21

2.1K 92 2
                                    

Ein paar Tage sind vergangen, seitdem uns die Nachricht von Nathans Tod erreicht hat.
Die Vorbereitungen für die Beerdigung laufen auf Hochtouren und Alex' Eltern haben Mühe das alles etwas einzudämmen.
Nathan wird weltweit als Held gefeiert. Es soll nicht nur ein Begräbnis mit militärischen Ehren werden, so wie es eigentlich für im Dienst gefallene Soldaten üblich ist, sondern auf Drängen von Menschen aus aller Welt, ein Staatsakt.

Nathans Familie wird durch den ganzen Druck die Möglichkeit zu Trauern fast vollkommen genommen. Wir stehen alle noch immer unter Schock, aber die ganze Aufmerksamkeit macht es nicht besser.

Die Verbindung zu Alex und mir und damit auch zu Bachelor war natürlich schnell gezogen. Bis jetzt ist es uns allerdings gelungen wenigstens unsere Kinder da raus zu halten. Und auch Alex und ich werden größtenteils, wahrscheinlich aus Respekt, in Ruhe gelassen.

Nach einer langen Diskussion, die fast wieder in einem großen Streit geendet ist, hat Alex sich schließlich dazu bereit erklärt, wenigstens bis nach der Bestattung sein Amt als Chefarzt an Dr. Ricks abzutreten.
Als ich das Thema zum ersten Mal angesprochen habe, ist er furchtbar wütend geworden. Aber Alex hat keinen einfachen Bürojob. Er ist Chefarzt, leitet ein Krankenhaus und schneidet bevorzugt an anderer Leute Gehirnen herum.
Dass er sich dabei keine Fehler leisten darf, ist ihm selbst auch bewusst.

Nach längerem hin und her soll die Beerdigung jetzt doch in Düsseldorf stattfinden.
Karin hätte ihren Sohn lieber in Island begraben. Verständlich, schliesslich sind die beiden kaum in Deutschland.
Es war schließlich Henry, der sich vehement dagegen geweigert hat. Nathans Leben hätte sich in Düsseldorf abgespielt. Es war sein Zuhause.

Immerhin sind wir an der Planung für die Bestattung kaum beteiligt. Es gibt lediglich das Veto Recht.

Emily hat das Ganze besser weggesteckt, als Noah. Sie hat Alex gefragt, ob Nathan jetzt im Himmel sei. Mit der Antwort, dass  Nathan dort sei und auf sie aufpassen würde, hat sie sich zufrieden gegeben. Natürlich ist sie traurig, aber sie ist einfach zu klein um zu verstehen was wirklich passiert ist.

Wenn ich mir hingegen meinen Sohn ansehe, wünschte ich manchmal, es ihnen einfach nicht gesagt zu haben. Er weint nicht viel, jedenfalls nicht, wenn Alex oder ich dabei sind. Aber er strahlt einfach diese Traurigkeit aus.

Am Abend, kurz nachdem er in sein Zimmer gegangen ist, gehe ich ihm nach. Ich öffne die Tür, die einen Spalt breit offen war. Noah liegt im Bett, ein Buch in der Hand.

"Hey.", flüstere ich und betrete das Zimmer. Er legt das Buch auf den Nachttisch und sieht mich erwartungsvoll an. Ich setze mich auf die Bettkante.
"Was liest du da?"

"Harry Potter."

Lächelnd streiche ich ihm durch die Haare.
"Willst du reden?" Er schüttelt den Kopf. "Aber du weißt, dass du immer mit mir reden kannst? Und mit Papa auch."

"Ich weiß."

"Okay."

Ich will gerade wieder aufstehen, als ich sehe, wie Noah sich mit dem Handrücken über die Augen wischt. Also sinke ich wieder zurück auf das Bett.

"Hey, Noah." Vorsichtig nehme ich ihn in den Arm. Beruhigend streiche ich ihm über den Rücken.

"Ich konnte mich gar nicht richtig verabschieden. Ich dachte er kommt wieder. Und ich habe ihm nie geschrieben."

"Aber das war doch auch gar nicht nötig. Nathan hatte dich lieb, Noah, und er wusste auch, dass du ihn auch lieb hast. Und er war total stolz auf dich."

"Ich weiß."

Ich drücke ihn etwas enger an mich. "Ihr musstet euch nicht verabschieden. Ihr hattet euch alles gesagt."
Erneut nickt er.
"Und Nathan würde gar nicht wollen, dass du weinst. Er würde viel eher wollen, dass du irgendeinen blöden Witz über ihn machst."

Jetzt muss Noah lachen und weinen gleichzeitig.
Auf einmal springt Emily auf das Bett. Ich hatte gar nicht bemerkt, dass sie wieder aufgestanden und hereingekommen war.

"Ist Noah traurig?", fragt sie und sieht mich mit großen Augen an. Ich nicke. Da schlingt sie ihre dünnen Arme um ihren großen Bruder, sodass ich mich schließlich in einer Gruppenumarmung mit meinen Kindern wiederfinde.
Als ich einen Blick auf die Tür werfe, sehe ich, dass Alex uns beobachtet. Ich lächle ihm kurz zu.

"Ihr seid ja noch wach.", sagt er und kommt ebenfalls rein.

"Ja, Noah ist traurig.", erklärt Emily.

"Noah ist traurig?", fragt Alex. Er setzt sich ebenfalls auf das für uns alle viel zu kleine Bett.
"Da hilft wohl nur das Kitzelmonster!"

Er fängt an die beiden zu kitzeln, bis beide vor Lachen nicht mehr können. Alex so liebevoll mit den Kindern zu sehen erwärmt mir das Herz. Vor allem, weil diese Momente so selten geworden sind.
Emily beschließt schließlich die Nacht im Zimmer ihres Bruders verbringen zu wollen. Die beiden quetschen sich in das Bett. Alex deckt sie zu, dann verlassen wir das Zimmer und gehen in unser Schlafzimmer.

Dort kann ich die Tränen dann nicht mehr zurückhalten. Nathan ist fort und er wird nie wieder zurück kommen. So nervig seine Witze sein konnten, jetzt gerade im Moment würde ich alles dafür geben einen von ihnen hören zu können.
Aber er ist fort und hat eine riesige Lücke hinterlassen.

"Ist gut.", flüstert Alex und nimmt mich in den Arm. Er ist einfach nur da, hält mich fest und redet mir gut zu, bis es vorbei ist.

Und für einen kurzen Moment ist es wieder wie früher.

HusbandWo Geschichten leben. Entdecke jetzt