Buntes Treiben herrschte auf dem Markt und vielerlei Volk war zugegen, zu schauen und zu kaufen. Dicht gedrängt reihten sich die Stände verschiedenster Händler und Kaufleute beiderseits der schmalen Straße, die den kleinen Ort wie eine sauber gezogene Schneise in zwei Hälften teilte. Auf einem Bretterpodest hatten sich Spielleute aufgestellt und unterhielten die Menge mit Balladen und derben Scherzen. Das emsige Hämmern eines fahrenden Schmiedes und Kesselflickers war zu hören und die Marktweiber wetteiferten miteinander, wer denn wohl am lautesten schreien konnte. Und so buhlten sie lautstark um die Gunst ihrer Kunden. Eine alte Bäuerin bot Gemüse feil, welches sie wohl selbst angebaut hatte. Doch ihre sanfte Stimme ging im Geschrei der Weiber unter. Verschämt und etwas resigniert senkte sie den Blick und hoffte darauf, dass Einer der Vorübergehenden wohl vielleicht ein Auge auf ihre Waren werfen würde. Sie hatte sich viel Mühe gegeben und alles sauber gewaschen und geputzt. Es erfreute das Auge, die frischen, saftigen Farben zusehen. Leinenweber hatten ihre Stoffe ausgebreitet und eine ältere Frau verspann Schafwolle auf einem klapperigen Spinnrad. Neben ihr hockte ein kleines Mädchen, das der Frau wissbegierig zuschaute und ab und an eine Frage an sie richtete.
Gegenüber hatte ein Kerzenmacher seinen Stand errichtet und war emsig dabei, lange Fäden in einen Kessel mit flüssigem Wachs zu tauchen, unter dem ein kleines, rauchendes Feuer brannte.
Der Jäger ward nicht müde, all die emsigen Handwerker bei ihrer Arbeit zu beobachten. Gelegentlich erhielt er einen freundlichen Gruß, den er höflich erwiderte, doch meist blickte man nur kurz auf, um sich alsdann wieder seinem Tun zu widmen.
Mit einer gekonnten Bewegung warf er sich das Bündel Felle, welches er trug, auf die andere Schulter und seine Augen suchten einen Ort, an dem er seine Jagdbeute feil bieten konnte.
Der Töpfer, ein baumlanger, stets lustiger Kerl mit einem gutmütigen Gesicht und schulterlangem, schwarzen Haar, der emsig seine Töpferscheibe mit den Füßen drehte, hatte, wie immer, seinen Laden gleich am Ende der Gasse und winkte dem Jäger freundlich zu. Er arbeitete mit freiem Oberkörper und der Schweiß perlte seinen sonnengebräunten Rücken hinab. Über eine kurze Leinenhose hatte er eine lederne Schürze gebunden, an der er sich gelegentlich die Finger abwischte.
"Grüß Euch, Meister! War die Jagd wieder erfolgreich?"
"Ich kann nicht klagen", Eneas hob die Hand zur Erwiderung und sah hinüber.
"Die Götter haben den Tieren reichlich Nachkommen beschert, so dass es weder an Fleisch noch an Fellen mangelt".
"Ja, nicht nur die Tiere haben Nachwuchs, Meister". Der Töpfer grinste verschmitzt und deutete neben seinen Stand. Eneas staunte und trat herzu. "Sagt bloß...".Jetzt erst wurde er der jungen Frau gewahr, die neben dem Stand am Boden saß, den Rücken gegen das Gestell gelehnt. In ihren Armen hielt sie ein unförmiges Bündel, gehüllt in Leinentücher und wiegte es sanft auf und ab. Scheu sah sie zu ihm auf und versuchte ein Lächeln. Sie war in ein einfaches, helles Kittelchen gekleidet, das sie nur notdürftig über der Brust gerafft hatte. Es trug den Anschein, als hätte sie vor Kurzem erst ihr Kind gestillt. Eneas ging in die Hocke. Der Packen Felle glitt von seiner Schulter.
„Meister, ich sehe, wir sind uns schon lange nicht mehr über den Weg gelaufen", sprach der Jäger leicht bestürzt. Flüchtig registrierte er, dass die Frau auf dem nackten Boden saß. Schnell griff er in sein Bündel, suchte kurz und zog das Fell von einem wilden Lamm hervor.
"Hier, nehmt dies, um Euch darauf zu hocken. Ihr holt Euch sonst noch etwas weg auf dem kalten Boden", sprach er leise und sanft. Er reichte das kleine Fell hinüber und ein dankbares Leuchten erschien auf ihrem Antlitz. Stumm, jedoch freundlich reichte sie ihm das Bündel zu, es zu betrachten, doch Eneas wehrte erschrocken ab. Nie zuvor hatte er in seinem langen Leben ein solch kleines Kind in seinen Armen gehabt.
DU LIEST GERADE
Tara's Träne
FantasyDie Träne der Göttin Tara ist ein magisches Artefakt und unschätzbar wertvoll für jene, welche die Macht des Steines kennen und zu nutzen wissen. Der Jäger Eneas vom Schattenbach wird durch einen tragischen Unglücksfall zum Hüter dieses Kleinodes. Z...