Was ich zu einem guten Leben bräuchte

14 3 0
                                    

- persönliche Wünsche für eine bessere Zukunft - 


Jetzt, zum Ende hin, möchte ich noch etwas fantasieren. Ich habe so lange gemeckert, dass Deutschland, so wie es jetzt ist, nicht behindertenfreundlich ist. Und meckern, ohne Anregungen zu geben, bringt nicht wirklich viel. Wer etwas bemängelt, sollte zumindest einen Plan haben, wie es etwas besser geht, richtig?

Ich kann aber nicht für alle Behinderten sprechen. Ich kenne nicht einmal alle Krankheiten, die in Deutschland vorkommen und selbst bei denen, die ich kenne, weiß ich nicht, wie genau sie das Leben verkomplizieren. Das möchte ich verstanden wissen. Denn das, was ich für mich bräuchte, ist vielleicht sogar das völlig falsche für einen anderen Behinderten.

Entsprechend wäre mein erster Punkt auch einfach, dass ich gern eine politische Vertretung hätte. Eine richtige. Nicht nur einen behindertenpolitischen Sprecher in der Bundesregierung oder einen Gleichstellungsbeauftragten. Es sollte eine eigene große Abteilung im Sozial- oder Gesundheitsministerium sein, ein eigener Ausschuss im Parlament. Beides besetzt mit Experten, also nur mit entweder Behinderten und deren Angehörigen oder mit Ärzten, die noch praktizieren und dabei wirklich Kontakt mit Behinderten haben. NIEMAND, der nicht mindestens einmal die Woche miterlebt, wie schwer das Leben mit Behinderung ist, sollte sich anmaßen dürfen, für uns zu entscheiden.

Dafür wiederum müsste aber auch die Politik zugänglicher werden. Nicht jeder Behinderte könnte aktuell überhaupt aktives Parteimitglied werden. Ich würde es gern, bin aber nicht so mobil, dass ich zu Veranstaltungen kann. Sogar meine Therapeutin rät mir dazu, zu versuchen, Berufspolitikerin zu werden, weil sie merkt, wie der Frust mich belastet. Wie sehr es mich innerlich tötet, dass ich keine Stimme haben, nichts verbessern kann.

Es ist nur nicht so leicht. Dafür müsste auch die Politik endlich die neue Infrastruktur, sprich das Internet nutzen. Abgeordnete sollten endlich auch übers Internet an Debatten teilhaben können, von zuhause aus. Sie sollten per Skype ihre Reden halten dürfen. Und da Abstimmungen im Bundestag eh nachverfolgbar sind, würde das nicht einmal das Wahlgeheimnis einschränken. Man kann jetzt schon jederzeit sehen, wie welcher Abgeordneter zu welchem Gesetzentwurf gestimmt hat. Es würde sich hier nichts ändern, außer dem Anreiz, das Internet auch in ländlichen Gebieten endlich so auszubauen, dass entsprechende Teilhabe möglich ist. Und seien wir ehrlich, das würde auch den gesunden Bürgern und sogar der Wirtschaft mehr nützen als schaden.

Und es sollte in der Politk eine Quote geben. Jeder zehnte Deutsche plagt sich mit einer Behinderung herum. Ich sage nicht, dass jeder zehnte Abgeordnete dann ein Behinderter sein muss. Immerhin kann man Menschen auch nicht zwingen, in die Politik gehen zu wollen. Aber wenn es eine Quote für Menschen aus Hessen gibt, zumindest bei der CDU, warum dann keine für Behinderte? Laut einem Artikel der Süddeutschen Zeitung, den ich auch unten in den Quellen eintragen werde, sind aktuell 23 Abgeordnete mit Behinderung im Parlament zu finden. Ich konnte nicht herausfinden, wer das ist und welche Behinderungen sie haben. Der Einzige, der mir bekannt ist, ist Wolfgang Schäuble und obwohl er im Rollstuhl sitzt, also eine sehr extreme Einschränkung erfährt, war er bereits Berufspolitiker, bevor die Behinderung eintrat. Das heißt, dass er sich nicht von klein auf gegen gesunde Klassenkameraden behaupten und für sein Recht, trotz seines Körpers zu lernen und zu arbeiten, kämpfen musste. Er konnte sich nach seiner Behinderung quasi ins gemachte Nest setzen und hatte schon ausreichend Finanzen. Er war schon respektiert und musste sich das nicht erst erarbeiten.

Damit möchte ich ihn nicht herabstufen. Ich möchte nur darauf hinweisen, dass ihm die Erfahrung fehlt, wie es ist, als normaler Bürger mit einer Behinderung zu leben und vielleicht schon als Kind im Bildungsweg diesbezüglich benachteiligt zu werden. Oder als Erwachsener nach einem Arbeitsunfall deshalb den Job und die Existenz zu verlieren. Er reicht nicht aus, um Behinderte vollumfänglich zu vertreten.

Unter drei AugenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt