Kapitel 7

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Der morgendliche Wind ist kalt und ich schon komplett durchgefroren als ich an meinem Arbeitsplatz ankomme.
Normalerweise ist es das nicht, doch weil ich erstens keine warmen Klamotten habe, sondern nur die von gestern, und zweitens weil es von Momos Wohnung viel weiter ist.
Meine Hände sind als einzige halbwegs aufgewärmt weil ich sie in die Seitentaschen von der dünnen, geliehen Jacke gesteckt habe.

Das vertraute Klingeln beim Eintreten des Cafes erklingt als ich die Tür öffne und eintrete, und wenige Sekunden später taucht meine nette Kollegin auf mit der ich meine Schicht habe.

"Nyu! Komm schnell, wir öffnen gleich."

Ich reiße die Aufen auf, schaue auf mein Handy auf und checke die Uhrzeit.
Und tatsächlich, ich habe 5 Minuten Verspätung, wüßte das meine Chefin die glücklicherweise noch nicht da ist.
Schnell reiße ich das 'Offen' Schild um und renne nach hinten.
Zuerst verfehle ich den Hintergang und renne gegen ein Haufen Kartons, das erste Zeichen dafür das ich heute schlecht geschlafen habe, aber dann schaffe ich es mich umzuziehen. 
Letzte Nacht konnte ich genau soviel schlafen wie erwartet, nämlich kaum.
Das ganze hat dann darin geendet das ich überlegt habe nachts um 3 Jiyong zu schreiben das ich ihn vermisse. Aus Sicherheit musste ich das Handy dann erstmal von mir selbst entfernen.
Ein letztes Mal schaue ich auf das Handy bevor ich vorgehe.
Chaerin schreibt mir immernoch ob mit Jiyong und mir alle gut ist und erstmals schreibe ich zurück um sie zu beruhigen.
Manchmal weiß ich nicht auf welcher Seite sie ist, aber man hat das Gefühl sie steht neutral zu der Sache.
Und gleichzeitig spamt sich mich dann halt voll, wüßte ich ob sie das bei Jiyong auch tut könnte ich es genau und mit Sicherheit sagen.

Mein Tag beginnt hektisch mit einem Anruf einer unzufriedenen Kundin, durchführt mit einem Haufen Hipstern, die ganz nebenbei auch noch Kpop mögen, und dann gegen Vormittag ein Haufen Frauen die zur Mittagspause hier her kommen.
Viele bekannte Gesichter tauchen wieder auf und meine Kollegin und ich sind dauerhaft im Einsatz.
Sie bedient, ich richte zu, und somit sind wir um kurz nach elf ein harmonierendes Team, so wie immer.
Gegen eins tauchen dann ein paar ältere Damen auf die an einer der hinteren roten Sofas Platz nehmen.
Unsere Chefin taucht nicht auf, was zwar nicht abgesprochen aber auch nicht schlimm ist, schließlich klappt ja alles super.
Draußen beginnt es zu regnen, was den Betrieb wegen Passanten die Schutz suchen, nochmal antreibt. 
Dann wird es ruhiger.
Kurz bevor Ende meiner Schicht nehme ich mir Zeit für eine Pause.

"Mika? Ist es okay wenn ich kurz nach hinten gehe?"

Ein Nicken von ihr und ich schlüpfe in den hinteren Bereich zu meinem Handy.

2 ungelesene Nachrichten von: Tante Yoona

1 ungelesene Nachricht von: Jiyong ♡

Ich seufze und klicke dann auf den ersten Chat.
Seitdem Jiyong ihr ein Handy geschenkt hat schickt sie mir ständig Nachrichten.
Diese erfreut mich trotzdem, denn es ist ein Foto von Mino wie sie auf dem alten Sofa sitzt und lacht.

Tante Yoona: Es ist draußen so ungemütlich, wir machen es uns jetzt bequem.

Nyu: Ich wünsche viel Spaß ^^

Dann gehe ich auf den nächsten Chat und lese die Nachricht von meinem Freund.

Jiyong♡: Ich hol dich gleich ab.

Es ist das einzige was er schreibt, aber ich sehe das er noch online ist.
Vielleicht versucht er noch Chaerin zu beruhigen.
Ich grinse, schaue auf die Uhr und antworte dann.

Nyu: Ich warte...~

Dann lege ich das Gerät weg und gehe wieder nach vorne.
Es ist so schön das es Mino gut geht auch jetzt hellt es mich total auf.
Diese Fotos, wenn ich sie sehe ist mein Tag gerettet, ich denke die ganze Zeit dran und kann sogar Dinge wie die Auseinandersetzung mit Jiyong vergessen.
Sie ist meine Schwester und nebenbei auch mein Sonnenschein.

Ich erstarre in meiner Arbeit.
Schwester.
Das Wort kriecht in meinen Kopf und zieht Erinnerungen raus die ich schon lange vergessen hatte.
Ich habe noch eine weitere Schwester, das weiß ich.
Es wurde sogar bewiesen, doch ich hatte noch nie eine Verbindung zu ihr, weiß nichtmal ihren Namen.
Sie ist älter als ich, war an meiner Entführung beteiligt und sitzt jetzt wie meine Eltern.
Ich schüttel den Kopf, will sie rausjagen und weiter machen, aber sie hängt fest.
Ich denke selten an sie, aber wenn ich es tue schüttelt es mich.

"Meine Schwester bist du biologisch, aber das was du getan hast wird das niemals retten können." murmle ich und reibe heftig mit dem Schwamm über den Teller.

"Ich bin deine Schwester?" direkt neben mir steht Mika.

Erschrocken schaue ich auf und der Teller rutscht mir zurück ins Wasser.

"Was?...Nein, ich..." stottere ich und schaue betreten auf den Boden.

"Du, vergiss es, ich wills gar nicht wissen. Warscheinlich privat." sie schlägt mir auf meine Schulter.

Das ist das was ich an ihr liebe.
Mit ihrem westlichen Aussehen komme ich mir hier nicht so einsam vor, und zudem ist sie auch noch total rücksichtsvoll.
Sie hat ein bisschen die Ausstrahlung eines maskulinen Mannes aber gleichzeitig ist sie einfühlsam.
Ich verstehe mich mit ihr an besten hier, sie ist so anders.
Irgendwann muss ich unbedingt was mit ihr privat machen, um sie besser kennenzulernen.
Aber davor sollte sie erstmal über mich Bescheid wissen.
Zerknirscht schaue ich zu dem dunklem Wagen nach draußen.

"Du, ich glaube dein mysteriöser Lover ist da." sie zwinkert in die seine Richtung.

Meine Antwort ist nur ein Stöhnen, jetzt fängt sie auch noch mit diesem hässlichen Wort an.
Ich nicke stumm, lasse den Schwamm nun auch fallen und gehe nach hinten um mich wieder umzuziehen.
In einigen Minuten sollte das andere Mädchen kommen um mich zu vertreten. 
Morgen habe ich dann bis um 17 Uhr und Mika früher aus.
Ich schnappe mir mein Handy auf dem schon wieder eine Nachricht meiner Tante aufscheint, und gehe raus durch den Hintereingang.
Der Geruch von dem schwülen Regen schlägt mir entgegen, das taub zwischen den Gassen liegt und die Menschen auf Trab hält.
Es regnet immernoch stark und ich habe nach wie vor keine Jacke, also renne ich los.
Normalerweise mag ich Regen, aber das hier muss echt nicht sein.

Der abgedunkelte Wagen parkt da wo er immer parkt, weswegen ich ohne zu überlegen einsteige.
Manchmal überlege ich wie es wäre wenn da kein Jiyong drinne sitzt, sondern die selben Typen die ich vor ein paar Monate kennengelernt habe.
Doch nicht heute.

Jiyong scheint sich zu erschrecken als ich mich neben ihn setze.

"Da bist du ja."

Bevor ich auch nur mein Zeug richten kann, zieht er mich so gut wie es in einem Auto geht an sich und hält mich.
Es ist still, nur unser flacher Atem.
Irgendwann schließe ich die Augen, lasse mein Gewicht auf ihn fallen.
Mein Gesicht tief in seinem Hemd vergraben, seine Lippen auf meinen Kopf.
Er riecht nach Minze, diesem Männer Parfum das er immer trägt, Schweiß und Stress.
Und ich sauge den vertrauten Geruch ein, merke das ich ihn vermisst habe, und fühle mich wohl.
Es ist gut das er mich abgeholt hat.
So wie immer.

"So wie immer."

𝐃𝐢𝐟𝐟𝐢𝐜𝐮𝐥𝐭 𝐋𝐮𝐜𝐤┃┃𝐺-𝐷𝑟𝑎𝑔𝑜𝑛 𝐹𝐹Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt