Take 02

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Grace's POV.

Die Luft war abgestanden und roch nach beißendem Sanitär-Putzmittel, welches beim einatmen wie Blei auf meine Lunge zu drücken schien und der Raum, in dem ich mich befand, war so klein, dass es fast so aussah, als ob die Wände auf mich zuwandern würden um mich zu zerquetschen. Nur das kleine Fenster in der Wand schien dem Raum Hoffnung und Wärme zu spenden.


>> Wissen sie warum sie hier sind? <<

>> Hmmmm... weil das Leben ein mieser Verräter ist? << er zuckte nur gleichgültig mit den Schultern, ohne überhaupt aufzusehen.

>> Denken sie mal nach. Warum sind sie wirklich hier Mr. Styles? <<

>> Wegen versuchtem Selbstmord. <<

Die Worte durchschnitten die Luft wie ein scharfes Messer und hallten unermesslich laut in meinen Ohren, wie der Donner nach dem Blitz. Diese Aussage prallte gegen mich, erdrückt mich, versuchte mir die Luft zum Atmen wegzunehmen.

Ein kalter Schauer kroch über meinen Rücken hinauf bis in meinen Nacken, als würde mir der Tod die Hand auf die Schulter legen und in mein Ohr flüstern >> Ist doch alles nur halb so schlimm. <<

Wie gerne hätte ich zugestimmt, wie gerne hätte ich Mr. Styles das Selbe ins Ohr geflüstert, aber ich kannte die Wahrheit. Ich hatte das alles schon einmal gesehen, damals hatte ich zugeschaut wie derjenige langsam verkümmerte, wie er langsam aber sicher ertrank und auch schon zu dieser Zeit hatte mir der Tod mit einem Lachen im Gesicht seine eiskalte Hand auf die Schulter gelegt und mir mit tiefer Stimme zugeflüstert >> Ist doch alles nur halb so schlimm. <<

Schweigend beobachtete ich ihn und bei jedem Atemzug den er tat, machte sich Erleichterung in mir breit.

Mr. Styles saß krumm an der anderen Seite des Tisches, die Hände auf seinen Schoß gepresst und seinen Blick gesenkt. Es war als würde er gegen sich selbst ankämpfen, als würde seine Seele versuchen aus der kaputten Hülle zu flüchten.

Genau in diesem Moment schwang die Tür auf und Maddie steckte ihren Kopf in den Raum hinein. Es war wie, als würde man eine Kerze in der Dunkelheit entzünden. Ihr Blick wanderte kurz zwischen uns hin und her, ehe sie sich räusperte und zu sprechen begann >> Grace, Mrs. Grey erwartet dich in ihrem Büro. <<

Um ehrlich zu sein, ich war froh darüber diesen Raum verlassen zu dürfen. Diese Stille fraß mich quasi auf.

Unsicher tappte ich durch die Eingangshalle, zu dem Raum gegenüber und meine Hand ergriff sofort das kühle Metall der Türklinke, als sie in Reichweite kam, während meine andere Hand nach oben wanderte, bereit zu klopfen.

Noch ein Mal atmete ich tief ein und spürte wie sich meine Lungen mit Luft füllten, mein Brustkörper sich hob und der Sauerstoff bis in mein Gehirn vordrang, ehe ich sie wieder ausstieß.

Meine linke Hand klopfte gezielt gegen die weiße Tür und es dauerte nur wenige Sekunden, bis die zitternde Stimme von Mrs Grey gedämpft durch die Tür um Eintritt bat. Langsam drückte ich die Türklinke nach unten und trat ein.

Ein Schwall von kühler Luft empfing mich, während ich versuchte die Tür leise hinter mir zu schließen und augenblicklich schlang ich meine Arme um meinen Körper.

Mrs. Grey saß friedlich an ihrem Schreibtisch und starrte durch die dicken Gläser ihrer roten Brille, die sie ausschließlich für Schreibtischarbeit zu nutzen schien, auf den flirrenden Computermonitor.

>> Du hast ihn kennengelernt <<, sie zwang ihre rot angemalten Lippen zu einem Lächeln und wandte sich vom Computer ab.

Verwirrt runzelte ich meine Stirn >> Wen kennengelernt ? <<

Mrs. Grey nahm in aller Ruhe ihre Sehhilfe ab und lächelte nur noch mehr >> Das Angebot. <<

Ich zog scharf die Luft ein >> Er ist das Angebot? <<

In dem Moment widerten mich meine eigenen Worte an. Wir redeten über ihn als wäre er ein Möbelstück, das man nach Belieben platzieren konnte und wenn es alt und schäbig wird, würde man es einfach verkaufen oder wegschmeißen.

>> Bitte Grace, das ist eine riesige Chance, die du wahrscheinlich nicht mehr bekommen wirst. Denk daran, dass du einfach die letzten 3 Studienjahre überspringen könntest. Du musst ihm doch nur eintrichtern, dass das Leben lebenswert ist und ihm seine Medikamente geben. Das ist alles, es liegt in deiner Hand. <<

Natürlich war diese Vorstellung entzückend greifbar nahe und was wäre ich für ein Mensch wenn ich sie nochmals abweisen würde, welches Kind würde denn einfach auf einen Schlecker verzichten?

>> Okay, ich mach's. <<

Man konnte förmlich sehen wie eine große Last von ihren Schultern fiel und sie endlich wieder aufrecht stehen konnte.

>> Sehr erfreut mit ihnen Geschäfte zu machen, Ms. Wheeler <<, lächelte sie und hielt mir einen dunkelblauen Ordner entgegen - seine Akte.

Mit zitternden Händen nahm ich sie entgegen und presste sie an meine Brust.

>> Grace, verrate mir eines, wie hast du es geschafft ihn so sehr zu beruhigen? <<

Ich zuckte mit den Schultern >> Ich weiß nicht, ich habe ihm einfach versprochen nicht in seine Akte zu schauen. <<

Mrs. Grey schüttelte ungläubig ihren Kopf >> Nein, da steckt mehr dahinter. <<

Mein fragender Blick reichte aus um ihre Gedanken laut auszusprechen >> Weißt du, Kindchen, manchmal habe ich das Gefühl du kannst in einen Menschen hineinschauen, bis in die Seele und du handelst nie durch Überlegungen sondern immer mit deinem Herzen. Deine Seele muss ein dunkler Ort sein. <<

Meine Augen wurden immer größer, besonders nach dem letzten Satz und ich konnte sie einfach nur sprachlos anglotzen.

>> Ach ja, bevor du gehst, deine Stundeneinteilung findest du ab morgen auf deinem Studentenprofil. Da steht alles Wichtige und pass gut auf den Ordner auf. <<

Sie sagte es, als wäre nichts gewesen und schubste mich mit ihren Worten quasi schon bei der Tür hinaus. Nickend und auf irgendeine Art und Weise verstört, verabschiedete ich mich und verstaute den Ordner in meiner Tasche.


Als ich diesen Abend in mein Bett fiel, war ich mir zu 100% Prozent sicher, dass ich genau in dem Moment als ich dem Angebot zugestimmt hatte ,das Drehbuch dieses Filmes geschrieben hatte.







Das Leben ist kein Film ✔ |H.S.|Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt