Kapitel 57 - Familientreffen

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Ernst betrachtete ich mein Spiegelbild. Loki würde mich kaum wiedererkennen. Mein Haar kurzgeschoren und dunkler. Meine rechte Wange gezeichnet von einer breiten wulstigen Narbe, die bis zum Hals lief und weiter zu meiner Hüfte ging, was mein Hemd allerdings verbarg. Mein Blick war hart, denn der Schmerz über den Verlust von Loki und Tiara tobte mit jedem Tag stärker in mir. Die Ungewissheit, über den Verbleib meiner Mutter und das Schicksal Asgards quälten mich.

Keinen Tag länger mehr wollte ich warten, um den Aufenthaltsort bei Heimdall zu erfahren. Doch noch stand der magische Pakt mit Irmingard dazwischen. Wie lange konnte es schon dauern, dieses kleine Dach zu reparieren. Spätestens nach einer Stunde würde ich zu Heimdall reiten können. Mit der Hand fuhr ich mir über die kurzen Haarstoppel an meiner Seite. Es war ungewohnt.

»Ich finde, es kleidet Euch, Hoheit.«

Im Spiegel sah ich Limiteti, die in der offenen Tür stand und mich warm anlächelte.

»Verzeiht, wenn ich Euch gestört haben sollte. Das Frühmahl ist aufgetragen. Gehen wir heute wieder jagen?«

»Zuerst muss ich andere Pflichten erfüllen«, blieb ich vage. Von meinem Pakt hatte ich keinem berichtet.

***

Irmingard saß vor ihrem Haus, neben ihr der Sumpfwolf, dem sie hingebungsvoll die Brust kraulte. Der Wolf knurrte, als ich näher kam. Ich stieg ab und nickte Irmingard zu. »Da bin ich, bereit dein Dach zu flicken.«

Die Nidalerin stand auf und nickte zufrieden. »Die neuen Schindeln hast du dabei?«

»Neue... Schindeln?«

»Was dachtest du denn? Alles muss runter. Das Dach ist uralt. Der Wurm haust in den Schindeln und das Moos muss erneuert werden.«

»Dies hast du mit keinem Wort erwähnt.«

»Du solltest besser zuhören, Ase. Lebst du nicht mit dem Lügenkönig zusammen? Ich dachte, er würde dich besser unterrichten.«

Wütend ballte ich die Hände zu Fäusten und starrte auf das Dach. Woher sollte ich neue Schindeln bekommen? Um sie herzustellen fehlten mir Erfahrung und Werkzeug. Hexe!

***

Nachdenklich ritt ich auf das Grundstück von Onkel Vili zurück. Ich sah Sikko und Friederk, die sich wieder einmal stritten. Ihre Worte waren bis zum Tor zu hören.

»Nein, es ist meine Aufgabe und du hast deine«, fauchte Sikko und riss Friederk einen Eimer aus der Hand.

»Ich will nicht mit den Weibern in der Küche arbeiten«, murrte Friederk. »Lass mich dir helfen.«

»Ich schaffe das ohne deine Hilfe.«

»Schau deine Arme an, du bist schwach, schaffst es kaum all das Wasser in die Tränken zu füllen.«

»Doch, ich schaffe es. Geh und putz die Böden.«

Als ich vom Pferd absprang bemerkten mich die beiden. Sikko ließ den Eimer los und kam zu mir gerannt, um Osara entgegen zu nehmen.

»Friederk, bist du handwerklich geschickt?« Der Junge nickte eifrig.

»Ja, Hoheit.«

»Wenn du Schindeln für ein Dach bräuchtest, wie würdest du es anstellen?«

»Ich würde Bretter aus Baumstämmen sägen und aus den Brettern die Schindeln.«

»Hast du so eine Säge hier auf dem Grundstück gesehen?«

Prinzenrolle (Thorki)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt