Kapitel 13

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Johannes' POV


Mark hatte sich erst weigern wollen, mit Natalie's Hilfe ließ er sich dann doch überreden, und so fuhren sie seit einer Stunde mit dem Auto über Land. Noch hatten sie kaum ein Wort miteinander gewechselt und Hannes würde ihn sicherlich nicht drängen.

Sie sollten fast da sein. Er suchte nach dem schmalen Weg, an welchem sie rechts abbiegen mussten, wäre beinahe daran vorbei gefahren, bremste schnell und bog ab. Kurz ging es einen befestigten Forstweg entlang. Normalerweise wäre schon längst ein Spruch von Mark gekommen, und dass es nicht so war, tat Hannes weh.

Wenige Meter später, entlang hoher Büsche, eröffnete sich vor ihnen ein wunderschöner See. Da er so versteckt lag, waren dort kaum Menschen zu finden. Hannes war schon lange nicht mehr hier gewesen, doch das schöne Vorfrühlingswetter bot sich dafür an. Vielleicht war dieser Ausflug für den Naturmensch Mark Forster ein wenig Balsam für seine geschundene Seele.

"Schön hier" kam auch schon von rechts, was Hannes schmunzeln ließ.

"Früher war ich öfter hier, aber er hat nichts von seiner Idylle verloren. Aussteigen?" Er lächelte Mark an, welcher nickte und die Tür öffnete. "Ey, warte. Ich helfe dir." Der Rollstuhl war im Kofferraum, doch er hatte gemerkt, dass Mark nicht gerne in ihm saß. Doch noch war er für längere Strecken zu schwach und wenn er weiterhin so wenig essen würde, konnte es auch nicht besser werden.

Johannes wusste, dass direkt am See eine Bank stand, dort war das Ziel. Vielleicht schafften sie es auch, wenn er Mark stützte. Also lief er um den Wagen herum und reichte ihm die Hände. Sogleich ließ sich Mark hochziehen, doch er schwankte, weswegen Hannes ihn schnell in den Arm nahm.

"Schwindlig?" fragte er, hatte kurz Bedenken, dass Mark ohnmächtig werden könnte, so blass war er geworden. Dieser nickte, atmete jedoch tief ein und aus, schien sich wieder zu berappeln. Als Hannes das Gefühl hatte, dass er wieder stabil stand, nahm er ihn von der Seite um die Hüfte, während Mark den Arm auf seine Schulter legte und so gingen sie langsam auf das Seeufer zu.

Tatsächlich stand die einfache Holzbank unweit des Gewässerrandes und Hannes setzte Mark vorsichtig hin, der wieder sehr bleich wirkte und Schweißperlen auf der Stirn hatte. Schnell lief er nochmal zum Auto, um den Rucksack zu holen, in welchem er etwas zum Essen und Trinken eingepackt hatte, wollte Mark nur kurz alleine wissen.

Doch er musste lächeln, als er ihn beim Nähertreten sah, wie er mit geschlossenen Augen da saß, das Gesicht gegen die Sonne gerichtet. So entspannt hatte er ihn all die Tage nicht erlebt. Nur diese Blässe machte ihm Sorgen. Sein Hausarzt hatte vorhin bei der Untersuchung keine Bedenken geäußert, ihm gezeigt, wie er die Infusion selber an- und abstöpseln konnte, war mit seinem Zustand zufrieden.

Sobald er sich neben ihn gesetzt hatte, griff er in die Tasche und reichte ihm eine Wasserflasche. Mark ergriff sie dankend und trank auch fast die Hälfte davon auf Ex. Als er sie wieder absetzte, sah er zu Hannes, der ihn dabei beobachtet hatte und sich kurz ertappt fühlte.

"Danke dir." Es war leise gemurmelt, aber Johannes spürte, wie ernst Mark es meinte.

Er zuckte die Schultern. "Ist schon ok." Allerdings registrierte er wieder diese Schweißperlen, die sich immer mehr auf Mark's Stirn sammelten. Das gefiel ihm überhaupt nicht. "Geht's dir schon gut, Mark?"

Der zuckte leicht mit den Schultern. "Nur etwas schwindlig, nicht schlimm."

"Willst du zurück?" Hoffentlich klappte er hier nicht zusammen, sie waren von der nächsten Stadt doch etwas entfernt. Hannes musterte Mark, der den Kopf schüttelte, aber wieder die Augen schloss.

So rückte er etwas näher an ihn heran. "Jetzt erschreck mal nicht." Er legte seinen Arm um ihn und zog ihn so an sich, damit er sich mit seinem ganzen Körper an ihn lehnen konnte, was er auch geschehen ließ. So saßen sie eine ganze Weile schweigend da, bis Mark's Atemzüge gleichmäßiger und ruhiger wurden. Hannes konnte es nicht glauben, doch er war tatsächlich eingeschlafen. Wie erschöpft musste er sein...

Trotz allem konnte Hannes nicht anders, als darüber zu schmunzeln, ein warmes Gefühl machte sich in ihm breit. Er freute sich, dass Mark ihm so vertraute, er sich anscheinend wohl bei ihm fühlte, entspannen konnte. Da sein Kopf an seiner Schulter lag, eigentlich fast an seiner Brust, kitzelten ihn die kurzen Haare am Bart. Doch Hannes bewegte sich keinen Zentimeter, genoss den Moment mit ihm.

Natürlich kannten sie sich schon länger, hatten bereits öfter Musik miteinander gemacht und waren letztes Jahr gemeinsam bei 'Sing meinen Song' gewesen, doch diese Nähe zueinander war auch für Hannes neu. Und trotz der schweren Situation musste er sich eingestehen, wie froh er war, mit Mark zusammen sein zu können und dass es ihn irgendwie erfüllte.

So saßen sie einfach da und Hannes vergaß die Zeit, spürte lediglich den Körper des Freundes an seinem. Sanft strich er ihm mit seiner rechten Hand über den Arm, während er das Funkeln des Wassers im Sonnenlicht betrachtete. Wie friedlich und still hier alles war. Als gäbe es kein Leid, kein Übel in der Welt.

"Wenn ich mit etwas nicht klar komme oder nachdenken muss, geh ich gerne wandern oder spazieren. Das hilft mir meistens." Hannes hatte überhaupt nicht gemerkt, dass Mark aufgewacht war. Dennoch blieb dieser in seinem Arm liegen.

"Kann ich verstehen. Das holt einen runter." Er sah zu Mark, der auf den See blickte.

"Ich war, trotzdem ich den Erfolg genieße, immer dankbar, wie gut es mir eigentlich geht. So richtig große Probleme hatte ich glaub ich nie, also ich mein so Sachen wie Tod und Sterben oder Krankheit und so. Meine Oma halt. Aber sonst? Da war ich nie so nah dran." Mark machte eine Pause. "Ich weiß überhaupt nicht, was ich tun soll oder wie ich denken soll. Verstehst du das?"

Hannes war froh über Mark's Worte, drückte ihn einmal fest. "Natürlich verstehe ich das. Weißt du, ich glaube, das Problem ist, dass du irgendwie gar nichts machen kannst. Weil, wenn du was tun könntest, hättest du 'ne Möglichkeit, irgendwas gut zu machen. Aber in dieser Situation...man ist so hilflos."

Mark atmete hörbar ein und aus. "Du weißt, dass ich das nicht wollte? Ich würde nie jemandem schaden wollen. Aber es ist so schwer...ich fühl mich so...schuldig." Er fuhr sich mit der Hand über das Gesicht. "Es tut so weh, Hannes. Ich will gar nicht an mich denken, weil das jetzt nicht wichtig ist. Aber es tut so weh."

Mark's Stimme war zum Ende immer brüchiger geworden. Johannes war sich nicht sicher, ob er weinte, konnte es nicht sehen. Er griff jetzt mit beiden Armen um seinen Freund, hatte das Gefühl, ihn beschützen zu müssen, wollte jetzt irgendwas sagen, irgendetwas, was ihm helfen könnte.

"Wenn Max am Steuer gesessen hätte. Könntest du ihm verzeihen?"

Eine Zeit herrschte Stille, dann murmelte Mark: "Ich glaube schon."

"Siehst du? Max ist dir sicher nicht böse. Er weiß, dass du ihm nie etwas antun wolltest. Aber er würde auch nicht wollen, dass du dich jetzt hängen lässt." Er strich Mark wieder über den Arm. "Du musst dir das auch selber verzeihen, Mark. Wir alle machen irgendwann in unserem Leben einen richtig schlimmen Fehler, den wir nicht wieder gut machen können. Aber schau, jetzt weißt du, wie das ist. Das ist jetzt kein Trost, aber...vielleicht kannst du irgendwann mal anderen helfen, die auch in so einer Situation stecken. Das hast du ganz sicher nicht umsonst erlebt."

Hannes spürte, dass Mark nickte und dann schwer aufseufzte. Er hielt ihn noch fester, wusste aber, dass er ihn um keinen Preis allein lassen konnte, egal, wie hart es noch werden würde.



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