn ich an uns beide denke, dann muss ich an die schönen Dinge denken. Und davon gibt es so viele, nur sind die schlechten Sachen immer präsenter."

"Ja, ich weiß. Aber wir wissen doch, dass es die schönen Dinge gibt."
Ein Lächeln huscht über sein Gesicht.
"Das Böse ist durch das Gute verursacht. Weil das Gute unterscheidet, ist es Quell und Ursprung von Streit."

"Feuerbach." Nun muss auch ich lächeln. Für einen Moment herrscht Stille. "Ich wollte mich nie wirklich von dir scheiden lassen. Ich habe nur keinen anderen Ausweg mehr gesehen."

"Ich weiß. Lass uns nach vorne sehen."

"Ich denke, das ist eine gute Idee. Was haben wir denn morgen vor?"

"Du nimmst das mit dem nach vorne sehen aber sehr wörtlich.", erwidert Alex lachend. Ich stimme mit ein.
"Ich dachte mir, wir könnten zur Bachelor-Villa fahren."

"Du weißt wo das ist?", frage ich überrascht.

"Ja."

"Und was wollen wir da? Wir kommen da doch nicht einmal mehr rein."

"Lass dich überraschen."

"Ich habe das Gefühl, dass ich mich auf dieser Reise sehr viel überraschen lassen muss."

Alex lacht. Dann hebt er sein Glas, auch wenn schon nicht mehr viel drin ist. Ich tue es ihm gleich, kann dabei aber ein kichern nicht verhindern.

"Auf uns."

HusbandWo Geschichten leben. Entdecke jetzt