Hakata Donataku

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Der Platz war voller Menschen, die aus den U-Bahn-Stadtionen strömten und die Fahrpläne studierten. Die umliegenden Hochhäuser schimmerten in der Mittagssonne, auch wenn ein dünner Schleier, gleich einem Nebel, über der Stadt lag. 
Fukuoka war genauso wie Sol es liebte. Laut, voll und bunt. Sie kannte den Platz noch von den Familienausflügen von damals. Heute war er anlässlich der bevorstehenden Neujahrsfeierlichkeiten des Hataka Donataku noch voller als sonst. Zudem war er ein wichtiger Knotenpunkt im städtischen Verkehrsnetz, da die Bahn vom und zum Flughafen hier hielt, ebenso wie die zum Hafen. 
Sie hatte gehofft, sie könnten auf ihrer Reise zur koreanischen Halbinsel einen kurzen Abstecher nach Iki zu ihrer Adoptivfamilie machen, doch das Feuer würde nicht auf sie warten. Und die Fähren schon mal gar nicht. Niemand wusste genau, wann Japan die Fährverbindung nach Südkorea endgültig abbrechen würde. Der Flugverkehr war in großen Teilen Asiens schon zum Erliegen gekommen, da die Aschewolke eine zu große Gefahr für die Flugzeuge darstellte. Fukuoka war der Flughafen, der am nächsten am Feuer lag und seinen Betrieb noch nicht eingestellt hatte. 
Sol hätte sich sehr gefreut ihre Familie zu sehen, doch fürs Erste musste es reichen, zuhause zu sein. Ihre Familien mussten sich noch eine Weile gedulden, wenn sie sie wiedersehen wollten. Sie dachte ganz bewusst im Plural. 
Etwas wehmütig dachte sie an die Zeit zurück, als ihre Familienverhältnisse noch nicht solch komplexe Ausmaße angenommen hatten. Damals war es noch einfach gewesen. Ein liebendes Elternpaar, das sie gut behandelte und nicht zwei. Jetzt war sie hin und hergerissen zwischen der Loyalität zur alten Familie, die sie aufgenommen und großgezogen hatte und zur neue Familie, die sie gezeugt und wieder aufgenommen hatte. 
„Hey! Pass doch auf!“, fuhr sie jemand auf Japanisch an. Sol sah auf und bemerkte, dass sie mit einem Jungen, der vielleicht etwas älter war als sie, zusammengestoßen war. 
„Entschuldigung. Habe dich gar nicht bemerkt.“, entschuldigte sie sich und wollte schon weitergehen, doch der Junge hielt sie an der Schulter zurück. 
„Bist du Yuki?“, er sah sie fragend an. 
„Nein, ich heiße Sol.“, log sie ihm die Wahrheit vor. Sie musterte ihn. Seine Haare waren rot gefärbt und seine Augen waren krass hellgrün. Es waren bestimmt Kontaktlinsen. 
„Du musst Yuki sein, sonst würdest du nicht mit denen da,“, er deutete auf die Anderen, die verwirrt zwischen ihm und ihr hin und her sahen, „auf dem Weg zum Hafen sein.“ 
„Woher weißt du das?“, fragte sie ihn misstrauisch. 
„Weil ich hier auf euch gewartet habe. Meine Großmutter hat...“ 
„Gibt es hier ein Problem?“, wurde der fremde Junge von Aaron unterbrochen, der sich nun hinter Sol aufbaute. 
„Nein, ich glaube, er verwechselt uns nur.“, antwortete sie skeptisch. 
„...von euch geträumt.“, endete der fremde Junge. 
„Toll für deine Großmutter, aber wir müssen jetzt weiter.“, fuhr sie ihn an und wollte sich an ihm vorbeischieben. Er trat ihr in den Weg und sie funkelte ihn angriffslustig an. 
“Es ist nicht so wie du denkst. Sie ist wie...ihr, nur halt älter. Sie meinte, dass heute eine Gruppe Jugendliche ankommen würde, die sie unbedingt sprechen müsste. Eine von ihnen heißt Yuki.“, redete er so schnell, dass Sol Schwierigkeiten hatte, ihm zu folgen. 
„Vermutlich hast du kein Wort von dem verstanden, was er gedacht hat, aber weißt du, ob er die Wahrheit sagt?“, wandte Sol sich an Carol. 
„Gelogen hat er schon mal nicht, aber kann uns mal irgendwer erklären, was genau los ist.“, meinte die Telepatin. Sol übersetzte das stattgefundene Gespräch im Schnelldurchlauf. 
„Kurze Beratungsphase?“, fragte Karu, nachdem sie geendet hatte. Sie steckten die Köpfe zusammen. 
„Also, vertrauen wir ihm?“, fragte Hope. 
„Er hat immerhin nicht gelogen.“, warf Carol ein.
„Ich heiße übrigens Hibiko.“, rief der Junge auf Englisch dazwischen. 
„Er sieht aus, wie aus einem Manga.“, sagte Aaron. 
„Das steht hier nicht zur Debatte.“, fuhr Django ihn an. 
„Ich würde ihm vertrauen. Er will wirklich nur Gutes.“, meinte Josiah. 
„Vertrauen wir ihm?“, fragte Sol. 
„Okay.“, antwortete die Gruppe und trat auseinander. Sol wandte sich an Hibiko: „Na gut. Du kannst uns zu deiner Großmutter bringen, aber keine dummen Tricks. Hier würden es einige sofort bemerken, wenn du versuchst uns reinzulegen. 
„Super. Wir müssen übrigens da lang.“, sagte Hibiko ungerührt und führt sie vom Platz. 

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