Der Morgen verläuft wie jeder andere Morgen auch. Stressig und chaotisch. Wie immer bin ich erleichtert und traurig zugleich, als Alex die Kinder ins Auto packt und sie zur Schule fährt. Vor allem wenn ich Noah ansehe werde ich wehmütig. Er ist nun schon so groß und in wenigen Jahren wird er sich für meine Meinung gar nicht mehr interessieren und nur noch sein eigenes Ding durchziehen.
Und was ist, wenn die Kinder aus dem Haus sind? Wenn nur noch Alex und ich übrig bleiben? Ich will es mir nicht vorstellen.
Ich erschrecke mich fast zu Tode, als Alex auf einmal wieder hinter mir steht. Das Öffnen der Haustüre muss ich überhört haben, als ich angefangen habe Ordnung in Emilys Zimmer zu bringen.
"Also gut, reden wir."
"Worüber?", frage ich und schüttle das Kopfkissen auf. Alex ist kein Fan der großen Worte. Es gibt nicht viel zu bereden. Das war nicht immer so, aber mit der Zeit habe ich mich damit abgefunden.
"Über uns. Ich bin dir also nicht anwesend genug?"
"Du bist nicht für deine Kinder da. Du stehst auf, gehst arbeiten und gehst wieder schlafen. Ich schmeiße den ganzen Haushalt doch mittlerweile alleine."
"Ich versuche unseren Lebensunterhalt zu verdienen, Melissa. Wie kannst du mit einen Vorwurf machen, weil ich meine Familie ernähren möchte?" Entrüstet sieht er mich an.
"Und was ist mit mir? Du fragst nichtmals mehr wie es mir geht. Ich arbeite immer weniger und du arbeitest immer mehr. Und wenn du mal nicht arbeitest, dann streiten wir uns."
"Was willst du mir damit sagen? Du warst doch einverstanden mit der Aufteilung."
"Ja", entgegne ich, "Ich war damit einverstanden, nachdem Emily zur Welt kam. Aber ich war nicht damit einverstanden, dass das zu meinem Leben wird."
Durch die Haustüre werden wir unterbrochen. Alex geht runter und öffnet sie, während ich im Flur oben warte. Es ist Nathan, der Alex um ein Gespräch bittet.
"Es ist gerade nicht so gut. Kannst du später wiederkommen?"
Nathan schüttelt mit dem Kopf. "Nein, es ist wichtig. Bitte, nur ein paar Minuten."
Alex' großer Bruder sieht geknickt aus, als belaste ihn etwas. Kurz sehen die beiden zu mir hoch. Ich nicke. Die beiden gehen in die Küche, ich mache mich wieder an das Zimmer meiner Tochter.
Eine Weile lang ist es fast still. Ich bekomme nichts von der Unterhaltung mit, bis Alex auf einmal laut wird.
"Warum, Nathan?" Nathans Antwort kann ich nicht verstehen. "Du lügst. Du verdammter Lügner! Das bringt sie auch nicht zurück, Nathan. Warum willst du das nicht verstehen?"
Ich mache mich auf den Weg nach unten. Im Flur treffe ich auf die beiden. Ich habe Alex noch nie so verärgert gesehen.
"Meine Entscheidung steht. Wirst du zum Flughafen kommen?", fragt Nathan unsicher.
"Weißt du was? Nein, werde ich nicht. Ich werde nicht noch einmal dabei zusehen wie du in dieses Flugzeug steigst. Nicht mit dem Wissen, dass du vielleicht nicht zurückkehren wirst."
Nun ist auch mir klar, worum es hier wirklich geht. Nathan hat seinen Dienst bei der Bundeswehr wieder aufgenommen. Ich kann Alex verstehen. Er hat Angst um seinen Bruder. Trotzdem ist seine Reaktion unangemessen und wir alle sind das von Alex nicht gewohnt.
Niederschlagen sieht Nathan auf die Fliesen am Boden. Dann nickt er langsam und bedächtigt.
"Okay.", kommt leise von seinen Lippen. "Melissa.", er sieht zu mir und nickt mir kurz du. Dann sieht er seinem kleinen Bruder ein letztes Mal in die Augen und verlässt das Haus.
Alex fährt sich mit der Hand durch die Haare. Er läuft auf und ab und setzt sich schließlich aufs Sofa. Als ich sehe, dass er weint, bricht es mir das Herz. Ich setze mich dicht neben ihn und ziehe ihn in meine Arme. Er lässt die Berührung zu und lehnt seinen Kopf gegen mein Schlüsselbein. Sein Körper zuckt immer wieder zusammen. So harren wir aus, er in meinen Armen, meine Hand die beruhigend über sein dichtes Haar streicht, bis er aufhört zu Schluchzen und die Tränen langsam versiegen.
"Was meintest du damit, dass sie nicht zurückkommt? Wer kommt nicht zurück?", frage ich schließlich, als Alex schon eine ganze Weile nichts mehr gesagt hat.
"Du hast uns belauscht?"
Sein Tonfall ist wieder kalt und verärgert. Der kurze Moment, in dem wir wieder wie früher waren, ist vorbei.
"Es war nicht zu überhören."
Genervt steht er wieder auf. Er will das Wohnzimmer verlassen.
"Das meine ich. Genau das. Immer läufst du weg."
"Siehst du nicht, dass ich es versuche?" Seine Stimme wird nun wieder lauter. Ein verärgerter Unterton mischt sich dazu. Er hat mich noch nie so angeschrien.
"Was versuchst du? Was auch immer es ist, es hat keine Auswirkungen."
"Sagst du das, weil du es so meinst oder sagst du das, um mich zu verletzen?"
"Ist das ein Vorwurf?" Wütend sehe ich meinen Ehemann an.
"Ich weiß nicht was du von mir willst!"
"Ich weiß auch nicht was du von mir willst." Kurze Zeit herrscht Stille. Dann füge ich die Worte hinzu, die mir schon seit längerer Zeit auf der Zunge liegen. Trotzdem hätte ich nie gedacht, dass ich sie wirklich sagen werde. Ich hätte nie gedacht, dass wir an diesem Punkt ankommen würden. Nicht Alex und ich.
"Vielleicht sollten wir uns scheiden lassen."
Noch am selben Tag packt Alex seine Sachen und zieht vorübergehend zu seinem großem Bruder, der ihn trotz seines Verhaltens am Morgen bei sich aufnimmt.
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Husband
Teen FictionDreizehn Jahre sind vergangen, seitdem Alex und Melissa sich das Ja-Wort gegeben haben. Aber das Leben ist nicht so perfekt wie es scheint und das Paar hat Schwierigkeiten, die Probleme des gemeinsamen Zusammenlebens zu überwinden. Als der Begriff d...