Sprung ins kalte Wasser

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Er hörte kurz auf seine Hände zu reiben und sein Kopf drehte sich zu mir, wohl um zu überprüfen, wer sich da grade zu ihm gesetzt hatte.
Ich war aber wohl nicht sonderlich interessant und so wandte er den Blick schnell wieder ab.

Eine Weile war es still zwischen uns; nur das ständige Reiben und sein rauchiger Atem waren zu hören, abgesehen vom stetig präsenten Stadtlärm in der ferne.
Wir hatten uns nichts groß zu erzählen, immerhin waren wir uns gegenseitig Fremde und mit solchen wollte man in der Regel nie wirklich was zu tun haben, wenn einen die Umstände nicht zu anderem drängten.
Hier musste ich nur gestehen, dass es wirklich wirklich langweilig war und ich nach dieser beunruhigenden Erfahrung heute richtig darauf brannte, mit anderen Leuten ins Gespräch zu kommen. Also wagte ich den Sprung ins kalte Wasser und sprach ihn zuerst an:
»Wohin zieht es Sie um diese Zeit?«, und er hörte zwar auf, sich die Hände zu reiben, sah aber nicht zu mir um zu antworten.
»Fernweh womöglich. Vielleicht besuche ich Familie, oder ich bin ein Verbrecher auf der Flucht. Was klingt für sie interessanter?«,
»Sie haben einen ungewöhnlichen Sinn für Humor.«,
»Das finden Sie lustig? Ich wäre eher beunruhigt.«,
»Weswegen? Dass Sie ein Killer sein könnten?«,
»Eben. Aber ich könnte die Frage auch an Sie zurückgeben. Was macht eine junge Frau so spät nachts, ärmlich bekleidet und mit einer Kamera in den Händen, wenn sie eigentlich schon schlafen sollte?«,
»Nun, womöglich Fernweh. Vielleicht besuche ich ja Familie oder bin eine gesuchte Frau. Was wäre für Sie denn am interessantesten?«

Er gab ein amüsiertes Schnaufen von sich und lockerte mit einer Hand den Schal um sein Gesicht, wodurch auch die kleinen Bartstoppel auf seinem Kinn bemerkbar wurden. Er schien sich wohl vor ein paar Tagen rasiert zu haben, oder bei ihm funktionierte Bartwuchs etwas anders.

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