Dreißig Jahre Alter Schimmelkäse / Goth-Ast

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Wer hätte gedacht, dass alles so schnell gehen würde. Es verging nicht mal eine Woche, und schon erhielten wir die Nachricht, dass der Besitzer der Kamera im Gebäude der hiesigen Zeitung aufgetaucht war und nach dem guten Stück verlangte. Joshi und ich waren beide gespannt darauf, wer der Besitzer denn nun genau war. Denn, all diesen verrückten Geschehnissen nach zu urteilen die wir aufgrund dieser Kamera durchlebt hatten, musste es eine äußerst ungewöhnliche Persönlichkeit sein. Und - und das war hier das Wichtigste -, er würde uns auch erklären können, was es mit all diesen Ereignissen und der Kamera selbst auf sich hatte.
Mit eiligen Schritten und der Neugier zweier Katzen begaben wir uns zum Gebäude der 'Daily Times', und erblickten dabei schon an dessen Eingang Grant, wie dieser sich mit einer ihm etwas zu groß gewachsenen Person unterhielt. So groß, dass Grant schon den Kopf in den Nacken legen musste, um der anderen Person ins Gesicht sehen zu können. Man konnte schon von weitem erkennen, wie sehr Grant dieser Umstand auf den Sack ging, und das allein an seiner alles-abweisenden und überaus genervten Ausstrahlung, die selbst dreißig Jahre alten Schimmelkäse alt aussehen ließ. Die andere Person hingegen war, neben ihrer hochgewachsenen Statur, verhältnismäßig dürr. Man hätte einen Ast daneben stellen können und keinen Unterschied dabei gesehen, so dürr war er. Er wirkte auch unnatürlich weiß, was durch seine dunkle, lange Lederkleidung nur noch stärker betont wurde. Wenn ich das hier mal so anmerken durfte, das sah wirklich ungesund aus. Und unnatürlich. Ein leichter Schauer fuhr mir über den Rücken und ich bekam das beinahe unerklärliche Gefühl, auf der Stelle halt zu machen, mich umzudrehen und dann schnellstmöglich das Weite zu suchen. Aber ich blieb. Und Joshi tat es mir gleich, auch wenn ein kurzer Seitenblick meinerseits verriet, dass auch er der ganzen Sache äußerst skeptisch entgegen sah.
Bevor wir es uns aber noch anders überlegen konnten, wurden wir von Grant entdeckt, welcher uns energisch zu sich winkte. Und wir gehorchten dem wie zwei kleine Dackel die zwar ahnten, dass sie etwas falsch gemacht hatten, nun aber doch vor ihrem Herrchen grade stehen mussten. Und das alles geschah mit der leisen Hoffnung, doch nur eines der Leckerli zu bekommen, mit denen man sie regelmäßig bestach. Ich fühlte mich aber eher so, als wäre ich ein Schwein bei einem Schlachter. Und Grant war der Bauer, der uns auslieferte.
»Da seid ihr ja. Dieser überaus freundliche Mann behauptet, er wäre der Besitzer des Fundstücks.«, leitete Grant ein, eher er sich hinter uns stellte und dann etwas weiter nach vorne schob, sodass wir vor dem komischen Mann stehen blieben.
»Regelt das aber alleine, unter euch. Mein Job ist hiermit getan. Viel Erfolg noch und mögen wir uns niemals wiedersehen.«, und mit diesen schnell geflüsterten Worten eilte er zurück ins Zeitungsgebäude. Da hatte er uns ernsthaft in die Höhle des Löwen geworfen und ist selbst mit eingekniffenem Schwanz davon gerannt! Sobald ich die Möglichkeit erhalten würde, würde ich eine Beschwerde gegen ihn einreichen; jedoch hatte der Mann, welcher uns gerade eindringlich musterte, uns so fest im Blick, dass ich den vorherigen Gedanken so schnell wieder vergessen hatte wie er gekommen war. Und dabei konnte man nicht mal seine Augen sehen, denn in seinem Gesicht thronte eine große, schwarze Sonnenbrille, die fast alles in seinem Gesicht verdecken konnte. Sein Gesicht war sehr kantig, und sein Kinn lief spitz zu. Bart hatte er keinen, jedoch einige Schönheitsflecken hier und da, was einfach nur widerlich aussah. Auf seinem Kopf trug er einen passenden großen, schwarzen Zylinder, welcher tiefe Schatten in seinem kantigen Gesicht warf und ihm etwas gefährliches gab. Spätestens an diesem Punkt wollte ich schon wieder weglaufen, aber Joshi hinderte mich mit einem kurzen aber nachdrücklichen Blick daran, dass wir das nicht so einfach tun konnten.
»Sie sind also der Besitzer dieser Kamera?«, leitete ich das Gespräch ein. Und ich hoffte so sehr, dass er nicht gerade zur schweigsamen Sorte gehörte, denn ansonsten würde diese Situation hier bald alles andere als überaus angenehm werden.
Der Mann nickte, dann setzte er ein leichtes, falsches Lächeln auf »Das bin ich. Haben Sie sie gerade dabei? Ich bräuchte sie nämlich dringend wieder, wissen Sie.«
Während er sprach, gestikulierte er noch etwas mit seinen langen, dünnen Armen. Und langsam reichte es mir, denn mir wurde mittlerweile richtig schlecht.
»Können Sie beweisen, dass die Kamera Ihnen gehört? Was können Sie uns denn über dieses Gerät erzählen?«, mischte sich nun auch Joshi ein, welcher den Mann bisher nur abwertend gemustert hatte.
»Ist das für so ein billiges Ding wirklich nötig? Es würde schneller gehen, wenn Sie mir den Gegenstand einfach übergeben würden.«, sein falsches Lächeln wurde bei der Aussage noch breiter und umso unheimlicher. Mich beschlich nun auch ein weiteres Gefühl, und zwar dass diese Person die Kamera besser nicht bekommen sollte.
»Was Sie nicht beweisen können, können wir Ihnen auch nicht glauben.«, Joshi hatte sich nun vor mich gestellt und starrte den Goth-Ast vor ihm schon fast feindselig an. Dem Mann entgleisten die Gesichtszüge und verformten sich grotesk und unnatürlich. Es spiegelten sich in seinem Gesicht schlangenartige Züge wieder, die mit jeder Sekunde deutlicher wurden. »Dann wissssst ihr also Bescheid.«, zischte er in einem unmenschlichen Ton, und bevor ich überhaupt reagieren konnte nahm mich Joshi an der Hand und rannte drauf los, Hauptsache weg von diesem Monster. Ich konnte mich dabei kaum umsehen, denn ich musste fast alle meine Kraft und Konzentration darauf verwenden, um mit Joshi Schritt halten zu können. Mir kam es dabei jedoch so vor, als würde die Stadt um uns herum in der Zeit stehen bleiben, denn es wurde alles langsam kalt und grau. Das Gerede der Menschen verstummte und fallengelassene Hotdogs blieben in der Luft stehen. Nur unsere Schritte und das permanente Zischen und Schreien des Mannes hinter uns klang durch die Straßen und Gassen der Stadt, als wären wir wahrlich die Einzigen in dieser absurd surrealen Welt.

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