Senf zur Geschichte

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Bevor dies alles begonnen hatte, waren wir in diesem mittelmäßigen und vermutlich nicht allzu gut gealterten Café gesessen und hatten uns über die Fotos an den Wänden unterhalten.
Ein älterer Herr war hier die einzige Bedingung, und dieser brachte uns etwas Gebäck zum Tee, damit wir wenigstens etwas ordentliches frühstückten.

»Verzeihen Sie, aber wir haben nichts zu essen bestellt-«, so leitete Joshi diesen Wortaustausch ein »-und wir könnten es auch nicht bezahlen, Sir.«
Der ältere Herr stellte zuerst das hölzerne Tablett auf dem Tisch ab, dann wischte er mit einer lockeren Bewegung aus dem Handgelenk einmal durch die Luft, als würde er lästiges Fliegengetier verjagen wollen.
»Ach iwo; solch jungen Leute wie euch sieht man hier sehr selten, seit das Geschäft nicht mehr läuft. Die Jungen sind ausgezogen und zurückgeblieben sind nur wir älteren Völker, die partout ihre Vergangenheit und Heimat nicht aufgeben wollen. Es ist eine nette Abwechslung und eine Freude, neue Gesichter begrüßen zu können, und darauf kriegt ihr auch ein Frühstück aufs Haus. Bezahlen müsst ihr nur, wenn ihr nicht aufesst.«
Etwas überwältigt und vor den Kopf gestoßen lächelten sowohl Ich als auch Joshi den Herrn dezent unbeholfen an, denn abschlagen konnten wir dem pfiffigen Fuchs dieses Angebot nun wirklich nicht mehr.

»Dürfte Ich mich zu euch Jungspunden setzen? Denn zugegeben, Ich habe eurer kleinen Unterhaltung gelauscht und möchte nun meinen Senf zu der Geschichte dazu geben, wenn ihr es mir erlaubt.«
Kurz tauschten wir die Blicke aus, aber in den Augen von keinem von uns lag eine Begründung oder ein Widerspruch zu dieser Bitte, weswegen wir etwas rutschten und ihm auf einem dritten Stuhl zwischen uns Platz nehmen ließen.

Kaum hatte sich der alte Mann gesetzt, bediente er sich von den Keksen und ließ mit einem abwesenden Blick und besagtem Keks im Mund den Blick zur Wand voller Fotos schweifen.
»Ich war hier früher Fischer, genauso wie mein verstorbener Freund auf den Bildern. Seht, das von 19xx, da sind wir beide mit unserem größten Fang. Was war das doch für eine Zeit; der Geruch von abgestandenem Wasser im Sommer, die surrenden Schnacken und Libellen um uns herum und der stinkende Fisch an unserer Angel. Es war kein angenehmer Duft, aber die Tage sind mit als die Schönsten in Erinnerung geblieben.«
Schweigend lauschten wir den Erzählungen des Älteren, denn keiner von uns hätte es gewagt, diesem nicht die Aufmerksamkeit zukommen zu lassen, die er seinem Alter nach verdient hätte. Außerdem erzählte er so euphorisch von diesen Tagen, dass wir ihm gerne diese unsere Zeit hier gönnten.
»Und ja, da war noch die wunderschöne Betsy. Dieses Kleid war das Einzige, was sie besessen hatte, und sie trug es so gut wie jeden Tag; ihr müsst nämlich wissen, damals hatten wir mit gut Glück bis zu drei paar Kleidung, mit der wir auskommen mussten. Etwas für den Sommer, den Winter, und für spezielle Tage wie für ein Geschäftsessen zuhause, mehr nicht. Und solange es warm blieb, legte sie ihr Kleid nie ab; und das genauso selten, wie wir anderen unsere eigene Kleidung gewechselt hatten.«, er pausierte einen Moment und widmete diese kurze Stille der Betrachtung des Fotos, über welches er gerade erzählte. Wenn er noch seine eigene Tasse Tee gehabt hätte, würde er darin bestimmt seinen Keks eintunken, um dann weiterhin abwesend darauf herum kauen zu können.
»Damals war sie unter den Knaben heiß begehrt, wisst ihr? Niemand hatte Zweifel daran, dass sie schnell einen guten Mann auftreiben könnte, um diesen zu heiraten; und jeder hoffte insgeheim, dass er der Glückliche sein würde, irgendwann. Nur leider sollte es nicht sein.«,
»Wie meinen Sie das?«, wagte Joshi zu fragen, doch zuerst war seine Antwort darauf nur ein tiefes seufzen, gepaart mit einer erneut folgenden, etwas unangenehmen Stille.
»Irgendwann verschwand sie auf unerklärliche Art und Weise. Von einem Tag auf den anderen, einfach futsch, und niemand wusste, wohin.
Einige glaubten, sie wäre entführt worden, während andere davon überzeugt waren, dass sie mit einem heimlichen Geliebten durchgebrannt sei. Gefunden wurde weder sie noch ihre Leiche, und mit den Jahren geriet sie immer mehr in Vergessenheit. Doch ehrlich gesagt würde ich gerne wissen, was wirklich mit ihr passiert ist. Alleine für die Seelenruhe, wenn ihr versteht.«, wir nickten beinahe synchron und beobachteten ihn dann dabei, wie er sich von seinem Sitz hievte und leise stöhnend seinen scheinbar schmerzenden Rücken stützte.
»Verzeiht, ihr jungen Leute, Ich habe mich wohl etwas zu sehr mitreißen lassen. Genießt euer Frühstück und lasst euch ruhig Zeit, und solltet ihr noch etwas brauchen, dann ruft mich ruhig.«

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Hey, ich bin's ^^
Sorry für das etwas verspätete Update, ich war nämlich für eine Woche in Italien und hatte sonst ziemlich viel um die Ohren, weshalb ich gar nicht dazu gekommen war, weiter zu schreiben.
Aber hey, ich bin wieder da und hoffe, dass dieses etwas längere Update die längere Wartezeit ein wenig verzeiht :)

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