Lena's POV
Sie war schon lange nicht mehr in dem kleinen Studio in der Forsterstraße gewesen, freute sich jedoch sehr, Mark heute beim Musik machen zu erleben. Nati hatte ihr zwar in einem stillen Moment von seinen Schwierigkeiten und den überquellenden Gefühlen erzählt, die er beim letzten Mal hatte, doch jetzt waren sie alle bei ihm und würden ihm helfen, sein Gleichgewicht wiederzufinden.
Nun beobachtete sie ihn gespannt. Beim Kuscheln am Morgen hatte sie das erste Mal seine Narbe gesehen, die unter den Rippen verlief, noch etwas rot und wulstig. Erschrocken hatte sie wieder realisiert, wie knapp alles ausgegangen war und wie glücklich sie sich in seiner Gegenwart fühlte. Er war ihr so vertraut und es war aufregend, den Körper des anderen auf so eine ganz andere Art und Weise kennenzulernen. Sie ließen sich Zeit und das war wunderschön, weil sie sich damit auch immer näher kamen.
Nati und sie hatten sich nun auf das alte Sofa gesetzt, während Mark die Noten durcharbeitete, die Nitti ihm gegeben hatte, wobei er ständig herumwippte und mit der Hand die Melodie in die Luft zeichnete. Dieses unstete, zapplige hatte sie schon vermisst, zu ruhig und bedächtig war er geworden. Sie musste schmunzeln und auch Nati schien ihr das mit einem Augenzwinkern zu signalisieren.
Irgendwann summte er dann mit und Lena konnte Tränen in Nati's Augen sehen. Sofort nahm sie diese in den Arm. Sie selber hatte Mark nur einmal so am Boden erlebt, als sie ihn unbedarft geküsst hatte, doch sie wusste, was in seiner Schwester vorging, wenn er jetzt so gefestigt und auch ausgeglichen wirkte, wenn man ihn in gleicher Situation anders erlebt hatte.
"Okay." machte Nitti und Mark setzte sich ans Klavier, legte die Noten vor sich ab, räusperte sich. Die ersten Töne erklangen, doch Mark schnaufte plötzlich laut, stoppte. Dann lachte er nervös auf, schüttelte den Kopf, ohne jemanden dabei anzusehen, und fing wieder an. Sachte ließ er seine Finger über die Tasten gleiten und als er anfing zu singen, konnte Lena das Zittern in der Stimme deutlich wahrnehmen.
"Ich hab'n kleinen Knubbel am Hinterkopf, der tut nicht weh, macht auch kein'n Sinn, war aber immer dort. Und ich weiß genau, du hast den auch. Hast'n mir mal gezeigt, das weiß ich noch. Ich kenn' keinen, der beim Sport so schwitzt wie ich, oder wenn's grad brenzlig ist, ey, Mann, das endet nicht. Und wenn ich Stress hab', dann kommt es auch. Das macht's nicht besser, aber du hast es auch..."
Sie konnte sehen, wie seine Augen langsam feucht wurden und ihm, wie in dem Song beschrieben, der Schweiß auf die Stirn trat. Ja, das Singen, überhaupt die Musik, war momentan wirklich Stress für ihn. Wie befremdlich es war, und das tat ihr weh.
"Und immer unter Druck blüh' ich auf, und immer wenn ich muss, dann pack' ich's auch. Hab's immer irgendwie gewusst und an mich geglaubt, denn du konntest es ja auch."
Obwohl ihn der Druck nach dem Unfall erst niedergeschlagen hatte, aber wen hätte das nicht. Lena wollte nicht tauschen, wüsste nicht, ob sie selber nach diesen paar Wochen wieder an einer Tour arbeiten könnte.
"Wenn Mama will, dass ich merk, dass ich falschlieg', sagt sie, ich bin grad genau wie du. Wenn deine neue Frau mich lachend in' Arm nimmt, sagt sie, ich bin genau wie du. Wenn ich beim Lachen die Luft durch die Nase schieb', dann klingen wir gleich, mit Augen zu. Unsre Zeit zieht vorbei und ich peil's nicht. Genau wie du."
Eine Träne verlor sich aus seinem Auge und rann die Wange hinunter. Ihr Herz pieckste, als sie es sah. Ob er diese Unbeschwertheit, diese Leichtigkeit im Leben, wiederfinden würde? Es war dieser lausbubenhafte Charme, der jeden in seinen Bann zog und ihn zu einen der beliebtesten Menschen in diesem Business hatte werden lassen. Immer wieder blitzte es auf, wenn er sie mit dieser Liebe ansah, doch noch konnte sie den Großteil des Tages auch diese grundlegende Traurigkeit erkennen, die wie eine dunkle Wolke über ihm hing.
"...Ich such'nach Zeilen in mir drin, bis alles passt, bis ich was fühlen kann, so mach' ich das. Und nur so krieg' ich's hin, so drück' ich's aus. Was ich für dich sing', fühlst du das auch?"
Mit dem letzten Ton wurde es still. Dann schniefte Mark kurz auf und rieb sich über die Augen. Nati und Lena sahen sich kurz an, standen auf und nahmen ihn von hinten ganz eng in eine Hug. Auch Nitti legte seine Arme um sie alle. So blieben sie eine Weile, bis Mark kichern musste und "Das muss ich öfters machen, wenn ich dann so viel Liebe krieg'" murmelte. Lena musste grinsen und schlug ihm gespielt auf die Cap.
Seine Augen waren etwas gerötet, da ihm nun doch mehr Tränen gekommen waren, doch sein Lächeln war offen und frei. Er hatte eben gerade sein persönlichstes Lied gesungen und gespielt, da waren alle anderen doch ein Klacks dagegen. Zärtlich strich sie ihm über seine Wange.
Lena konnte sich noch gut an seine zwiespältigen Gefühle erinnern, als Mark erzählt hatte, wie ihm sein Vater nach Zusendung des Liedes per SMS geantwortet hatte, dass er es fühlen könne. Wahrscheinlich hätte er es lieber persönlich aus seinem Mund gehört, doch vielleicht waren sich Vater und Sohn im Ausdrücken von Gefühlen ähnlicher, als er es wahrhaben wollte.
"Oh." machte er plötzlich und holte sein Handy aus seiner Hosentasche. Entnervt seufzte er auf, als er den Anrufer sah. "Ist es Esti?" fragte Nitti und Mark nickte. "Soll ich?" bot er sich an, doch Mark schüttelte den Kopf. Als das Klingeln vorbei schien, schrieb er etwas und legte sein Handy weg. Doch kurz danach leuchtete es wieder auf. Mark nahm es zur Hand und entsperrte es. "Lass uns bitte reden. Es tut mir leid." las er vor. Wenigstens bereute er es. Lena wusste, wie viel sein Manager Mark bedeutete, und dass er sich entschuldigte war ein gutes Zeichen.
"Willst du nicht mit ihm sprechen?" fragte sie vorsichtig, doch er schüttelte den Kopf. "Jetzt nicht." Er überlegte kurz. "Ich werde schon mit ihm sprechen, aber da muss ich mich vorbereiten. Nicht so einfach nebenher, das ist mir grad...ist mir einfach zu viel." Es war schön, dass er es ausgesprochen, er gesagt hatte, was er fühlte. Und es hieß auch, dass er nochmal bereit war, sich auf ihn einzulassen.
Wieder leuchtete sein Handy, doch diesmal erhellte sich sein Gesicht und er nahm das Gespräch lachend an. "Hallo Hannes, schön von dir zu hören." Es freute Lena, dass Hannes sich meldete. Wie großartig er sich um Mark gekümmert hatte. Das war auch unter Freunden nicht selbstverständlich. Mark nickte ein paarmal, doch Lena stutzte, da sein Gesicht immer ernster wurde. Auch Nati und Nitti schauten sie fragend an. "Ja." sagte er dann mit fast tonloser Stimme. "Danke."
Mark seufzte auf, ließ das Handy sinken und sah sie dann verwirrt an. "Ich muss nach Hamburg."
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Fate
FanfictionWenn das Schicksal einen herausfordert, emotional durcheinanderwirbelt, man nicht mehr weiß, wo man steht, wer man ist. Das muss Mark Forster am eigenen Leib erfahren, lernen, mit Gefühlen und Gedanken umzugehen, die ihn zermürben und niederschmett...