Die Hüter

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Sie hatten bald eine Anhöhe erreicht, von der aus sie einen wunderbaren Ausblick auf ein malerisches Städtchen hatten, welches sich vor ihren Füßen ausbreitete. Voller Vorfreude betrat Eneas als Erster die Stadt durch das große Tor. Die Wachen musterten sie zwar argwöhnisch, jedoch man ließ sie wortlos passieren. Batih hatte ihreSchwingen kunstvoll zusammengelegt, so dass es aussah, als trüge sie einen scharlachroten Mantel. Ihr Gesicht war ausdruckslos und sie bemühte sich sichtlich, ihre Aura zu unterdrücken. Keiner der beiden ahnte im Geringsten, welch schreckliches Ereignis sie in den nächsten Minuten ereilen sollte.

Ein paar Lausbuben machten sich gewöhnlich einen Scherz daraus, auf die Dächer der Häuser zu klettern, um vorübergehende Passanten mit Wasser zu bespritzen. Diebisch freuten sie sich über die teils zornigen, teils empörten Schimpftiraden der Getroffenen.  Einer der Jungen hatte gerade die beiden Wanderer entdeckt und schöpfte mit beiden Händen das nasse Element, um es auf sie zu schütten.  Und der Schwall traf! Während Eneas zornig nach oben blickte schrie Batih plötzlich auf, von Schmerzen gepeinigt. Unzählige Stimmen vereinten sich in diesem einen Laut. Der Junge auf dem Dach erschrak und stieß den Eimer um, dessen gesamter Inhalt sich nun über den Feuerengel ergoss.

Batih stürzte zu Boden und wand sich unter unsäglichen Qualen, während sie ihre Pein hinausschrie. Ihre bronzene Haut brach auf und zischende schwarze Flecken begannen sich auf ihrem Körper auszubreiten. Batih's gepeinigte Schreie gellten in den Ohren der Passanten. Viele waren stehengeblieben und starrten erschrocken auf das Wesen, was sich vor ihren Füßen im Todeskampf wand.

Ohnmächtig musste Eneas mit ansehen, wie das Geschöpf, welches er gerade begonnen hatte in sein Herz zu schließen, zu seinen Füßen verging. Batih krümmte sich in Todesqualen und der Jäger konnte sehen, wie Cylia verzweifelt versuchte, zu retten, was doch schon verloren war. Immer mehr Teile lösten sich von ihrem Körper und tropften als zähe schwarze Masse zwischen die Ritzen der Pflastersteine. "Eneas", schrie sie unter Qualen und bäumte sich verzweifelt auf. "Eneas, bitte, rette Cylia". Sie streckte die Hand nach ihm aus und in ihrem Antlitz lag ein letztes Flehen. Der Jäger griff zu, ohne nachzudenken. Sofort durchfuhr ihn ein brennend heißer Schmerz, der ihn aufstöhnen ließ. Doch schon war der Symbiont bei ihm und linderte die größte Pein. Ohnmächtig sah er zu, wie Batih starb und blankes Entsetzen malte sich in seinen Zügen. Der Körper dieses anmutigen Wesens zerfiel zu einer schwarzen, zähen Masse, die langsam zwischen den Steinen versickerte. Ihre Schreie wurden zunehmend schwächer und verstummten schließlich.

Unbändiger Zorn und Trauer erfasste den Jäger und er riss sein Schwert hervor. Seine Blicke suchten den Jungen auf dem Dach, doch der hatte sich längst aus demStaub gemacht. Plötzlich war es still auf der Straße. Nur ein paar Kinder schluchzten unterdrückt, während ihre Mütter angstvoll untereinander tuschelten. Eine leise Stimme aus der Menschenmenge fragte irgendwo: „Was war das"? Doch es erfolgte keine Antwort.

Eneas raste vor Wut! Aus den Augenwinkeln gewahrte er eine Bewegung, wo gerade eben noch Batih mit dem Tode gerungen hatte. Eine dunkel gekleidete Frau kauerte dort und versuchte in Windeseile, die Reste der schwarzen Masse in ein Gefäß zu schöpfen.  Mit einem wütenden Aufschrei stürzte sich der Jäger auf das Weib, das Schwert zum Schlag bereit erhoben. Er hätte sie sicher sofort mit einem Streich getötet, doch ein Blick aus ihren Augen ließ ihn zögern. Irgendwo hatte er diese Augen schon einmal gesehen. Während ihre Hände weiterhin emsig bemüht waren, soviel wie möglich von Batih's vergangenem Leib zu bergen, sah sie ihn unverwandt an. "Hast Du..."?

Erstaunen malte sich in den Zügen der Frau, als sie den roten Fleck auf seiner Hand bemerkte, der hektisch zuckte. Ein jähes Erkennen erhellte ihr Antlitz.  Beherzt fasste sie den zaudernden Jäger am Arm und riss ihn förmlich mit sich fort. "Komm, Eneas, wir müssen uns sputen, bevor es zu spät ist. Gleich wird die Stadtwache kommen und ich habe keine Lust, deren Fragen zu beantworten". Völlig verwirrt ließ es der Jäger geschehen, dass die Fremde ihn mit sich zog. Erst einige Gassen weiter blieb sie stehen. "So,  ich glaube, wir sind vorerst in Sicherheit".

Tara's TräneWo Geschichten leben. Entdecke jetzt