Haberer x Philipp

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12.12.2018
Nervös saß ich auf einem der Plastikstühle des Krankenhauses. Immer wieder wischte ich mir die schweißnassen Hände an meiner Jeans ab. Irgendwann stand ich auf und lief ein paar Mal im Gang auf und ab. Dabei achtete ich darauf nie allzu weit von der Tür entfernt zu sein. Ich wollte in dem Moment, indem sie sich öffnete direkt da sein um keine Sekunde zu verschwenden. Schließlich hielt ich das ständige auf und ab gehen aber auch nicht mehr aus, sodass ich mich wieder auf einen der Stühle nieder ließ. Ich begann mit den Fingern auf dem Stuhl herum zu trommeln. Mir war durchaus bewusst, dass ich damit die anderen Anwesenden nervte, aber ich konnte schlicht weg nicht still sitzen. Nicht, wenn ich nicht wusste wie es meinem Schatz ging. Ich hatte keine Ahnung von irgendetwas im Moment. Ich erhielt bloß einen Anruf vom Krankenhaus, dass ich doch bitte zu diesem kommen solle. Es ginge um Mili. Ich packte direkt meine Sachen, um möglicherweise etwas länger dort zu bleiben. Ich wusste wirklich gar nichts. Ich wusste nicht ob es um einen gebrochen Arm ging, oder ob mein Schatz in Lebensgefahr schwebte. Ich wusste nur das etwas nicht stimmte. Möglicherweise lag er auch im Koma oder muss gerade wieder belebt werden. Ich hatte wirklich absolut keine Ahnung, aber ich hielt an der Hoffnung fest, dass es nichts allzu schlimmes war. Ich hoffte mittlerweile schon auf einen Bänderriss oder ähnliches ich konnte und wollte mir nicht vorstellen was wäre, wenn es etwas schlimmeres wäre. Also hoffte ich, dass mein Freund ansprechbar war und größten Teils gesund. Mittlerweile war ich mir da aber nicht mehr so sicher, da ich seit fünf Stunden auf diesem Stuhl saß. Mal abgesehen davon, dass ich keine fünf Minuten am Stück sitzen konnte. Dann, als ich nicht mehr damit rechnete, öffnete sich tatsächlich die Tür. Ich sprang auf und stand Kerzen grade vor dem Arzt. "Sind Sie wegen Herrn Philipp hier?" Fragte er mich, was ich mit einem nicken bejahte. "Es geht ihm den Umständen entsprechend gut." Na toll, dass konnte nun wirklich alles heißen. Allerdings hieß es auch, dass er lebte. Das waren schoneinmal mehr Informationen als ich die letzten fünf Stunden erhielt. Erleichtert atmete ich auf. "Allerdings.." "Sagen Sie es einfach. Drum herum zu reden wird die Wahrheit nicht ändern." Gab ihm überraschend ruhig von mir. Woher ich diese Ruhe nahm wusste ich nicht, aber ich wusste, dass ich was auch immer es war, was mein Mili jetzt hatte, für ihn da sein würde. Der Arzt nickte und sagte dann grade raus. "Herr Philipp, lebt. Allerdings ist er auf einem Auge blind und komplett taub. Es tut mir leid es ihnen sagen zu müssen, aber er wird nicht wieder hören können und auch das Auge ist unwiderruflich erblindet. Sein anders Auge konnten wir zwar retten, allerdings kann Ihnen niemand versichern, dass er mit diesem noch lange sehen wird. Es kann sein das ein ebenfalls erblindet, weil es die Sehkraft des anderen Auge nicht über nehmen kann. Jetzt ist es aber erstmal wichtig sich auf das gegebene zu konzentrieren. Sie müssen jetzt für ihn da sein, auch wenn es schwer für sie ist, für ihn ist es noch viel schwerer. Wenn er es will, können Sie zusammen eine Therapie besuchen, bei welcher Ihnen beiden die Zeichensprache bei gebracht wird und sie lernen damit umzugehen und damit zu leben. Natürlich müssen Sie beide und vor allem er einverstanden sein. Durch das Auto, in welchem er gefangen hatte ist seine rechte Gesichtshälfte verbrannt. Diese haben wir komplett in einen Verband gewickelt, also wundern Sie sich nicht. Es ist auch das rechte Auge, welches keine Sehkraft mehr besitzt. Gehen Sie jetzt gerne zu ihm. Ich bin mir sicher es wird ihm helfen Sie bei sich zu haben. Sie können ruhig die ganze Zeit bei ihm bleiben, wenn das für ihn in Ordnung geht. Es liegt ein Block und ein Stift bereit, wenn Sie so kommunizieren wollen. Theoretisch könnte Herr Philipp noch reden, allerdings kann es sein, dass er es nicht tun wird." Ich nickte dankend und betrat dann den Raum. Ich hatte den Arzt zugehört und es verstanden, aber verarbeitet hatte ich es noch nicht. Ich wusste allerdings, dass ich jetzt für ihn da sein musste. Darüber nach denken konnte ich wann anders. Jetzt brauchte mein Baby mich erstmal. Langsam betrat ich den Raum. Dort lag er. Wie mir schon gesagt wurde, mit einem weißen Verband, welcher seine rechte Gesichtshälfte verbag. Er blickte starr an die Decke. Möglicherweise hatte er nicht mit bekommen, dass ich herein gekommen war, andererseits konnte es auch gut sein, dass er es einfach nicht weiter beachtete. Ich berühete kurz seinen Arm, als Frage  ob er wusste das ich da war. Er nickte kurz. Er hatte es also verstanden. Ich legte mich neben ihn und zog ihn in meine Arme und starrt ebenfalls an die Decke. Was bedeutete es das wir jetzt nicht mehr reden konnten? Was bedeutete das für unsere Beziehung? Was bedeutete das für sein Leben? Was bedeutete das für unsere Zukunft? Alles Fragen, die ich nicht beantworten konnte. Ich konnte bloß abwarten und schauen was das Schicksal uns so brachte. Ich hoffe nur das wir trotzallem kommunizieren konnten. Zwar anders, aber kommunizieren, ich glaube das wird wichtig sein, dass wir trotzdem mit einander 'reden' können. So wie eben, ich einfach nur meine Hand auf seinen Arm legte und er verstand, dass ich ihn fragen wollte, ob er wusste das ich hier war. Er hatte diese kleine Berührung richtig gedeutet und ich konnte bloß hoffen, dass diese Art der Kommunikation bei uns funktionieren würde. Ich spürte wie er seine linke Gesichtshälfte in meine Strickjacke drückte. Ich verstand. Er wollte mehr Nähe, ich setzte mich etwas auf und zog ihn auf meinen Schoß. Dort merkte ich das er sich noch aus einem anderen Grund an mich gedrückt hatte, er zitterte, ihm war kalt. Ich zog meine Jacke aus und gab sie ihm. Er zog sie sich an und kuschelte sich in sie. Er warf mir einen dankbaren Blick zu, ich küsste als Antwort seine Schläfe und strich zärtlich über seine Seiten. Er kuschelte sich wieder an meine Brust und sah auf den Block. Irgendwann nahm er ihn und schrieb drauf

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