Kapitel 30 - Endgame

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Ich bin gerade vom Einkaufen auf dem Weg nach Hause, als mein Handy klingelt. Ich werfe kurz einen Blick drauf. Das Krankenhaus. Ich hebe über die Freisprechanlage ab. "Hallo?" "Dr Cooper. Ihr Mann hatte einen Autounfall. Er ist aber momentan soweit stabil." Ich brauche einen Moment um die Worte zu begreifen. Dann reiße ich das Lenkrad rum und fahre Richtung Krankenhaus. Jetzt beginnt auch noch Brandon zu weinen. "Dr Cooper?" Ach Gott, die Frau am Telefon habe ich ja ganz vergessen. "Ich bin unterwegs."

Ich nehme Brandon auf den Arm und haste in die Notaufnahme. Eine Schwester fängt mich ab "Dr Cooper, hey. Ich bringe Sie zu ihm. Beruhigen Sie sich erstmal. Sie sind ja ganz aufgebracht." Ihre Stimme hat etwas beruhigendes. Ich atme tief durch. "Danke. Wie geht es ihm?" "Naja...er ist stabil. Aber er ist nicht bei Bewusstsein." "Wie ist das passiert?" "Ein betrunkener Autofahrer hat die rote Ampel überfahren und ist mit dem Auto Ihres Mannes kollidiert. Der Unfallverursacher hat kaum was abbekommen." Ich weiß nicht, was in dem Moment mit mir passiert, aber ich verspüre so eine unglaubliche Wut auf diesen Typen, dass ich ihn am liebsten sofort verprügeln würde. "Wo ist er?" Die Schwester sieht mich geschockt an. Jeder kennt mich hier als gute Seele. Dass ich gerade in diesem Gang stehe und meine Stimme erhebe ist natürlich ungewöhnlich. "Dr Cooper. Sie sollten erstmal zu ihrem Mann gehen. Er braucht Sie jetzt. So ein Unfall ist ein sehr schlimmes Erlebnis. Und Sie haben ihr Baby. Machen Sie nichts Dummes." Sie hat recht. Mein Gott, was stimmt denn nicht mit mir?!

Ich betrachte Finn. Die Kratzer auf seinem Gesicht. Die blauen Flecken auf seinen Armen. Das eingegipste Bein. Die Stütze um seinen Nacken. Die ganzen Geräte. In mir zieht sich etwas schmerzlich zusammen. Ich beginne zu schluchzen. Jemand tritt hinter mich und legt mir eine Hand auf die Schulter. Ich drehe mich um und blicke in Franks blaue Augen. Er nimmt mir Brandon ab. "Setz dich zu Finn. Alles wird gut."

Ich nehme Finns Hand in meine und sitze einfach da. Das erinnert mich an damals, als ich neben Jane saß und immer Angst hatte, dass ihr Herz einfach jetzt aufhört zu schlagen. Aber Finn ist nicht Jane. Finn wird nicht sterben. Das kann Gott nicht machen. Finn und ich...das soll sein. Er versteht mich. Ich will, dass er der letze ist, den ich küsse und ich will auch sein Letzer sein.

Und dann ertönt doch das furchtbare Piepen. Irgendwer reanimiert ihn und ruft "Bringt ihn in den OP". Ich habe das Gefühl, ich habe die Kontrolle über meinen eigenen Körper verloren. Ich springe auf. Ich finde raus, wo der Unfallverursacher liegt und stürme in sein Zimmer. "Sie verdammtes Arschloch! Wissen Sie eigentlich, was Sie angerichtet haben?! Mein Ehemann könnte sterben!" Der Typ steht auf und will mir eine Hand auf die Schulter legen. Ich schlage sie weg. Er hebt besänftigen die Hände "Ich verstehe absolut, dass Sie sauer sind. Es tut mir auch ehrlich leid." Ich würde mal sagen, der ist immernoch besoffen. Ich balle meine Hände zu Fäusten. "Warum fahren sie betrunken Auto? Was ist mit all den Leben die sie dadurch gefährden? Auch ihr eigenes! Geht Ihnen das echt so am Arsch vorbei?!" "Ich mach gerade 'ne schwere Zeit durch. Also jetzt mal ganz ruhig, okay? Sie haben kein Recht über mich zu urteilen! Sie haben doch keine Ahnung!" "Das rechtfertigt rein gar nichts! Sie sind trotzdem ein verdammtes Arschloch!" Kann ich dafür eigentlich Probleme bekommen? Ich bin hier auch noch Arzt. Was zur Hölle passiert hier? Ich bin doch sonst so gechillt. Das kann doch alles nicht wahr sein. Es war einmal alles gut. Hasst Gott mich so sehr? Darüber kann ich mir allerdings nicht lange Gedanke machen, denn jetzt kriege ich die Faust von dem Typen ins Gesicht. Meine Nase knackt und ich beobachte das Blut, dass auf den Boden tropft. Im nächsten Moment finde ich mich im festen Griff eines Securitymitarbeiters wieder. Dann in der Notaufnahme. Beim Röntgen. In einem Behandlungszimmer. In Finns Büro, vor Peter, der mich mitleidig ansieht.

"Nathan, was ist denn los mit dir? Du bist wohl der friedlichste Mensch, den ich kenne. Bist du auf Drogen oder so? Warum musst du denn gleich zu diesem Typen gehen und ihn so dumm anmachen? Ich meine...er hat's ja verdient, aber du bist Arzt hier!" Ich fühle mich wie ein Teenager, der vor dem Direktor sitzt und gleich mit Nachsitzen bestraft wird. Als ich nicht antworte redet Peter einfach weiter. "Robin ist übrigens bei Lexie. Also keine Sorge wegen ihr. Nathan? Ich kann das nicht einfach durchgehen lassen. Du bist zwar nicht handgreiflich geworden, aber du darfst so nicht mit unseren Patienten reden. Auch wenn du ja recht hast und der Typ ein Arschloch ist. Ich muss dich vorerst suspendieren." Mir kommen die Tränen. "Ich weiß nicht, was passiert ist. Ich bin doch schockiert von mir selbst. Aber...Finn könnte wegen diesem Scheiß Kerl sterben." Peter steht auf und legt mir eine Hand auf die Schulter. "Er wird nicht sterben. Alles wird gut. Hey, du solltest deine Nase richten lassen. Ich hab dein Röntgenbild gesehen...sag mal, tut das nicht scheiße weh?" "Schon ein bisschen." "Ach Nathan. Ist Finn im OP?" "Ja, ich denke schon. Peter, ich hab solche Angst." Peter nickt langsam. "Ich weiß, Nathan. Die habe ich auch. Aber Finn schafft das. Er hat schon so viel überlebt...das wird er wohl auch jetzt hinbekommen." "Und wenn er einfach loslässt? Was wenn er jetzt doch lieber zu Nate will?" "Red keinen Blödsinn. Das kann er wenn er alt ist. Er liebt dich. Und die Kinder. Ihr zwei verdient es, glücklich zu sein." "Ich glaube, ich schaff das nicht nochmal. Wenn er stirbt..." Meine Stimme bricht. Ich habe das Gefühl, ich kann nicht richtig atmen. In dem Moment klopft es an der Tür und Frank kommt mit Brandon auf dem Arm rein. "Ach, hier bist du. Finn wird gerade noch operiert. Was machst du eigentlich für Sachen?" Peter wirft Frank einen strengen Blick zu. "Ich glaube, er braucht keine Moralpredigt. Ich denke er ist ohnehin genug gestraft mit seiner Nase und der Suspendierung." Frank seufzt. "Ja...es war nur...unerwartet. Nathan ist doch so ein friedlicher Mensch." "Ich weiß doch auch nicht was passiert ist." Peter geht in Richtung Tür. "Ist doch jetzt auch egal, es ist passiert und man kann es jetzt nicht mehr ändern."

Finn ist jetzt wieder seit einer Weile aus dem OP zurück. Frank und Peter sind gerade Kaffee holen gegangen und ich sitze wieder neben Finns Bett und halte seine Hand. Ich spüre einen sanften Druck. Ich starre in Finns Gesicht. Langsam schlägt er die Augen auf. Ich spüre, wie mir schon wieder die Tränen kommen. Ich lächle Finn an. "Hey Schatz." Finn sieht mich einen Moment verwirrt an.  Dann scheint er sich daran zu erinnern, was passiert ist. Er sieht mich besorgt an. "Deine Nase. Was ist passiert?" "Ach Schatz, ich bin vielleicht ein bisschen wütend auf den Unfallverursacher gewesen und hab ihn angeschrien. Das ist irgendwie so eskaliert, dass er mir eine reingehauen hat." "Warum warst du denn so wütend?" "Weil der Idiot betrunken gefahren ist und du...du könntest jetzt...ich hatte solche Angst." Finn bringt ein schwaches Lächeln zu stande. "Ich lass dich doch nicht alleine. Ich will schließlich der sein, mit dem du alt wirst."

***

Ich könnte glücklicher wirklich nicht sein. Finns Unfall ist mittlerweile fast ein Jahr her und momentan läuft alles super. Ich sitze gerade mit ihm in einem Restaurant um unseren Hochzeitstag zu feiern. Finn lächelt mich glücklich an. "Schatz, ich liebe dich." Ich greife nach seiner Hand. "Ich liebe dich auch." Es ist schön, mal wieder Zeit alleine mit Finn zu verbringen. Robin und Brandon sind bei Frank und werden da auch übernachten. Das ist tatsächlich die erste Nacht, die wir zusammen ohne Brandon verbringen. Was bedeutet, dass wir später komplett ungestört sind. Finn sieht mich an. "Woran denkst du?" "Ich male mir nur gerade aus, was ich später alles mit dir anstelle." Finn beißt sich auf die Lippe. "Ich bin gespannt...wow, wir sind das erstemal ganz alleine. Ohne Kinder im Haus. Wir haben das ganze Haus für uns. Wir können unanständige Sachen machen...überall."

Finn liegt neben mir und lächelt mich an. Ich greife nach seiner Hand. "Finn, du machst mich so unglaublich glücklich. Ich bin so froh, dass ich jeden Tag neben dir aufwache und dein wunderschönes Lächeln sehen kann. Nach Janes Tod...ich dachte, ich könnte und dürfte nie wieder so etwas empfinden. Ich fand es ungerecht, dass ich noch lebe und meine Frau sterben musste. Aber du hast mir gezeigt, dass das Schwachsinn ist. Durch dich ist mir klar geworden, dass jeder Mensch ein Recht auf Liebe hat, auch nach solch schlimmen Erfahrungen...vielleicht auch gerade dann. Man spricht immer von der einen großen Liebe, aber wenn das Schicksal andere Pläne hat...manchmal findet man dann eben nochmal diese andere große Liebe und daran ist überhaupt nichts falsch. Jeder hat das Recht glücklich zu sein und jeder verdient die Chance dazu. Manchmal braucht man Zeit und der Weg bis hin zu diesem unglaublichen Glück das du mir bereitest ist verdammt lang. Wir mussten so viel durchmachen, aber weißt du was? Solange du der letze sein wirst, den ich küsse und so liebe und der mit dem ich alt werde, dann nehme ich das alles hin. Ich würde alles für dich tun. Finn, ich liebe dich. So sehr." "Oh Nathan, du sprichst mir aus der Seele. Ich liebe dich auch."

Finn hat mir mal erzählt, dass Nate immer gesagt hat, im Leben ist nicht alles so, wie man es sich vorgestellt hat. Hätte man mir mit zwanzig gesagt, dass ich irgendwann mal mit einem Mann und zwei Kindern zusammen lebe und Neurochirurg bin, hätte ich denjenigen vermutlich für verrückt erklärt. Ich hielt es immer für selbstverständlich, dass ich mit Jane alt werde. Aber Nate hatte recht...es ist nicht alles immer so wie man es sich vorstellt. Dennoch könnte ich glücklicher nicht sein und ich bin mir sicher, dass alles im Leben aus einem ganz bestimmten Grund passiert. Wir können nicht wirklich beeinflussen, was das Schicksal so für uns bereit hält, aber wir können immer das Beste daraus machen.

So Leute...das war das letze richtige Kapitel. Ich weiß, es ist noch ziemlich viel, sehr plötzlich und schnell passiert und es ist seltsam und so, aber wir wissen alle, dass es sonst nicht diese Geschichte hier wäre. Es wird definitiv noch ein Epilog folgen. Dennoch wollte ich hier schonmal Vielen Dank an alle Leser sagen❤ Danke für die Votes und die Kommentare💓
Ich hab euch lieb meine Süßen🤗😘💕

Song🎶: Endgame - Taylor Swift

Endgame (boy×boy)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt