Johannes' POV
Eine Weile saßen sie so da und Hannes hielt seinen Freund einfach nur fest, der bitterlich weinte. Erst als er das Gefühl hatte, dass Mark sich nicht mehr wehren würde, schob er sich um ihn herum, allerdings ohne den Griff zu lockern, um ihn von vorne zu fassen.
Sanft nahm er nun seinen Kopf und drückte ihn an seine Brust. Mark schluchzte leise vor sich hin, der Körper bebte unter seinen Händen, aber er ließ die Nähe zu. Johannes war erleichtert.
Er hatte Mark noch nie weinen sehen, es schockierte und verunsicherte irgendwie, aber er glaubte fest, dass es ihm gut tun würde, ihm vielleicht etwas von dem Druck nehmen konnte, der auf ihn lastete.
Als Hannes aufsah blickte er in die entsetzten Gesichter von Lena und Daniel, die im Türrahmen standen und sie beobachteten. Lena weinte ebenfalls, schien erschüttert, während Nitti sie im Arm hielt, ihm unsicher zunickte.
Warum hatte sie Mark geküsst? Dass zwischen ihnen was laufen würde, war ihm nicht bekannt. Überrascht hatte er sie vom Esstisch aus beobachtet und obwohl er Mark's Strahlen sehen konnte, hatte er geahnt, dass es schief gehen würde. Er war doch viel zu gebeutelt, um damit umgehen zu können. Zuerst musste er die Situation von Max verkraften, bevor er an sich selbst denken konnte.
Er spürte, wie Mark langsam ruhiger wurde, strich ihm vorsichtig über den Rücken. Aber gerade, als er etwas Aufmunterndes sagen wollte, klingelte es an der Tür. Shit, der Pflegedienst.
Er bedeutete den beiden mit der Hand, hinzugehen und sofort lief Nitti zum Eingang.
Währenddessen blickte er wieder zu Mark hinunter, der friedlich in seinen Armen lag. "Geht's etwas besser?" Hannes versuchte leise zu reden, wollte ihn nicht aufschrecken. Mark nickte zaghaft. "Soll ich dir helfen...wieder zurück auf's Sofa...?" Wieder nickte er. Hannes musste lächeln, drückte ihm einen Kuss auf's Haar und stand auf. Vorsichtig griff er ihm unter die Arme und zog ihn auf die Beine, die ihm kaum gehorchten, trug ihn mehr zum Sofa, als dass dieser lief und half ihm, sich hinzulegen.
Mark sah ihn danach direkt an, versuchte ein Lächeln. Ihn mit seinen geröteten Augen und diesem Kummer im Blick zu sehen tat Hannes in der Seele weh. Er klopfte ihm kurz auf seine Beine und lief dann in den Gang, wo Nitti sich mit einer freundlichen Schwester unterhielt.
"Hallo." begrüßte er sie, entschuldigte sich dafür, dass sie warten musste und fragte nach den Materialien, die sie benötigte, bereitete dann alles vor.
Als sie schließlich alle eine Stunde später am Esstisch saßen, um doch zu frühstücken, fiel Hannes' Blick immer wieder zu Mark, der nun aufrechter auf dem Sofa lag, etwas lustlos an einem Brötchen knabberte und mit dem Handy hantierte.
Das Handy hatte Hannes gestern aus der blutverschmierten Hose vom Krankenhaus gefischt und laden können. Nun scrollte Mark durch die Nachrichten. Es war wichtig, ihn in das Hier und Jetzt zu bringen. Bevor ihm jemand anderes irgendwas erzählte, sollte er selber sehen, was über den Unfall und ihn geschrieben wurde.
"Ich freu mich auch auf Nati." Nitti stupste Hannes an, der zusammenzuckte. "Was?" Er sah zu ihnen, murmelte nur: "War in Gedanken. Um was ging's?"
Lena lächelte ihn an. "Natalie hat geschrieben, dass sie bald da ist. Weil sie ihre Mutter holen musste, hab ich ja Mark's Sachen mitgebracht. Es wird ihm gut tun, wenn er seine Familie um sich hat. Ich geh mir nachher ein Hotelzimmer suchen." Kurz sah sie zu Mark und dann traurig auf ihre Hände, die gefaltet auf dem Tisch lagen und die sie nervös knetete.
"War meine Schuld." murmelte Nitti und legte seine Hand auf ihre.
Johannes sah zu ihnen. "Ihr seid mir ne Erklärung schuldig, das wisst ihr?"
Betretenes Schweigen folgte. "Willst du mich begleiten?" Lena blickte hoch, lächelte ihn an und Hannes nickte nach einigen Sekunden. Er war sich nicht ganz sicher, ob er Mark alleine lassen konnte, hatte das Gefühl, der Einzige zu sein, der ihn wirklich verstand, doch er musste mit ihr sprechen.
Und so saßen sie einige Zeit später in Lena's Auto und fuhren zu der Adresse des Hotels, in welchem sie das Zimmer gebucht hatte. Hannes musterte sie beim Fahren, sie war nervös, das spürte er. Mark und sie hatten seit dem Kuss nur wenige Worte gewechselt, waren beide verunsichert.
"Schau mich bitte nicht so vorwurfsvoll an. Ich wollte ihm ganz sicher nicht weh tun damit." Lena sah ihn nicht an, schien seinen Blick zu spüren.
"Das denk ich nicht. Dafür kenn' ich dich zu gut. Aber warum?" Hannes wollte endlich wissen, was dieser Kuss zu bedeuten hatte.
Lena seufzte. "Er liebt mich." Sie machte eine Pause, konzentrierte sich auf den Verkehr.
Johannes schluckte. Das hatte er nicht gewusst, nicht einmal geahnt, da Lena mit ihrem Max so glücklich war und Mark immer betont hatte, wie froh er war, dass sie befreundet waren. Aber das erklärte dennoch nicht alles.
"Und du? Du hast ihn geküsst." Sie hatte die Initiative ergriffen, nicht Mark.
Schwer atmete sie ein und aus, parkte das Auto auf dem Parkplatz vor dem Hotel und wandte sich Johannes zu. "Als Nitti mir davon erzählt hatte...wir wussten doch alle nicht, ob er es schafft...ich glaube, er wollte nicht, dass es unausgesprochen bleibt. Weißt du, Mark ist ein Teil von meinem Leben und er hat mir die Zeit nach Max so einfach gemacht. Ich fühle mich beschützt und aufgehoben bei ihm. Und der Gedanke, dass ich ihn verlieren könnte..." Ihre Stimme zitterte, Hannes sah, dass ihr Tränen kamen. "Ich will ihn nicht mehr aus meinem Leben missen. Das ist mir die letzten Tage klar geworden. Und egal, was er durchmachen muss, ich wäre gerne an seiner Seite. Wenn er es auch will." Sie wischte sich die Tränen von den Wangen. "Vielleicht war der Zeitpunkt schlecht, aber ich habe den Kuss genau so gemeint und gewollt."
Johannes war überrascht. Damit hatte er nicht gerechnet. Und Lena schien es aufrichtig so zu meinen. "Ihr müsst miteinander reden. Vielleicht nicht sofort, das wär wohl grad zu viel..." Es gab so viel, was zu klären war, erstmal beruflich, aber irgendwann würde er sich für den Unfall auch gerichtlich verantworten müssen.
Sie nickte, senkte kurz den Blick, hob ihn aber gleich wieder. "Das mit den 'Kids' wird wohl weitergehen. Wir, also Steff, Sascha, Alec und ich, haben unseren Boykott erklärt, wenn sie Mark canceln. Ich hoffe nur, dass er weitermacht und es nicht selber hinschmeißt." Wieder konnte Hannes erkennen, wie ihre Augen feucht wurden. "Das vorhin war so schlimm. Ich hab so Angst, dass alles anders wird, dass es nie mehr so sein wird, wie es war."
Johannes sah sie an. Was sollte er darauf sagen?
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Fate
FanfictionWenn das Schicksal einen herausfordert, emotional durcheinanderwirbelt, man nicht mehr weiß, wo man steht, wer man ist. Das muss Mark Forster am eigenen Leib erfahren, lernen, mit Gefühlen und Gedanken umzugehen, die ihn zermürben und niederschmett...