Kapitel 21

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Johannes' POV


Verwirrt und kopflos ging er zu seinem Auto.

Was hatte er nur getan? Und wieso? Jetzt war alles noch komplizierter und furchtbarer als ohnehin schon. Wie sollte er Mark je wieder unter die Augen treten, der ihn doch so brauchte.

Alles schien auf einmal verloren.

Tief seufzte er auf, als er das Auto aufschloss. Er musste sich beruhigen, zuallererst. Und sich dann entschuldigen, bei Mark, morgen.

Hoffentlich machte er keine Dummheiten nach diesen Aussagen. Er war doch so verzweifelt.

Hannes hatte noch gewartet, bis der Arzt wieder rausgekommen war und dieser dann nur gemeint hatte, dass er nicht mehr hinein dürfte, da die Medikamente bald wirken würden und Mark den Schlaf bräuchte. Was hieß, dass sie ihm eventuell etwas zur Beruhigung gegeben hatten.

Was vielleicht auch besser war. Danach war er gegangen.

Doch eine Frage ließ ihn nicht los. Warum nur hatte er Mark geküsst?

Sicher, er hatte ihn mit diesem verzweifelten, hilfesuchenden Blick angesehen, der ihn bis ins Mark getroffen hatte. Und seine Worte hallten in ihm noch nach, die so klangen, als würde er nicht mehr leben wollen.

Hannes schüttelte sich, da sich eine Gänsehaut bei diesem Gedanken über seine Haut zog und Angst in ihm aufstieg.

Was sollte er Natalie und Nitti erzählen?

Er startete den Motor und fuhr die wenigen Minuten bis zu sich nach Hause. Während er die Stufen nach oben stieg malte er sich in Gedanken aus, was er wie sagen wollte, doch alles, was er sich erdachte, ergab letztendlich keinen Sinn.

Als er die Tür wieder hinter sich schloss, hörte er plötzlich eine frohe Kinderstimme rufen. "Papa." Schon kam sein kleiner Wirbelwind angerannt und warf sich an ihn, schlang seine kleinen Arme um sein Bein.

Sie hatten sich nicht angemeldet, aber glücklich schloss Hannes seinen Sohn in die Arme, küsste ihn auf das Haar, hob ihn hoch. "Wir sind wieder da." rief Emil fröhlich aus.

Anna kam lächelnd auf ihn zu, strich ihm über seine Wange und hauchte ihm einen Kuss auf die Lippen. "Hi." murmelte sie, musterte ihn dann aber kritisch. "Was ist passiert? Du siehst so ernst aus. Und wo ist Mark?"

Hannes musste schlucken und ihm wurde schlecht. Er hatte Mark geküsst. Und seine Familie war hier. Schnell schüttelte er den Kopf und ging mit ihnen in die Wohnstube.

Dort saßen Natalie und Nitti am Esstisch und wandten sich auch überrascht zu ihm um, registrierten sofort, dass er allein gekommen war.

"Wo ist Mark?" Nati's Stimme klang panisch und Hannes hob die Hand. "Er ist gestürzt und muss die Nacht im Krankenhaus bleiben."

Anna legte ihre Hand auf seine Schulter, nahm ihm Emil ab. "Geh' ein wenig spielen, Schatz." Sie setzte ihn ab und gab ihm noch einen Klapps auf den Po und schon wuselte die kleine Hasennase Richtung Kinderzimmer.

"Setz' du dich hin, ich bring dir einen Kaffee." Anna ging zu dem Automaten, während Hannes sich langsam auf den Stuhl sinken ließ, noch immer mitgenommen von der ganzen Situation, alle Blicke auf ihn gerichtet.

Als der Kaffee vor ihm stand und er den ersten Schluck genommen hatte, begann er langsam zu erzählen. Die Worte von Max' Mutter, der Sturz, das Blut, die Angst, Mark's Worte...

Immer wieder musste Hannes unterbrechen, weil er schlucken musste, seine Tränen nicht zurückhalten konnte. Die Situation ergriff ihn von Neuem und er fühlte sich wieder genauso hilflos und überfordert, wie im Krankenhaus.

Auch Nati musste weinen, umarmte ihn immer wieder von der Seite, Anna und Nitti wirkten erschrocken und ernst.

Nitti rieb sich über die Augen. "Der Termin für die Pressekonferenz steht eigentlich auch schon. Morgen um 16 Uhr im Helmut-Schmidt-Haus. Ich ruf Esteban an, vielleicht kann man ihn noch verschieben."

Sie hatten am Morgen beschlossen, dass Nitti mit Mark's Manager einen Termin ausmachen soll, aber gleich am nächsten Tag?

Hannes nickte, während Nati immer noch weinend an ihm hing. "Ich wär jetzt so gerne bei ihm. Wenn ich mir vorstelle, dass er so ganz alleine..." Kurz schluchzte sie auf.

Er rieb ihr über den Arm. Ihm ging es irgendwie nicht anders, obwohl er Angst vor Mark's Reaktion hatte nach dem Kuss. Hoffentlich belastete ihn das nicht noch zusätzlich.

Sein Blick wanderte hinüber zu Anna, die wieder aufgestanden war und an der Arbeitsplatte der Küche hantierte. Sie war seine Traumfrau, seit zehn Jahren, war bildhübsch und klug. Als Schauspielerin kannte sie das Leben in der Öffentlichkeit und das hat es trotz allem immer leicht gemacht, ein privates Leben zu führen.

Natürlich hatten auch sie ihre schwierigen Phasen, waren vor Emil kurzzeitig getrennt gewesen, konnten aber nicht ohne einander und waren doch seitdem glücklich. Warum nur hatte er Mark geküsst?

Sie wandte sich um, lächelte, kam mit einem Schnitz Birne zu ihm, ließ ihn davon abbeißen. "Liebe Grüße übrigens und du musst Ecki anrufen. Er will dich fragen, ob du über Pfingsten mit nach Spiekeroog kommst. Damit er planen kann."

Seit Jahren fuhr sein Vater mehrmals im Jahr zum Dünensingen auf diese Insel. Das musste er mit seinen Jungs von der Band absprechen.

Er nickte leicht. Ohne sie wäre er doch aufgeschmissen, oder? Sie liebten sich doch!

Die Situation vom Krankenhaus kam ihm wieder in den Sinn. Er sah Mark vor sich, auf dem Boden liegend, blutend, was ihn sofort erschaudern ließ. Diese Angst beherrschte ihn sofort, sein Herz schlug allein bei dem Gedanken schneller. Mark's Verzweiflung, dieser Blick...wollte er tatsächlich nicht mehr leben?

Hannes schluckte, konnte sich aber nicht beherrschen. Er spürte, wie wieder Tränen kamen.

Tief atmete er durch, rieb sich mit der Hand über die Augen. Was, wenn Mark es nicht verkraften würde, er...

Eine sanfte Hand legte sich auf seine Wange. Als er aufblickte sah er in wunderschöne braune Augen. Anna liebte ihn, vertraute ihm mit ihrem Leben. Ihre langen dunkelbraunen Haare schmeichelten ihrem schmalen Gesicht, das ihn sorgenvoll musterte.

"Schatz, ist es so schlimm?" Wie mitfühlend sie doch war.

Hannes nickte, sah nach unten. Er spürte die Blicke aller drei auf sich. Der Kloß im Hals verfestigte sich.

"Ich habe einen Fehler gemacht. Einen großen." Er flüsterte die Worte, aber er konnte es nicht ertragen. "Ich weiß nicht warum, aber als Mark so verzweifelt war..." Er schluchzte auf. "Ich hab ihn geküsst."


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