Kapitel 5 - Die Qual der Wahl

2.3K 140 37
                                    

»Loki! Warte!«

Wütend stürmte ich in Richtung meiner Gemächer, ohne auf Thors Rufen zu achten. Eine erzwungene Wandlung! In eine Frau! Ich schnaubte abfällig. Nicht nur entführt, als Mittel zum Zweck, sondern auch noch als Brutmaschine missbraucht, um das Thronerbe zu erhalten. Ich ballte die Fäuste so fest, dass mir die Nägel in die Handflächen schnitten.

»Loki! So warte doch!«

Thor holte auf, seine Schritte klangen schon näher. Wozu stehen bleiben?

Ich packte Loki an den Schultern und drehte ihn zu mir. »Ich verstehe, dass du mit dieser Strafe haderst, aber Vater bietet uns einen Ausweg. Er billigt unsere Liebe. Das Opfer hierfür erscheint mir gering.«

»Gering? Es erscheint DIR gering. Das mag wohl sein.«

Seine grünen Augen funkelten mich zornig an. Ich musste mich zwingen, nicht zu Lächeln. Seine Wut weckte andere Gedanken in mir, brachte mein Blut in Wallung. Wenn er sich nur so sehen könnte. So stolz, wenn er zornig war. »Was ist schon ein Jahr in einer fremden Gestalt, gegen 100 Jahre getrennt voneinander?«

Brüsk schubste ich ihn gegen die Schulter. Er wankte nur minimal. »Warst du in einem anderen Raum wie ich? Ich kann nicht glauben, dass Odins Worte dich nicht erreicht haben.« Ich tippte ihm wütend gegen die Brust. »DU hast mir schöne Augen gemacht. DU hast mir nachgestellt und ich Narr habe mich darauf eingelassen.« Wieso legte er den Kopf schief und grinste anzüglich?

Feixend spielte ich demonstrativ mit meiner geflochtenen Haarsträhne. »Ach ja? Falls mich meine Erinnerung nicht trügt, warst du meiner Manneskraft nicht abgeneigt.«

Ich holte aus und verpasste ihm mit dem Handrücken eine schallende Ohrfeige. Thor wich zurück und blickte mich überrascht an. Dann wurde sein Gesichtsausdruck flehend, und er kam wieder näher. Ich teleportierte mich in meine Gemächer.

Der Druck in meiner Brust fühlte sich an, als wollte er mich zerreißen. Ich schrie zornig und produzierte Feuerkugeln und Blitze – solange bis nichts mehr in meinem Raum existierte, außer Feuer und Rauch. Das brachte mich einigermaßen zur Besinnung. Mit einer einzigen Handbewegung brachte ich alles in den Ursprung zurück.

***

Das Wüten wurde leiser. Die Palastwache schien sich nicht darum zu kümmern. Sie kannten die Ausbrüche von Loki zur Genüge. Ich wollte die Tür öffnen und eintreten, besann mich aber. In Lokis Stimmung war es nicht auszuschließen, dass mich einige seiner Feuerbälle treffen würden. Gegen meine Gewohnheit klopfte ich zaghaft an. »Loki? Bitte lass uns reden.«

»Komm rein!«

Seine Stimme klang giftig und ich wappnete mich. Als ich Lokis Gemach betrat, nahm ich die Arme schützend vors Gesicht. Wunden heilten schnell, aber verbranntes Haar brauchte ewig, bis es nachgewachsen war.


Er saß in der Mitte des Bettes, mit dem Rücken gegen das Gestell gelehnt. Sein Blick war finster in die Ferne gerichtet, die Arme vor der Brust verschränkt. Sein Haar hing ihm wirr ins Gesicht und ich wäre am liebsten zum ihm ins Bett gestiegen. Ich unterdrückte diesen Wunsch und trat langsam zu ihm. Zögerlich nahm ich die Arme herunter. Er würdigte mich keines Blickes.
»Ich wollte dich nicht kränken. Verzeih, dass ich so blind für deine Qual war. Falls du dir Sorgen darüber machst, ich könnte dich in deiner Frauengestalt nicht begehren, sei versichert, ich liebe deine Seele, nicht deinen Körper.«

»Nicht - meinen - Körper? Na, ich hoffe doch, du liebst beides.«

»Selbstredend ist es dein Körper, der meine Lust stillt, aber es dein Herz, das meine Sehnsucht nach Liebe sättigt.« Lokis Mundwinkel zuckten amüsiert. Er musste grinsen.

»Hör auf mich zu umgarnen, als wäre ich eins deiner Weiber.«

Ich setzte mich aufs Bett und lächelte entschuldigend. »Du hast Recht. Sag mir, was dich quält. Ich verstehe dein Problem nicht.«

»Ich finde es so entwürdigend nur mit dem Gedanken zu spielen, für eine Zeitspanne eine Frau zu sein, bis ich dir ein Kind gebäre.« Ich wusste nicht, wie ich ihm meine Gefühle klarmachen konnte.

»Es ist doch nur für 9 Zyklen. 9 Zyklen sind ein Wimpernschlag für uns. Danach sind wir frei. Vater wird akzeptieren, dass wir es ernst meinen. Und danach haben wir ein gemeinsames Kind. Das ist mehr, als ich mir hätte erträumen können.«

»Kannst du dir nicht vorstellen, wie deine Freunde über mich lachen werden?«

»Sollen sie doch lachen. Sie werden es nicht verstehen. Sie kennen dich nicht so, wie ich dich kenne. Ich werde immer auf deiner Seite stehen.«

»Das kenne ich schon.«

»Ich gebe zu, in der Vergangenheit war ich oft gemein zu dir. Aber wir sind der Kinderzeit entwachsen. Außerdem habe ich hinter meinem rauen Ton meine Unsicherheit verborgen. Das weißt du alles.« So oft sprachen wir bereits darüber.

»Thor, wenn ich eine Frau bin, gibt es keine Geheimnisse mehr. Jeder, ausnahmslos jeder, in Asgard, wird von unserer Beziehung wissen.«

»Der schwerste Schritt liegt hinter mir. Ich habe mich Vater und Mutter offenbart.«

»Und dann? Es wird keine 9 Zyklen dauern. Das ist nur die Tragezeit. Zuerst muss ich aufnehmen. Und wenn das Balg da ist, was dann? Weißt du, wie meine Kinder werden? Ich erinnere dich nur, an meine Tochter im See. « Thor wurde aschfahl.

»Dabei hast du immer die Gestalt getragen, aus denen dann gleichartige Kinder entstanden. Bei einer Verbindung mit einem Asen, kann nur ein Ase entstehen.«

»Und da wäre noch etwas. Wenn ich, meine Gestalt gewandelt habe, konnte ich jedes Mal, wenn es für mich gefährlich wurde, in meinen Ursprung zurückkehren. Wenn Odin mich zwangswandelt bin ich ein Gefangener des Körpers.«

»Vater sprach nicht davon, dir die Magie zu nehmen. Als Frau wirst du genau so mächtig sein, wie jetzt.«

»Das meine ich nicht.«

Ich sprang vom Bett auf und lief hin und her. Wie sollte es ihm erklären?

»Wenn man, eine fremde Gestalt annimmt, nimmt man alles von ihr an. Bleiben wir bei der Frau. Ich werde Schwierigkeiten mit ihren Hormonen bekommen. Bei so einem langen Zeitraum werde ich ihre Zyklen bekommen. Und ich möchte nicht ausschließen, dass ich auch noch so zickig werde, wie die Weiber.«

Zickig werde? Ich hob amüsiert die Brauen. »Loki, das alles schreckt mich nicht. Was zählt ist: wir werden einander haben. Aber ich sage dir jetzt, egal was deine Entscheidung sein wird, ich unterstütze dich dabei. Ich würde auch 100 Jahre auf dich warten.«

Ich presste die Lippen zusammen. »Dann ist meine Entscheidung gefallen.«

Prinzenrolle (Thorki)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt