Kehrer x Draxler

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07.12.2018
"Hey." Kam Julian durch die Haustür und direkt ins Wohnzimmer, wo er seine Sachen abstellte. "Hi." Antwortete ich kurz angebunden. Er schien es nicht zu merken, denn er fragte direkt weiter "Hast du schon gegessen?" Und verschwand in die Küche. "Machst du dir Sorgen um mich oder willst du wissen ob ich dir was übrig gelassen habe?" Gab ich pampig zurück, direkt tat es mir leid, ich wollte ihn nicht so angehen, aber nun war es zu spät. Überrascht und verwirrt zugleich kam er rückwärts zurück ins Wohnzimmer gelaufen, in welchem ich mich befand.  Ich sah ihn absichtlich nicht an sondern Blickte weiter die Zettel, die ich gerade sortierte. Jetzt hatte Jule gemerkt, dass etwas nicht stimmte. "Was ist denn los?" Ich zuckte mit den Schultern. Eigentlich wollte ich mich nicht schon wieder bei ihm aus heulen, aber ich konnte ja Mal wieder nichts vor ihm verbergen ohne das er merkte, dass etwas nicht stimmte. Meinen Blick ließ ich starr auf die verschiedenen Rechnung vor mir gerichtet und sortierte diese weiter. Er schien zu merken, dass ich es ihm nicht freiwillig erzählen würde und begann zu raten. "Liegt es an den Rechnungen? Habe ich wieder vergessen irgendwas zu bezahlen?" Ich seufzte, "Ja, hast du. Es gibt Leute die gerne Geld dafür hätten, das du Wasser hast, aber darum geht es nicht. Die Wasserrechnung kannst du wann anders bezahlen. Die interessiert mich herzlich wenig." Er seufzte frustriert "Was ist dann los und sagst du mir warum du meine Rechnungen sortierst?" "Weil du es nicht machst." "Du weißt das mich die andere Frage mehr interessiert." Sagte er wieder und ging somit nicht weiter darauf ein. Ich verdrehte die Augen "Ich dachte eigentlich du hättest gemerkt, dass ich es dir nicht erzählen will." "Hab ich auch." "Aber?" Fragte ich jetzt um in Erfahrung zu bringen warum er mich denn dann nicht einfach in Ruhe ließ. "Weil du verdammt nochmal mein Freund bist und irgendwas mit dir ganz offensichtlich nicht stimmt. Sonst hättest du wohl kaum auf meine Frage mit dem Essen vorhin so reagiert und würdest auch jetzt nicht so abblocken." Stellte er fest. Ich drehte mich um und sah ihn heute das erste Mal an. Erschrocken stellte ich fest das er alles andere als gut aus sah. Er hatte verdammt tiefe Augenringe, rote Augen und zerzauste Haare, als hätte er dauernd seine Hände darin vergraben, oder wer anders.. aber mir war bewusst, dass er mich nicht betrügen würde. Dennoch gab es anscheinend auch etwas das er mir verschweigen wollte und das hatte er bisher erfolgreicher geschafft als ich. "Was ist mit dir los?" Fragte nun ich "Ich weiß nicht was du meinst." Mir war bewusst das er sehr wohl wusste was ich meinte, jedoch antwortete ich trotzdem "Du siehst verdammt fertig und scheiße aus, es stimmt also irgendwas nicht mit dir und Versuch gar nicht erst es ab zu streiten." "Pff." Gab er von sich und zuckte mit den Schultern "Du verschweigst mir was aber ich darf dir nichts verschweigen? Sorry, aber so funktioniert Beziehung nicht." Gab er von sich bevor er um drehte und aus dem Haus verschwand. Ich seufzte und beschloss erstmal hier zu blieben und ihm etwas Zeit zu geben. Leider lief unsere Beziehung seit Wochen genauso. Ich wusste das wir beide nicht mit dieser Art Beziehung umgehen konnten und wollte es liebend gerne wieder ändern, denn früher war unsere Beziehung echt schön. Wir galten unter unseren Freunden als das absolute Traumpaar und als Vorbild für andere Beziehungen, irgendwie wollte jeder unserer Freunde eine Beziehung wie unsere, aber so wie sie gerade war, wollte ich nichts lieber, als eine Beziehung in der man mit einander redete, in der man sich gegenseitig in den Arm nahm und in der man gegenüber dem anderen auch Mal Schwäche zeigen konnte. All das fiel irgendwie weg, im Moment, und ich hoffte nichts sehnlicher, als dass sich das wieder änderte. Irgendwann als es begonnen hatte zu regnen und laut Wetterbericht dem nächst nicht besser werden würde, nahm ich mir einen dicken Pulli von Julian, seine Winterjacke, einen Regenschirm und eine Thermoskanne mit heißem Tee, dazu noch eine dicke Wolldecke. Dann zog ich mich ebenfalls an und mache mich auf den Weg zu Julians absoluten Lieblingsplatz. Ich ging den schmalen Waldweg entlang, einen  Hügel hinauf und stand plötzlich mitten auf einer Lichtung, mit Blick auf Paris. Dort sah ich meinen Freund auch schon im Schutz eines großen Baumes sitzen und auf die Stadt mit dem hell erleuchtetem Eifelturm blicken. Ich setzte mich zu ihm und drückte ihm den dicken, gefütterten Pulli in die Hand. Er hatte bloß ein T-Shirt an und ich sah selbst in der Dunkelheit zwischen den Regentropfen, die trotz der Blätter zu ihm durch drangen, eine Gänsehaut seine Arme überziehen. Er blickte mich zwar nicht an, nahm sich aber den Pulli und zog ihn über. Sofort kuschelte er sich tiefer in den Pulli und zog seine Hände in die Ärmel des Pullis. Ich setzte mich zu ihm und legte die dicke Wolldecke um uns. Seine Winterjacke legte ich ohne etwas zu sagen über seine Beine und spannte den Regenschirm so auf, dass ich ihn direkt über uns hielt. Dann drehte ich einhändig die Thermoskanne auf und hielt sie stumm zu Julian hin. Er nahm sie und schlang sofort seine immer noch in den Pulli vergrabenen Hände um die Kanne, bevor er einen kleinen Schluck nahm. Ich beobachtete das ganze etwas, bevor ich ihn an meine Brust zog und über seine Haare strich. Er kuschelte sich an mich und wärmte sich die Hände an der Kanne. "Ich liebe dich Julian, auch wenn es im Moment nicht so wirklich läuft zwischen uns." Er antwortete nicht, allerdings spürte ich wie er sich noch etwas näher an mich drückte. Immer wieder trank er von dem Tee, bevor er irgendwann sagte "Ich bin froh das du da bist Thilo. Ich verhalte mich in letzter Zeit echt nicht fair dir gegenüber aber ich bin froh das du trotzdem bei mir bleibst, und mich nicht alleine lässt. Ich liebe dich auch." Ich erwiderte, wie er auch schon nichts, sondern hauchte ihm einen Kuss auf die Stirn, während ich immer noch den Schrim hielt und meinen anderen Arm um ihn geschlungen hatte. Er würde mir schon erzählen was ihn beschäftigte wenn er es wollte, genauso wie ich es ihm irgendwann erzählen würde, weshalb ich ihn in letzter Zeit immer so an gezickt hatte. Wir saßen weiterhin im Regen kuschelnd und uns gegenseitig wärmend. Schließlich hörte ich Julian leise anfangen zu erzählen. Ich wusste das dies nun das Gespräch werden würde, welches wir seit Wochen vor uns her schoben und welches wir schon so viel früher hätten führen sollen, damit unsere Beziehung erst gar nicht so viele Risse bekam, wie sie gerade hatte. "Ti?" "Ja, Jule?" "Es macht mich einfach fertig das wir uns dauernd streiten, ich halte das nicht aus. Ich will nicht nach Hause kommen und mich mit dir streiten, obwohl doch so dringend eine Umarmung von dir bräuchte. Ich möchte nach Hause kommen und von dir in den Arm genommen werden, ich möchte bei dieser Umarmung für ein paar Sekunden alles vergessen können. Einfach ein paar Sekunden in eine andere, in eine heile Welt flüchten. In eine Welt in der nicht jeder unzufrieden mit mir zu sein scheint. Eine Welt, wo ich nicht immer funktionieren muss, wo es auch mal okay ist, wenn ich aussetzte und meine Bedürfnisse über die Erwartungen anderer stellen kann. Eine Welt in der es okay ist ich zu sein. Ich kann einfach nicht mehr. Jeder erwartet von mir Perfektion und zu jeder Tageszeit zu funktionieren, dass ich möglicherweise gar nicht so perfekt bin und auch einfach mal auf dem Sofa liegen möchte, ohne genau zu wissen, dass das schon wieder jeden stört, auf die Idee kommt immer keiner. Thilo, ich bin doch auch nur ein 25 jähriger Mann, der eigentlich gar nicht gemacht ist für diesen Druck und diese Erwartungen. Eigentlich bin ich ein verdammt empfindlicher Mensch, der verdammt gerne von seiner Mutter in den Arm genommen werden würde und einfach mal jemand ganz normales sein würde, aber anscheinend darf ich das nicht. Anscheinend muss ich jemand sein der ich nicht bin und diese Person jeden Tag spielen und das obwohl ich nicht Mal Schauspieler geworden bin. Ich möchte doch einfach nur für einen winzigen Moment dem allen entfliehen können und einfach mal wieder ein kleines sorgloses Kind sein dürfen, dass sich um absolut nichts Sorgen muss und für den es das schlimmste ist, wenn die Schokolade im Kühlschrank in einem Fach liegt, für welches es einen Hocker braucht. Genau in diese Welt kann ich entfliehen wenn ich in deinen Armen liege, aber das versaue ich mir mit meinem gezicke selbst und ich kann es wirklich verstehen, dass du da keine Lust mehr hast mich in den Arm zu nehmen, wenn ich dich die ganze Zeit an zicke, aber ich bitte dich trotzdem darum genau das zu tun, denn ich kann nicht mehr. Ich muss dem ganzen hier entfliehen, um nicht komplett darunter zusammen zu brechen, denn glaub mir Thilo. Ich kann nicht mehr. Ich kann schon so lange nicht mehr, aber ich hab immer weiter gemacht und jetzt ist es soweit, ich breche darunter zusammen und das einzige was mich noch davon ab hält dass alles hier zu beenden bist du und was mache ich? Ich schiebe dich von mir und verliere dich fast. Es tut mir so unglaublich doll leid, aber ich schaffe das nicht mehr ohne deine Hilfe. Kannst du mir helfen auch wenn ich so ein Arschloch war?" Ich drückte ihn etwas von mir und zwang ihn mich an zusehen. "Hör zu Julian, okay? Ich werde dich nie alleine lassen, ich werde immer für dich da sein und hätte ich gewusst, wie sehr dich das alles beschäftigt, dann hätte ich schon viel früher gehandelt. Du musst mir glauben, dass es nie meine Absicht war dir das Gefühl zu geben alleine zu sein, denn das bist du nicht. Du kannst immer zu mir kommen. Ich werde dich jeder Zeit in den Arm nehmen und dich entfliehen lassen. Ich liebe dich Julian." "Danke, das bedeutet mir unglaublich viel." Ich strich ihm über die Wange und küsste sanft seine Schläfe. "Schlaf etwas, ich bleibe bei dir, versprochen." Er nickte und gähnte. Dann kuschelte er sich näher an mich und schloss müde die Augen. Ich wartete bis er schlief und trug ihn dann samt all den Sachen die ich mit genommen hatte zurück zu uns nach Hause, welches glücklicherweise nicht so weit entfernt war. Dort legte ich Julian auf dem großen Bett ab und strich ihm wieder durch die Haare, bevor ich runter ging und seine Mutter anrief. Ich erzählte ihr von Julian, und das er ganz dringend eine Auszeit von allem brauchte. Ich erzählte ihr von dem was er mir erzählt hatte und fragte sie dann, ob sie und sein Vater Zeit hatten. Sie erklärte mir, das die beiden immer Zeit für ihren Sohn hatten und selbst wenn sie die nicht hätten würde er immer an erster Stelle stehen. Dann erklärte ich ihr das ich gerne einen drei wöchigen Urlaub buchen würde, da wir Winterpause hatten. Sie sagte sofort zu und meinte, dass wir direkt morgen früh los konnten. Sie würde das mit den Chefen von ihr und dem ihres Mannes klären und dann morgen früh am Pariser Flughafen stehen. Ich war ziemlich erstaunt darüber dass sie spontan drei Wochen frei bekommen würde. Anscheinend stand ihr Sohn und seine Gesundheit für sie wirklich an erster Stelle. Ich erklärte ihr noch das ich irgendwo hin wollte, wo uns niemand kannte und wo man am besten auch nichts mit bekam was gerade alles so passierte. Ich wollte einfach irgendwo hin wo man komplett abgeschottet ist. Sie verstand und schlug mir eine Insel vor, auf welcher sie früher schon mit ihrer eigenen Familie war, Julian kannte die Insel also aus seiner Kindheit. Ich stimmte ihr sofort zu und buchte die Insel. Ich wusste vorher nicht das man ganze Inseln buchen konnte,  aber anscheinend war dem so. Ich organisierte direkt noch einen Flug für morgen früh dort hin und dann direkt noch einen für Julians Eltern zum Pariser Flughafen. Nachdem ich alles geklärt hatte, ging ich  in unser Schlafzimmer und packte leise zwei Koffer mit unseren Sachen. Schließlich stellte ich mir noch einen Wecker für morgen früh und legte mich dann zu meinem Freund. Ich würde ihm die Chance geben dem ganzen hier zu entfliehen, für eine längere Zeit als die paar Sekunden, die ich ihn umarmte. Er würde wieder Zeit mit seinen Eltern verbringen können, denen es verdammt egal war was er für Leistungen brachte, oder ob er überhaupt welche brachte. Für die war es bloss wichtig, dass er ihr Sohn war, der Rest war egal. Sie kannten ihn und nahmen ihn so wie er war und ich glaubte, dass es genau das war, was er brauchte.

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Das war der os für heute, ich hoffe er hat euch gefallen :) Bus morgen

Adventskalender 2018Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt