Und damit kommen wir ans Ende meines kleinen Lebensweges, bisher. Wir sind angekommen auf meinem Handy, auf dem ich diese Worte tippe, in einem Moment, in dem ich nicht weiter weiß. Aber gleichzeitig sehr wohl weiß, dass es weitergehen muss. Denn an den oben stehenden Gründen gegen Selbstmord hat sich ja nichts geändert.
Das Problem ist, dass ich meinen Körper schon nicht planen kann, wie soll ich dann Arbeit planen können? An manchen Tagen kann ich problemlos aus dem Haus gehen, an anderen schaffe ich es gar nicht. Und das weiß ich immer erst in dem Moment, in dem ich aus dem Haus gehen muss.
An manchen Tagen kann ich gut mit Menschen umgehen. Obwohl ich vielleicht etwas merkwürdig wirke und es zwischen uns holpert, macht es mir manchmal sogar Spaß. An anderen Tagen lähmt mich die Angst, mit anderen Menschen interagieren zu müssen.
In beiden Fällen kippe ich halbtot ins Bett, sobald ich aus der entsprechenden Situation gänzlich raus und in mein eigenes Reich komme, aber an den guten Tagen ist das auch gute Erschöpfung. Die, bei der man weiß, dass man seine Grenzen erreicht, sein Bestes gegeben und damit sogar Menschen geholfen hat.
An schlechten Tagen aber ist es lähmend. Man fühlt sich als Versager.
Aber auch, wenn ich es mal zur Arbeit schaffe, weiß ich nicht, wie es dann wird. Wie lange ich mich konzentrieren kann. Ob meine Gedanken schon in den ersten Minuten abdriften und nie wieder ihren Fokus finden, oder ob ich so lange durchhalte, bis eine Pause eh akzeptabel ist, und ich mich aus der Situation rausnehmen und neue Kraft schöpfen kann.
Aber welcher Arbeitgeber akzeptiert das? Welcher Arbeitgeber stellt jemanden ein, der nicht zuverlässig oder planbar ist? Da ist es doch egal, ob der Arbeitnehmer aus Faulheit zum Problem wird, oder gegen seinen Willen. Weil er einfach nicht anders kann, egal, wie sehr er es versucht.
Flexibilität ist dabei eigentlich der Kernbegriff, den der Arbeitsmarkt fordert. Aber damit wird nur gemeint, dass der Arbeitnehmer bitte auch mal Überstunden machen soll. Oder mal am Wochenende arbeitet, wenn viel anliegt. Flexible Arbeitgeber? Die mag es geben, aber viel zu selten.
Also ja, wie es weitergehen kann, weiß ich nicht. Als Autorin meinen Lebensunterhalt zu verdienen, wär ein Traum. Wegen der Lesungen aber selbst dann unwahrscheinlich, wenn jemand meine Romane verlegen wollen sollte. Und selbst dann müsste man ein Minimum von zwei Romanen pro Jahr schreiben, die sich auch noch gut verkaufen.
Aber ich weiß nicht einmal, wie ich das versuchen kann. Denn theoretisch könnte ich mit meinen Kurzgeschichten auf meiner Website bei genug Klicks vielleicht etwas Geld verdienen. Aber nirgendwo findet man genaue Informationen, ob man sich dann selbstständig melden muss. Und nebenberuflich oder hauptberuflich? Wie ist es dann mit der Krankenkasse? Wenn ich kein festes Einkommen habe, aber eben auch nicht gar keines, wie berechnet sich dann der Monatsbeitrag? Und hier hört schon wieder meine Kraft auf. Ich suche die Informationen, finde aber wenig und das wenige begreife ich nicht einmal. Aber wen kann ich denn fragen, vor allem, wenn ich nicht einmal gut aus dem Haus komme, um Termine bei möglichen Beratungsstellen wahrzunehmen? Warum muss einem das Leben so unnötig schwer gemacht werden?
Jetzt heißt es wohl, auszuprobieren. Denn zumindest bis zu 450 Euro in Nebenjobs darf ich scheinbar verdienen, bevor die Krankenkasse auf die Barrikaden geht? Ich versuche es mit Mikrojobs im Internet, suche nach Minijobs, ... Ich habe keine wirkliche Hoffnung, aber auch keine Alternative.
Bei Mikrojobs verdiene ich an guten Tagen zwei Euro die Stunde, an schlechten keinen Cent. Aber was bleibt mir anderes übrig? Ich muss überleben.
Und sei es nur, damit ich das Leben für Menschen wie mich irgendwie besser machen kann, indem ich nicht mehr meinen Mund halte. Darüber berichte, wie schwer es für mich schon ist, obwohl es mir noch vergleichsweise gut geht.
Denn den Wunsch, Menschen und vor allem uns Behinderten zu helfen, kann und will ich nicht aufgeben.
Ihr da draußen, die ihr in Teilen oder sogar völlig mitfühlen könnt, was ich hier schreibe: Ich werde für euch kämpfen. Mit dieser kleinen Schrift hier. Aber auch sonst.
Und ihr, denen euch das nicht völlig egal ist, lege ich ans Herz, das hier bitte zu teilen. Sofern ihr mein Geschreibsel hier nicht völlig unerträglich fandet. Lasst uns gemeinsam gegen das Überhören ankämpfen und damit den Weg bereiten, dass auch andere Behinderte öffentlicher über ihr Leben berichten. Dass Politiker ihnen zuhören. Und wir vielleicht zumindest auf lange Sicht etwas verbessern können. Wenigstens die kleinste Kleinigkeit.
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Unter drei Augen
Non-FictionBiografisches aus dem Leben einer Schwerbehinderten in Deutschland. Anekdoten, Zahlen und Fakten. "Ich bin all das. Ich bin all meine Krankheiten. Die leichten und die schweren. Die, die nur in ganz bestimmten Situationen eine winzige Rolle spielen...