K: Ende des Krieges

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Kelsey schlüpfte durch die vielen Beine der Männer, wich einem Fuß aus und kam schließlich schnaufend an der Reling des Bugs an. Mit großen Augen betrachtete sie die vielen schwarzen Wolken, die über Marineford schwebten. Der Krieg hatte beachtliche Ausmaße erreicht. Solch schrecklichen Anblick hatte sie sehr lange nicht mehr erlebt. Ob der Sohn des Piratenkönigs noch lebte? Sie bezweifelte es. Sie ahnte, dass sehr viel mehr ihr Leben gelassen hatten, als nur dieser eine Pirat.
Neben ihr wechselten die Männer einige Worte. Kelsey wusste, dass Shanks seine Männer nicht in den Krieg schicken würde, es war nicht seiner. Dennoch kam er hierher – nachdem sie Kaido aufgehalten hatten. Er wollte Schadensbegrenzung durchführen und hatte wohl Sorge um einen ganz bestimmten Jungen: Strohhut Ruffy. Das hatte sie nebenbei mitbekommen. Er sprach in den letzten Tagen sehr oft mit ihr, obwohl sie nicht antworten konnte. Er war unausgeglichen, kein Wunder bei diesen Ereignissen. Dieser Krieg würde Einfluss auf die ganze Welt haben. Der Ausgang ebenso. Die Gewinner schrieben die Geschichte, so war es und so würde es immer bleiben.
Die folgenden Ereignisse bekam sie am Rande mit. Für das kleine Füchslein passierte es zu schnell, obwohl ihr Auge sehr geübt war. Sie konzentrierte sich auf die verschiedenen Auren, auf die Gerüche und Geräusche, auf die leidenden Menschen, als Ben verschwand und auf einem Marineschiff einen Admiral bedrohte. Davor war schon Shanks von Board gegangen, um einen anderen Admiral aufzuhalten. Sie wusste, dass die Kaisermannschaft stark war. Ohne jeden Zweifel eine der Stärksten der Welt.
Alleine das Ziehen von Shanks Schwert und seine drohenden Worte beendeten den Krieg. Kelsey selbst, so wie einige andere Männer, sprangen von Board um andere zu helfen. Die Füchsin eher, weil sie eine Aura spürte, zu der sie sich hingezogen fühlte. Sie wusste nicht warum, aber es erinnerte sie an ein unsichtbares Band.
Neben einigen kaputten Wrackteilen lag ein armes, verwundetes Mädchen. Ihre braunen Haare waren blutverschmiert, ihr Körper ebenso. Ihren Kopf zierten zwei süße Wolfsohren, an ihrem Steißbein befand sich ein Wolfsschwanz und überall verstreut auf ihren Körper waren braune Flecken. Ihr Gesicht war noch leicht spitz und ähnelte mehr den eines Wolfes, als den eines Mädchens. Ebenso wie ihre Fingernägel, die eher Krallen darstellten.
Verwundert stupste Kelsey das Wolfsmädchen an. War sie ...? Konnte sie etwa ...? Sie regte sich nicht. Kelsey bellte. Das Mädchen zuckte ein wenig. Die Füchsin zerrte an der zerrissenen Kleidung. Keine Reaktion. Einen Moment später kam Mouth um die Ecke. Er blinzelte, betrachtete erst Kelsey, dann das Mädchen. „Ohhhh", gab er von sich, dann hob er die Kleine auf. „Sie muss zum Doc!", murmelte der Hüne und trug sie davon, Kelsey dicht auf den Fersen. „Wer ist sie?!" Sie wollte wissen, wer sie war! Konnte es sein, dass sie ebenso verflucht war, doch sich verliebt hatte? War der Fluch etwa doch aufzuheben?
Eine unerwartete Aura, die sie kannte, ließ sie stehenbleiben. Erinnerungen überschütteten sie mit Zorn, Wut und Trauer. Sie drehte sich um, erkannte in dem ganzen Wirrwarr eine Person und knurrte aus tiefster Seele. Sie plusterte ihr Fell auf, konnte an nichts anderes mehr denken, als daran, diesen Mann sofort zu töten. All ihre unterdrückte Blutlust entlud sich mit einem Mal und sie sprang auf niemanden anderes zu als Flottenadmiral Sengoku. Mitten im Sprung wurde sie von einer Hand abgefangen. Blinzelnd fand sie sich auf Shanks Schulter wieder, welcher sie bestimmend herunter drückte. „Alles gut, Kleine", murmelte er, strich ihr über den Kopf und ging zur Red Force zurück. Sie schüttelte den Kopf, wollte umdrehen, wollte diesen abartigen Hund den Kopf ab beißen, doch sie wurde festgehalten. Langsam legte sich Shanks Köngshaki um sie und ließ sie in das Reich der Träume fahren.

Das nächste, was sie wieder wahrnahm, war ein regelmäßiges Schnarchen. Müde streckte sie sich, riss ihr Maul einmal anständig zum Gähnen auf und schmatzte. Verschlafen hob sie ihren Kopf, sah sich verwundert um und stellte fest, dass sie sich in der Kapitänskajüte befand. Der Kaiser schlief neben ihr, während sie von ihm umschlungen wurde. Sie stupste ihn ein wenig an der Nase an. Er reagierte nicht einmal. Sie verdrehte die Augen, doch dann musterte sie den schlafenden Rothaarigen näher. Er sah schon gut aus, musste sie zugeben. Zum anbeißen gut aus. Er hatte ein gutes Herz, war ein guter Kapitän ... sie wunderte sich selbst darüber, warum sie plötzlich auf all die Gedanken kam. Vielleicht hätte sie sich mit ihm gut verstanden ... vielleicht wäre mehr daraus geworden. Zu einer anderen Zeit. In einer anderen Welt. Doch es war hier und jetzt. Sie wusste selbst nicht mehr, was sie einst wollte und welches Ziel sie verfolgte. Alle ihre Kameraden waren tot, ihr Land war zerstört, ihre Heimat existierte nicht mehr. Wohin konnte sie? Wo war ihr Platz in der Welt?
Sie konnte sich noch gut daran erinnern. An Joffrey, ihren König. An seine Frau Lady Millan. An die goldenen Kirchturmspitzen, an das Schloss aus brennenden Stein. Sie kannte noch den Namen ihres Vaters, die ihrer Brüder. Sie wusste, welche Kleider sie einmal trug. Wie ihre Diener aussahen. Wie ihr Mann aussah. Zuerst war er ein Freund. Dann ein Verlobter, dann ihr Mann und Anführer der Königsgarde.

„Eure Majestät", demütigend machte die junge Kelsey einen Knicks vor ihrem König und langjährigen Freund. Ihr wunderschönes, waldgrünes Kleid mit unmengen an silbernen Rosen brachte ihre Figur hervorragend zur Geltung. „Ach, hör doch auf, wir sind nicht in der Öffentlichkeit! Erzähl mir lieber ... hat er nun endlich um deine Hand angehalten?" Seine grünen Augen glitzernden spöttisch auf. Sie hielt eine Hand vor dem Mund und kicherte. „Ihr könnt es nicht abwarten, oder Majestät?" „Jetzt hör mit diesem Mist auf und sag es mir!" Er packte sie an die Schultern und schüttelte sie durch. „Hat er gefragt?! Wie hat er gefragt?! Hast du ja gesagt?" Eine Tür wurde aufgestoßen. „Euer Gnaden, lasst meine Verlobte los oder ich sehe mich gezwungen, mein Schwert gegen meinen König zu richten!" Seine tiefe Stimme versetzte Kelsey in einen anderen Zustand. Ein breites Grinsen legte sich auf ihr Gesicht und sie nutzte die Verwirrung des Königs, um aus seinen Griff zu entfliehen. Sie breitete die Arme aus und stürmte auf ihren rothaarigen Verlobten zu. Lachend nahm er sie auf den Arm und küsste ihr die Stirn. „Meine kleine Lilie, wie geht es dir? Hat dir der böse König weh getan?" Während hinter ihr ein erbostes Schnaupen ertönte, lachte sie nur.

Seine feuerroten Haare machten ihn zu etwas besonderen. Während seiner Schlachten erarbeitete er sich den Titel als feuerroter Drache. Sein Siegel stellte genau das dar: Ein schlangenähnlicher Drache, aus welchem Feuer aus der Kehle kam.
Sie liebte ihn aus ganzem Herzen. Sie konnte sich nichts anderes vorstellen, als ihr Leben mit ihn zu verbringen. Mit ihn an seiner Seite. Mit ihn alt werden. Eine Familie gründen. Allerdings kam es ganz anders.
Die Zeit veränderte die Gemüter der Leute. Nicht nur die Zeit, auch die Geschehnisse. Nie hätte sie für möglich gehalten, einmal ein blutrünstiges Monster zu werden, das keine Gefühle kannte und Männer gnadenlos in den Tod schickte, sollte es einen strategischen Vorteil haben.
Sie bereute all diese Dinge nicht, so tat sie es doch aus einem Grund: Ihr Herz trachtete nach Rache.
Nach all der Zeit jedoch zweifelte sie langsam. Sie hatte viele Leben genommen, viele ihrer Feinde vernichtet und dennoch schloss es nie die Wunde in ihrem Inneren.

Dóbutsu no Nakama [One Piece]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt