Kapitel 26

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Der Tag neigt sich dem Ende zu, doch für uns beginnt der schöne Teil erst. Der Himmel hellt sich mit Sternen auf, tatsächlich zieht es ein wenig auf während wir mit dem Auto an dem großen, verlassenen Strand entlangfahren. Immerwieder brummt das Auto auf, die Straße entlang, und ich gucke mit Faszination auf das glänzende Meer. Ich bin wahnsinnig dankbar über Jiyongs Vorschlag, auch wenn ich noch nicht genau weiß wo er hin will. Ich bin ungeduldig, weil ich unbedingt in Ruhe auf die Sterne gucken will.

Jiyong hat tatsächlich eine seiner eigenen Songs eingelegt, etwas was er nie tut und ich deswegen umso erfreuter bin. Wir fahren mehr oder weniger in den Sonnenuntergang. Ein komisches Gefühl durchfährt mich als "A Boy" läuft, ein beruhigendes Gefühl als wäre ich zuhause. Es ist ein tolles Erlebnis hier mit ihm zu sein, obwohl ich nicht weiß wie ich reagieren soll. Die meisten Jungs die ich kennenlernte waren pubertierende Arschlöcher die nichtmal ansatzweise auf solche kreativen Ideen gekommen wären. Doch der Junge neben mir ist erwachsen und hat ein funktionierendes Gehirn. Glaube ich.

Wegen meinen Gedanken lache ich leise auf, gedämpft von dem Motor.

"Was ist?" als Jiyong sich zu mir dreht ist er auch am Lachen.

"Nichts..ich musste an etwas denken, wenn ich es dir erzähle wirst du ausrasten." meine ich kindisch.

"Hast du etwas in der Vergangenheit kaputt gemacht, und mir nicht davon erzählt?" rätselt er.

Ich lache wieder leise auf. Er kennt mich, anscheinend ist es typisch für mich Dinge kaputt zu machen, aber diesmal habe ich nichts geschrottet.

"Nein. Es geht mehr um dich."

"Um mich?" ich weiß das man es nicht mag wenn man über sein tollpatschiges Ich lacht, das kann er immernoch am besten.

"Was hast du-" fängt er an, doch ich unterbreche ihn geschickt.

"Nichts vergiss es."

Verwirrt von seiner Freundin biegt Jiyong auf einen etwas größeren Kiesweg, und in den Wald hinein, immer weiter hoch. Wir sind warscheinlich gleich da. Und tatsächlich, ich behalte Recht.

Den Platz den Jiyong rausgesucht hast ist schön. Nein, das stimmt nicht. Ein Platz, der geradeaus aus einer Waldlichtung kommt, mit einem aufbrausenden Meer und dem stürmischen Wind, der hier an der Küste weht ist nicht schön. Er ist atemberaubend, es ist etwas was ich nicht vergessen werde, sondern tief in meine Erinnerungen einbauen werde. Andere Fotos würden jetzt Fotos machen, so bezaubernd ist das.

"Schade das man nicht schwimmen gehen kann." murmle ich.

Meine Haare wehen im Wind, und an sich habe ich nichts dagegen, doch weil ich mich nicht ohne das mein komplettes Blickfeld von Haaren bedeckt ist umdrehen kann, mache ich einen Zopf. Immer wieder hinters Ohr stecken bringt nichts.

"Dafür ist jetzt in der Jahreszeit zu kalt, Aber vielleicht im Sommer."

Erst jetzt kommt Jiyong auch aus dem Auto, mit einer Decke im Schlepptau.

Ich denke kurz über seine Worte nach, bin ich dann überhaupt noch bei ihm? Was wird nächstes Jahr passieren, werde ich vielleicht genauso wie Dara ersetzt? Unruhig knabbere ich an meinen Fingern, was er bemerkt.

"Was ist? Was beschäftigt dich Prinzessin?" er setzt sich zu mir.

"Ich habe Angst."

"Du hast Angst?" hakt er nach.

Ich nicke. Ersetzt zu werden.

"Vor was?" nachdenklich streicht er mir durch die Haare.

Wegen des Winds sind einzelne Strähnen jetzt schon rausgerutscht.
Er schiebt sie mir hinters Ohr, und betrachtet mich nachdenklich, während ich verzweifelt auf den Boden gucke.
Mein Versuch nicht automatisch rot zu werden scheitert kläglich.

"Ich habe Angst das du mich irgendwann genau so wie Dara verlässt." flüstere ich leise in den Wind.

Es ist wie Beweis dafür das er es schonmal getan hat, und es jederzeit wieder tun kann.

Jiyong richtet sich auf und seine Hande lassen meine Haare los.
Er antwortet nicht gleich, und ich starre fokussiert auf das Meer.
Irgendwo zieht sich etwas in mir mit jeder Sekunde in der er nicht antwortet etwas zusammen.

"Was meinst du eigentlich damit das es mit Dara ganz anders war?" frage ich weiter als er nicht antwortet.

Doch schlussendlich tut er es dann doch, zögerlich.

"Das mit Dara war keine richtige Beziehung. Sie ging nicht lange. Sie war nicht echt. Unser Manager sprach von einem Pushen für unsere Karrieren, Dara sprach von Liebe, und ich von einem großen Missverständnis."

Seine Stimme ist fast genauso leise, dann guckt er mich an.
Als ich ihn erwidere zieht er mich an sich was ich stumm zulasse.

Ein gegenseitges Pushen der Karriere? Ich habe bereits davon gehört, bei Sängern wo es bis zur Heirat ging.
Auf eine Art ist es total brutal, weil du eine Person lieben musst mit der du gar nicht interagierst. Du verbringst mit ihr dein Leben als Paar, obwohl es keine Gefühle gibt.

Ich frage weiter.

"Und wie war es mit mir?"

Ich schaue ihn an während er schmunzelt.
Er weiß wofür die Frage gedacht ist, und er gibt mir die beste Antwort die man sich hätte vorstellen können.

"Alle Sprachen von der großen Liebe, vorallem Taeyang der bald heiratet. Alle, nur ich nicht. Vielleicht war das auch der Grund warum ich mich aus lauter Verzweiflung in Daras Beziehung stürzte. Ich wollte Liebe doch fand keine. Stattdessen tränkte ich mich mit meiner Trauer in meinen Texten. Bis ich dich traf, da wirkte plötzlich jeder Handgriff so geübt. Jedenfalls schien es so. Und das stimmte auch. Die Handlungen waren geübt, doch die Gefühle waren neu. Es hört sich an wie in einem schlechten Film, und das war es auch. Du musst dir vorstellen, mein ganzes Leben war ein schlechter Film. Doch dann bist du gekommen mit deinem chaotischen Stil und hast ihn angehalten."

"Jiyong..!" quengle ich während ich mich an ihn drücke.

"Ich liebe dich Nyu. Ich weiß ich habe es in den letzten Tagen nicht so gezeigt wie ich es eigentlich sollte, aber ich liebe dich." flüstert er.

Ich lausche seinen Worten, zur Hälfte in seinem Oberteil verwickelt, zur anderen Hälfte in seinen Armen, die er gerade um mich legt. Seine Worte dringen spät zu mir durch, als würde der Stoff es nicht zulassen. Doch ich lasse es zu, realisiere sie und muss lächeln. Ich muss lächeln weil ich niemals dachte so etwas gesagt zu bekommen. Es war immer dieser ständige Familienstress, diese außergewöhnliche Situation die ich und meine Schwester schon früh hatten, und nie solche Themen wie die erste Liebe. Ich dachte nichtmal daran, es war kein Thema, doch jetzt über die Monate wurde es langsam immer wichtiger, ohne es zu merken. Jiyong wurde wichtiger, weil er mir oft zeigte wie viel ich ihm bedeutete. Und ich bin froh darüber, das nichts positives unausgesprochen bleibt, auch wenn es nicht dann doch nicht so gut erscheint. Hätte ich ihm vielleicht nie von den Nachrichten erzählt, wären wir nie hier gewesen.

"Dein Kopf arbeitet auf Hochtouren, man sieht es dir an." lacht er.

Wieder verziehe ich das Gesicht zu einer grinsenden Fratze.

"Was beschäftigt dich nun wieder?"

Als antwortet küsse ich ihn, einfach weil ich meine Gefühle nicht besser ausdrücken könnte. Und dann komme ich mir wirklich vor wie in einem Film, weil dieses befremdliche Gefühl nicht weggehen will, und ich nicht weiß was ich tun soll. Aber es ist ein guter Film, wie es Jiyong bereits sagte, der mich eine Liebe ausleben lässt die ich davor so nicht gespürt habe.

Seine richtige Seite ist nicht oberflächlich, das weiß ich jetzt, und wusste es tief im Inneren schon länger. Es ist diese hier, die ruhige und verlässliche, die sentimentale und offene, die aufgeregte, unsichere. Und eigentlich kenne ich diese schon so lange, und lerne sie jetzt erst richtig wertzuschätzen.

𝐃𝐢𝐟𝐟𝐢𝐜𝐮𝐥𝐭 𝐋𝐮𝐜𝐤┃┃𝐺-𝐷𝑟𝑎𝑔𝑜𝑛 𝐹𝐹Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt