Wieder Allein

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Eine Weile sah Eneas Ishilea schweigend an. Seine Gedanken waren weit fort. Doch dann schüttelte er nur den Kopf, verdrängte die Bilder und sprach mit schleppender Stimme: „Ich muss Dich um Vergebung bitten!  Mein Handeln war unmöglich!  Das weiß ich.  Bitte verzeih mir! Doch ich bitte Dich um mehr als nur dies"!  Er holte tief Luft, bevor er weiter sprach: „Ich bitte Dich, um unserer Freundschaft Willen und der Liebe, die ich für Dich empfinde, sage mir bitte nie mehr, was Du in der Vergangenheit oder in der Zukunft siehst". Er zögerte einen Moment. „Sicher ist es kein böser Wille,  jedoch tut es mir unendlich weh, wenn die Erinnerung vergangene Zeiten erweckt werden. Ich möchte Dir für die Zeit,die uns noch bleibt,  ein guter Freund sein. Doch ich kann es nicht, wenn die Dunkelheit gewesener Tage meinen Geist verwirrt". Das Mädchen nickte stumm. Ihr betretener Blick sprach Bände und zögernd legte sie ihre Hand in Seine, bevor sie leise sprach:  „Ich verspreche es Dir, Eneas! Ich will von nun an Alles tun, damit Du nie wieder traurig bist. Du bist doch mein einziger Freund, den ich habe und ich möchte Dich nicht verlieren. Du bist alles, was mir geblieben ist. Du bist jetzt mein Vater, meine Familie".

Eneas war gerührt von den wenigen Worten des Mädchens, welches so ernst gesprochen hatte, dass ihm nichts weiter blieb, als sie wortlos in den Arm zu nehmen und fest an sich zu drücken. Sein Blick glitt hinüber zu Celeb Calad, der, an einen Stamm gelehnt, die Szene aufmerksam verfolgt hatte. Es lag ein stummes Verstehen in den Augen des jungen Mannes, bevor Jener sich endgültig seiner Behausung zuwandte und darin verschwand.

Ishilea und Eneas blieben noch eine Weile bei dem Halb-Elfen, bis das einsetzende Tauwetter den nahenden Frühling ankündigte. In dieser Zeit lernte das Mädchen von den beiden Männern viel über das Leben und Überleben in der Wildnis. Sie war sehr wissbegierig und es schien als wolle sie Alles auf einmal erfahren. Dabei stellte sie sich sehr geschickt an, besonders im Umgang mit Schlingenfallen. Auch das Wissen über Pflanzen und deren Wirkung hatte sie gelernt.  So kam der Tag, an dem sie früh erwachte und sich schuldbewusst an den Jäger wandte, darum bittend, nach Talamarn zurückzukehren.  Eneas erschrak, denn er fürchtete diesen Moment. Doch er hatte es sowohl dem Mädchen als auch der Göttin zugesichert. Nur, dass ihnen noch weniger Zeit als zugedacht blieb, dass enttäuschte Eneas. Schweren Herzens nahm das ungleiche Paar Abschied von Celeb Calad, der Ishilea und Eneas versprach, sie irgendwann einmal besuchen zu wollen.

Langsam nur kamen die Beiden vorwärts,  denn der Boden war vom Schmelzwasser aufgeweicht und oftmals mussten sie Umwege in Kauf nehmen, wollten sie nicht im Schlamm stecken bleiben. Je näher Eneas und Ishilea allerdings der ehrwürdigen Stadt kamen, um so gedrückter wurde ihre Stimmung, bis sie schließlich schweigend nebeneinander her liefen. Als sie der Mauern der Handelsstadt ansichtig wurden blieb das Mädchen plötzlich stehen. „Eneas, bitte versuche mich zu verstehen", beteuerte sie. „Auch mir tut es unendlich weh, Abschied von Dir nehmen zu müssen. Ich habe so viel von Dir gelernt und Du bist für mich das, was ich so sehr vermisst habe in all den Jahren. Ich bin Dir sehr dankbar für Alles. Ohne Dich hätte ich niemals erfahren, wie schön diese Welt ist. Doch ich habe auch gespürt, dass Du kein Mensch bist, der lange Zeit an einer Stelle verweilen kann. Bitte, sieh mich an"!

Der Jäger wandte sich langsam um. In seinem Gesicht waren die Gefühle deutlich zu lesen. Der seelische Schmerz und die Trauer hatten seine Haut fahl werden lassen. Sein Blick war voller Gram. Nur zögernd richtete er die Augen auf das Kind. Ishilea wurde ebenfalls blass ob des Kummers ihres Gefährten. Sie stammelte: „Das... das habe ich nicht gewollt"! Mit wenigen Schritten war sie bei dem Jäger.

„Aber ich... ich wollte... wollte doch nur..."!

„Es ist schon in Ordnung, Lea"! Schleppend und heiser klang die Stimme des Jägers, während sich seine Augen an einem imaginären Punkt weit am Horizont festzusaugen schienen. „Ich bin es gewohnt, Trennungen hinzunehmen. Die Götter haben mir dieses Schicksal zugedacht und es ist auch sicher der Grund, warum ich selbst die Einsamkeit suche. Stets verliere ich Diejenigen, die mir am Liebsten sind und meine Seele krümmt sich in Qualen. Ich brauche dann die Stille der Natur, um wieder zu mir selbst zu finden. Auch Du wirst mich nun verlassen und ich wünsche Dir alles Glück der Welt""!

Tara's TräneWo Geschichten leben. Entdecke jetzt