Strapsenanzug

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~Joshi's Sicht~

Aus meiner ursprünglich geplanten Flucht aus einer beknackten Realität ist ein Trip geworden, den man sonst nur auf LSD in seiner eigenen Badewanne vor sich hin fantasieren würde.
Unerklärliche Stürme und Geister, die diese hervorrufen, und eine Kamera, die solche Ereignisse sowohl einfangen als auch zu beenden vermag. Mir brummt davon nur der Schädel, und mein logisches, auf Wissenschaft basierendes Denken schreit derweil vor Verzweiflung.
Warum will Jean weitermachen, statt sich von diesem Ding zu trennen? Was treibt sie an, dass sie sich freiwillig in solche Gefahren begibt?
Hat sie sonst keinen Ort, zu dem sie zurückkehren kann?, oder will, so wie ich? Hach, ich hasse es, so ahnungslos zu sein.

In dieser Kleinstadt hatten wir nichts großartiges mehr zu tun, weswegen wir so bald es uns möglich war den nächsten Bus genommen und weiter gefahren sind. Allerdings nicht ohne -und Jean hatte darauf bestanden-, dass wir dem alten Café/Bar-Besitzer das Foto der jungen Dame zukommen ließen. Abermals, wie sie betont hatte, war das für ihren Seelenfriedem gewesen, um das Bild einfach los zu sein. Ich vermute jedoch stark, dass sie ihm das Foto einfach wegen ihres guten Herzens hat zukommen lassen. Und womöglich auch aus Mitleid, aber das werde ich wohl nie erfahren.

Im Bus, den wir bei Morgendämmerung erst betreten konnten, war es stickig und heiß; und es roch aus unerklärlichen Gründen von irgendwoher nach Fritten, die jemand gewiss zuvor mit ganz viel billigem Ketchup ertränkt hatte. Widerlich.
Wie auch immer, wir nahmen dort Platz, wo es für uns beide am erträglichsten war und schwiegen uns dann einfach nur noch an.
Unser nächstes Ziel war die ferner liegende Großstadt, da dort sicher eine Zeitungsredaktion aufzutreiben war, an die wir uns bezüglich der Anzeige wenden konnten. Und wenn ich es mir recht überlegte, dann könnten wir dort eventuell mal ein bisschen Geld verdienen, da wir beide vermutlich ziemlich knapp bei Kasse waren. Ein weiteres Problem, das wir nicht ignorieren sollten.

»Du, Joshi.«, Jean hatte den Kopf gesenkt, im Blick dabei wohl die Kamera in ihren Händen »Wir sollten ein weiteres Foto schießen. Sonst kommen wir nicht weiter.«
Warum sie mir das zuerst sagen musste, statt es einfach selbst zu machen, hatte wohl seinen Grund. Unsere Unterhaltung von vor kurzem spukte ihr wohl immer noch im Kopf herum; darüber, dass diese Kamera gefährlich sei. Immerhin hat sie mit ihrer quasi-Frage darauf Rücksicht genommen, also sind meine Worte wohl doch nicht völlig an ihr vorbei gegangen. Gut zu wissen.
»Tu, was du nicht lassen kannst.«, und kaum hatte ich das ausgesprochen, wurde ich auch schon von viel zu grellem Blitzlicht geblendet, zusammen mit einem lauten 'Klick', was für mein übermüdetes Ich eine Reizüberflutung verglichen mit dem geschäftigsten Paris war. Verdammt, hatte das sowohl in Augen als auch Ohren wehgetan!
Sobald ich wieder sehen konnte, schickte ich ihr den zornigsten Blick entgegen, den ich zu machen vermochte. Das gelang mir nur nicht besonders gut, denn man hätte mich dabei genauso gut mit einem Maulwurf vergleichen können. Nur sie tat das nicht, sondern schmunzelte einfach nur beinahe triumphierend, teilweise auch mit leicht mit schwingendem Hohn.

Theatralisch schüttelte sie das entstandene Bild in ihrer linken Hand, bis etwas darauf sichtbar wurde. Wir quetschten uns Schulter an Schulter, um erkennen zu können, was dieses mal darauf abgebildet war:
Eine vermummte Person in einem Strapsenanzug, welche mithilfe von mittelalterlichen Seilknotkünsten von Hochhaus zu Hochhaus schwingt.
Ok, was für ein neuer Superheldenfilm war das denn jetzt?

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Was interessiert euch mehr?
Jean's oder Joshi's Sicht?

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