Kapitel 3

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Zwei Tag später warte ich in einer der Polizei Stationen hier in Seoul und zähle Schäfchen.
Nicht weil ich einschlafen will, sondern einfach nur weil mir so langweilig ist.
Bei jedem Beamten der vorbei kommt ein Schaf, bei hässlichen zwei.
Meistens sind es zwei.

Der Grund warum ich nun hier bin sind nach wie vor Vorbereitungen für das Treffen mit meinen Eltern im Gefängnis.
Normalerweise kooperiert die Polizei ab diesem Moment nicht mehr mit einem aber da ich noch sehr jung bin und das ganze auch ein großer Fall war möchte der zuständige Polizist mit mir reden um grobes zu klären.

"Wie viele wollen denn noch mit tausenden von Ordnern an mir vorbeilaufen? Wo legen sie denn die ganzen Teile hin?" murmle ich mehr zu mir als zu irgendjemand anderem.

Einer der vorbeilaufenden Männer schaut mich lächelnd an, so als hätte er mich trotzdem gehört.
Ich erwidere es nicht.

Langsam hoffe ich das Donut-Fuzzi auftaucht, ansonsten könnte das ganze für mich hier auf den Fluren kritisch werden.
Ich bin heute für den Termin schon sehr früh aufgestanden und habe diesmal nicht den Pc zerstört.
Dafür musste Gaho leiden, er lag so ungünstig das ich samt Kaffee in der Hand über ihn geflogen bin.
Wie ich den Fleck auf dem sündhaft teuren Teppich heute Abend Jiyong erklären will weiß ich noch nicht, aber irgendwas muss mir einfallen.
Trotz der frühen Zeit war er nämlich nicht da und überhaupt kann ich mich nicht mal daran entsinnen das er sich in der Nacht neben mich gelegt hat.
Aber es kann gut sein das er die halbe Nacht wieder im Entertainment verbringt wegen der baldigen  Eröffnung seines zukünftigen Cafe hier in Seoul.
Ein paar Zeichnungen für die Inneneinrichtung hat er mir schon gezeigt, aber aktuell ist alles noch sehr stressig.
Naja, wenn er Nachts da nur gemalt hat wäre das gut.
Dann kommt er bestimmt später am Vormittag zurück und legt-

"Einen wunderschönen guten Tag die Dame, wenn sie mir bitte in das Büro folgen könnten?" ich werde von dem dicken Polizisten der mir schon sehr vertraut ist unterbrochen.

Ich antworte nicht, stehe nur frappant auf und folge ihm in das, wie immer, sehr dunkle Zimmer.
Auch hier hat sich kaum etwas verändert, es ist immernoch unordentlich und voll.
Nur mit dem Unterschied das die Formulare nun auch wild auf dem Boden zerstreut liegen und prompt trete ich auf eins.
Gäbe es einen Polizeistellen-Kritiker würde Fettwanst gefährlich leben.

"Setzen sie sich."

Ich, die immernoch kein Wort gesagt hat, setzt sich auf den abgenutzten Ledersitz der unter meinem Gewicht ächzt.
Als sich der Mann aber mir gegenüber sich niederlässt, stößt der Sitz einen qualvollen Schrei aus und ich bin wieder beruhigt.

Ich richte mich ein wenig, merke mir bei welchen Gedanken ich vorhin auf dem Flur war damit ich ihn später fertig denken kann und schaue ihn dann an.

"Hallo nochmal. Wie geht es ihnen?"

Seine fleischigen Lippen bewegen sich komisch wenn er spricht, fast hätte ich diese negative Erinnerung vergessen.
Mein Blick fällt wieder auf ihn, ich entdecke einen rosa Fleck, der gut von einer Glasur stammen kann.
Als ich die gelbe Packung von einer Bäckerei links unter aufgeschlagenen Zeitungen versteckt sehe erklärt es sich von selbst.

"Ich denke es geht mir gut." antworte ich höflich.

Er lehnt sich ein bisschen auf den Tisch nach vorne.

"Das ist schön. Ich hoffe sie konnten die letzten Ereignisse so gut wie möglich verarbeiten?"

Da war es wieder, dieser Satz der mich so aufregt. 'Verarbeiten'.
Man kann so etwas nicht in so einer kurzen Zeit zusamnenfassen, es geht nicht und es ist auch lächerlich das Gegenteil zu behaupten.
Ich bin seitdem genauso wie meine Schwester bei einer Psychologin, Jiyong ist nach dem ganzen Zeug was mir in den letzten Monaten wiederfahren ist förmlich ausgerastet was psychische Untersuchungen angeht.
Er hat die Wartezeiten weggezaubert und ehe ich mich versah saß ich vor einer Tussi die mich mit großen Augen anguckte.
Ich werde Jahre brauchen bis ich mit all dem umgehen kann.
Bis ich daran denken kann ohne zu weinen, ohne Gefühle zu zeigen.
Doch vergessen, vergessen werde ich es nie.
Die Erinnerungen sind in meinem Kopf und ich werde sie nie wieder los.

"...ich...ja, natürlich." ich lüge weil ich keine Lust habe mich ein weiteres Mal mit ihm anzulegen.

"Sehen sie, es wird alles wieder."

Seine Worte helfen nicht, sie verschlimmern den Hass auf ihn noch mehr, doch ich reiße mich angestrengt zusammen und nicke brav.
Ich habe mit meiner Sturköpfigkeit schon genug Ärger angestellt.

"Natürlich." meine Antwort ist trocken.

Ich fokussiere den Blick von ihm kurz rüber auf eine kleine süße Zimmerpflanze die hinter ihm steht.
Zur Hälfte verwelkt, doch sie ist eins der ersten Dinge die mir in die Augen springen wenn ich mich umsehe.
Warscheinlich ist es das schwache grün das hier fast die einzige Farbe in dem Raum ist.
Die Pflanze sieht traurig aus, hier in dem Raum ohne Wasser.

"Dann können wir ja jetzt das Treffen zwischen ihnen und ihren Eltern planen? Wir stehen mit dem Organisator des zugeteilten Gefängnis im Kontakt."

Ich nicke wieder nur, weiß nicht was ich antworten soll.
Ich bin aufgeregt, das bin ich immer sobald es um sie geht.

"Sind sie denn bereit ihre Eltern zu sehen?"

Es schnürt mir den Hals zu als er mich so anschaut und ich umklammere meine kleine Tasche.
Vielleicht wäre es doch besser gewesen wäre jemand mitgekommen der mich beruhigen kann wenn es zu solchen Fällen kommt.
Doch ich bin alleine.
Du schaffst das.

"Ja." würge ich heraus.

Der Knoten in meinem Hals löst sich schlagartig und ich kann wieder normal atmen.
Erleichtert sauge ich die frische Luft ein.

"Gut. Es wäre in Planung das sie am 22.6 ihre Mutter und am..."

Konzentriert holt er ein Blatt raus und liest etwas nach.
Auch auf dem Ordner sehe ich mehrere veraltete Flecken.

"28.6 ihren Vater. Selbstverständlich ist ein Treffen mit beiden gleichzeitig nicht möglich."

Ich atme tief ein, der 22.6 war schon in elf Tagen und ich somit komplett mit dieser Information überannt.
Mir war bewusst das es schnell gehen würde, aber in so einem Tempo mich auf das Treffen vorzubereiten war echt anstrengend.
Perplex starre ich den Mann an, erst in sein Gesicht und dann auf seine Kappe.
Sagen tue ich nichts.

"Passt das so für sie?" er runzelt die Stirn.

Von draußen hört man ein lautes Rumpeln, vielleicht ist einem dieser Polizisten-Spitzmäuschen die Ordner runtergeflogen, was mich als erstes wieder aus dieser Trance herausreißt.

"Ja. Ja, natürlich." meine Stimme klingt monoton.

Doch er scheint davon nichts mitbekommen zu haben, fröhlich grinst er mich an.
Untet dem Tisch hallte ich immernoch fest meine Tasche, meine Finger sind wegen des Drucks schon ganz weiß.
Überhaupt, vielleicht habe ich ja auch im Gesicht keine Farbe mehr.
So ein Gespräch ist dann doch ein bisschen anstrengender als gedacht, denke ich mir.

"Okay. Dann verbleiben wir so."

Höflich reißt er seinen dicken Bauch wieder in die Lüfte und auch ich stehe langsam auf.
Mit einem Griff hänge ich mir meine Tasche wieder hinten auf den Rücken, streiche mir schüchtern meine dunkelbraunen Haare aus dem Gesicht und folge ihm dann.

"Es hat mich gefreut das sie den Termin wahrnehmen konnten. Wenn es nochmal Probleme gibt melden sie sich."

Er streckt mir seine Hand entgegen und ich ergreife sie wiederwillig um sie zu schütteln.
Sie ist schwitzig und ich lasse ihn so schnell wie möglich wieder los.

"Natürlich. Tschüss." ich lächle erstmals.

Als ich den weißen Flur entlang gehe und die Tür sehe, kann ich erstmals wieder richtig denken.
Ich weiß das ich noch nicht so bereit bin wie ich es gerne hätte, aber ich denke das wird nie sein.
Ich bräuchte Jahre, doch die gibt mir keiner.
Manchmal fühle ich mich wahnsinnig unter Druck gesetzt.

Ich verabschiede mich noch schnell von einer der Frauen vorne beim Empfang, sie war so nett zu mir, und verlasse dann das Haus.

Wie gut das ich hier erstmal weg bin, auf zu irgendwas schönem.

𝐃𝐢𝐟𝐟𝐢𝐜𝐮𝐥𝐭 𝐋𝐮𝐜𝐤┃┃𝐺-𝐷𝑟𝑎𝑔𝑜𝑛 𝐹𝐹Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt