11 Jahre zuvor
Die isländische Luft einatmen zu können ist ein wunderbares Gefühl. Es ist zwar eisig kalt und es schneit, aber gleichzeitig ist es auch traumhaft schön. Alex hilft dem dick eingepackten Noah ins Auto. Ich nehme auf dem Beifahrersitz Platz und warte darauf, dass Alex die Scheiben des Autos frei gekratzt hat. Dann geht es endlich weiter in das kleine Dorf, in dem Alex Eltern leben. Es ist Noahs erster Besuch bei seinem Großeltern und ebenfalls seine erste Reise.
Ehrlich gesagt hatte ich ziemliche Angst vor dem Flug. Vor allem, weil ich nicht sicher war, wie Noah den veränderten Luftdruck aufnehmen würde, aber im Endeffekt lief alles wie am Schnürchen und wir sind gut in Island angekommen.
Da die Straßen vereist sind kommen wir nur langsam voran. Umso mehr Zeit haben wir um die Landschaft zu betrachten. Zur Weihnachtszeit ist es überall festlich geschmückt und die bunten Lichter spiegeln sich im Schnee wieder. Noah betrachtet das Spektakel stillschweigend, bis er irgendwann eingeschlafen ist. Wir wecken ihn erst, als wir bei Karin und Henry angekommen sind.
Das kleine Haus zu sehen, weckt Erinnerungen in mir. Daran, wie ich Alex' Familie kennengelernt habe und daran, wie wir ihnen von der Schwangerschaft erzählt haben. Und heute werden wir eine weitere Erinnerung hinzufügen.
Zu dritt teilen wir uns das Bett, in dem Alex und ich zuvor immer nur zu zweit geschlafen haben. Es ist das schönste Gefühl überhaupt. Am Morgen wache ich in dicke Decken gehüllt neben meiner kleinen Familie auf. Zusammen mit Karin, Henry und Nathan frühstücken wir. Alex' älterer Bruder war schon ein paar Tage zuvor angereist um Weihnachten mit seiner Familie zu verbringen. Dass ich offensichtlich auch ein Teil dieser Familie geworden bin erfüllt mich mit tiefer Dankbarkeit.
"Na, Noah, wollen wir heute den Weihnachtsbaum schmücken?", fragt Karin. Sie hält ihren Enkel auf dem Arm. Noah nickt begeistert.
Zuerst geht es aber in den Schnee. Es ist nicht das erste Mal, dass er Schnee sieht, aber es ist das erste Mal, dass er ihn in diesen Mengen sieht. Während ich geschützt unter dem Vordach stehe, macht Alex mit seinem Sohn eine Schneeballschlacht. Als Nathan mitbekommt, wie viel Spaß die beiden draußen haben, zieht er sich ebenfalls seine Jacke an und stürzt sich auf seinen Bruder und seinen Neffen.
Als es mir zu kalt wird, gehe ich wieder ins Haus und lasse die anderen in der Kälte zurück. Alex' Mutter drückt mir eine Tasse heißen Kakao in die Hand. Zusammen stehen wir am Fenster und sehen beim Spielen im Schnee zu.
"Ich kann dir gar nicht oft genug sagen, wie froh ich bin, dass du meine Schwiegertochter geworden bist. Ich habe Alex noch nie so glücklich gesehen. Und Noah bringt in Nathan eine ganz andere Seite hervor."
"Ich könnte mir auch keine besseren Schwiegereltern vorstellen.", antworte ich ehrlich. Aber was Nathan angeht, hat sie wirklich Recht. Er ist im Umgang mit Noah so vernünftig.
Später wird dann der Weihnachtsbaum geschmückt. Henry trägt seinen Enkel auf den Schultern, damit er auch an die höchsten Stellen herankommt. Ich kuschle mich auf dem Sofa an Alex. Zusammen sehen wir dabei zu, wie der Baum immer mehr Gestalt annimmt. Im Hintergrund laufen Weihnachtslieder. Auf dem Glastisch vor dem Sofa steht eine Dose mit selbstgebackenen Plätzchen, die Nathan aber schon zum größten Teil aufgegessen hat.
Am Abend unternehmen Alex und ich noch einen Spaziergang alleine. Noah liegt bereits im Bett und Karin hatte versprochen ein Auge auf ihn zu halten. So stapfen wir zu zweit durch den Schnee, bis wir an den Ort gelangen, an dem wir vor einigen Jahren bereits standen und uns die Polarlichter angesehen haben.
"Hättest du vor vier Jahren gedacht, dass wir noch einmal hier stehen würden?", frage ich Alex. Er hält meine Hand fest in seiner.
"Nein.", gesteht er ehrlich. "Ich habe es gehofft, aber ich hätte nicht gedacht, dass du mir verzeihen würdest wenn die ganze Wahrheit herauskommt. Du?"
Ich schüttle den Kopf. "Nein, ich auch nicht. Ich hätte nicht gedacht, dass deine Entscheidung auf mich fällt."
"Ich bin froh, dass es so gekommen ist. Ich hätte mir kein besseres Leben vorstellen können."
"Ich liebe dich.", sage ich leise und sehe ihn an. Seine Hand findet schnell meine kalte Wange. Er erwidert meinen Blick und lehnt sich zu mir. Instinktiv schließen sich meine Augen.
"Ich liebe dich auch."
Es ist nur ein leises Flüstern, aber es jagt mit hunderte Schmetterlinge durch den Bauch. Ich spüre seinen Ehering an meiner Wange und lege meine Hand auf seine. Endlich legt er seine Lippen auf meine, sanft und zärtlich. Ich wünschte, der Moment würde nie enden, aber Alex löst sich vorsichtig von mir und zieht sich leicht zurück. Es dauert einen Moment, bis ich die Augen wieder öffnen kann. Er lächelt mich an.
"Ist immer noch wie beim ersten Mal, oder?"
"Ja.", entgegne ich kurz. Dann ziehe ich ihn wieder näher zu mir heran. Dass im Hintergrund die Polarlichter funkeln interessiert mich nicht. Es zählen nur noch Alex und ich.
Für immer.
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Husband
Teen FictionDreizehn Jahre sind vergangen, seitdem Alex und Melissa sich das Ja-Wort gegeben haben. Aber das Leben ist nicht so perfekt wie es scheint und das Paar hat Schwierigkeiten, die Probleme des gemeinsamen Zusammenlebens zu überwinden. Als der Begriff d...