Mark's POV
Gleich, nachdem Hannes und Nitti gegangen waren, legte sich Mark erschöpft wieder hin und klingelte nach der Schwester. Es war besser gewesen, dass er nicht mitgegangen war. Hannes Blick und seine Unsicherheit hatten ihm wehgetan, das hätte er nicht länger ausgehalten.
Er ahnte, dass Hannes mit einem schlechten Gewissen kommen würde, hoffte, es würde ihm leichter fallen, wenn er selber lustig wäre. Aber das Gegenteil war der Fall gewesen. Und nun lag Mark da und konnte selbst kaum damit umgehen, war hin- und hergerissen zwischen Verständnis und Verzweiflung.
Kurz wurde er aus seinen Gedanken gerissen, als eine nette kleine Schwester ins Zimmer trat und nach seinem Wunsch fragte.
"Ähm, könnte ich noch einmal so eine Tablette haben? Also die, die ich gestern bekommen habe? Die hat richtig gut getan." Einerseits hatte sie zwar sehr müde gemacht, aber auch die Gedanken zum Stillstand gebracht, die ständig in seinem Kopf herumgeisterten und ihn teilweise wahnsinnig machten. Das bräuchte er jetzt, würde ihm gut tun.
"Da muss ich den Doktor fragen." meinte sie nur und ging wieder hinaus.
Er wollte es nicht vor seinen Freunden erwähnen, da diese sich nur wieder Sorgen gemacht hätten, aber so könnte er dann einfach ein wenig schlafen und nichts denken. Deshalb hatte er sie auch gebeten, zu gehen, weil er müde wäre.
Zudem war morgen die Pressekonferenz, da sollte er fit sein. Nitti hatte gemeint, dass Esteban ihm eine Stellungnahme zukommen ließe, die er durcharbeiten solle. Das wäre nicht möglich, wenn seine Gedanken ständig herumkreisten und er sich nicht konzentrieren könnte.
Es klopfte und der Arzt kam herein, trat ganz nah zu ihm. "Herr Cwiertnia, ich habe Ihnen doch bereits heute Morgen erklärt, dass es lediglich für den Bedarf gedacht ist und nicht als regelmäßige Gabe."
Mark nickte, wusste ja, was er meinte. Und schließlich hatte er es auch bis jetzt ohne geschafft, hatte nicht mal einen Gefühlsausbruch bekommen, als Hannes so abweisend war, trotz diesem herben Zwicken in der Brust. Doch nun so allein war alles in ihm in Aufruhr, er spürte, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis er sich wieder nicht mehr beherrschen konnte. Zu weh tat alles, was so auf ihn einprasselte.
Er beschloss also ehrlich zu sein. "Ich habe morgen eine öffentliche Stellungnahme abzugeben, wegen dem Unfall. Und ich...ich..." Mit dem Blinzeln der Augen versuchte er die aufkommenden Tränen zu unterdrücken. "Ich weiß nicht...wie ich das schaffen soll..." Das mit Hannes brauchte er nicht zu wissen.
Der Arzt legte ihm eine Hand auf die Schulter. "Gut. Ich werde Ihnen jetzt eine Tablette geben, aber nur, damit Sie schlafen können. Morgen werden Sie von mir etwas anderes bekommen, ja? Das macht dann nicht ganz so müde. Sie werden das durchstehen, aber ich würde Ihnen dennoch dringend empfehlen, sich mit einem Therapeuten in Verbindung zu setzen. Viele Menschen kommen bei so einem Trauma nicht alleine mit zurecht und benötigen psychologische Unterstützung. Das ist keine Schande. Denken Sie darüber nach."
Er holte ein Döschen aus seiner Tasche, öffnete sie und schüttete Mark eine Tablette davon in seine Handfläche. Kurz wartete er noch, bis Mark sie eingenommen hatte, dann verabschiedete er sich und ging hinaus.
Mark war zufrieden. Er wusste, dass er bald müde werden würde und dann wären auch die Gedanken weg. Diese kreisten wieder zu Max, aber auch ganz intensiv zu Hannes und zu dem morgigen Tag, und während der Schmerz in der Brust dafür sorgte, dass leise Tränen über seine Wangen liefen, schlief er ein.
Es dämmerte, als er langsam wieder wach wurde. Ob abends oder morgens war ihm nicht so klar. Aber er hatte von Nati geträumt, hatte ihre Stimme gehört und gefühlt, wie sie ihm über den Kopf gestrichen hatte. Bei dem Gedanken musste er lächeln.
Sein Kopf fühlte sich leicht benebelt an, aber das war egal, Hauptsache, er hatte geschlafen und nichts gedacht. Als er an sich hinuntersah merkte er, dass er immer noch seine Kleidung trug. Vielleicht sollte er sich ein wenig frisch machen.
Vorsichtig tapste er Richtung Bad, hielt sich dabei an allem fest, was er greifen konnte und fand dort tatsächlich Handtücher vor. Also beschloss er, zu Duschen.
Da die Bäder behindertengerecht waren, konnte er dabei sitzen, was auch nötig war, und er versuchte, die Verbände nicht mit Wasser zu bespritzen. Dass wohlige Nass tat ihm so gut.
Wieder angezogen fiel der Rückweg zum Bett etwas schwerer, auch wurde ihm wieder schwindlig, doch als er endlich saß, bemerkte er die Zettel auf dem Nachtkästchen. Er griff nach ihnen und erkannte, dass es die Stellungnahme von Esteban war.
War doch jemand hier gewesen?
Sofort sah er auf sein Handy, es war morgens, fast halb sieben. Da hatte er aber lange geschlafen, fast sechzehn Stunden. Was wohl an der Tablette gelegen hatte. War ja auch egal. Versäumt hatte er nichts, was hätte er auch sonst machen sollen?
Er las sich die Zeilen durch, blieb an manchen Passagen hängen. 'möchte ich mich bei allen Beteiligten entschuldigen, die aufgrund dieser schrecklichen Situation', 'Leidensweg, den ich zutiefst bedauere'...was für eine gestelzte Wortwahl. Er wusste ja, dass es für die Presse einfacher war, unpersönliche Worte zu veröffentlichen, da diese keine Möglichkeit der Interpretation zuließen, aber das war nun wirklich nicht so seins.
Bis 16 Uhr hatte er noch viel Zeit. Und sie hatten nichts ausgemacht. Würde er jetzt abgeholt werden oder sollte er ein Taxi nehmen? Ging aber nicht, er hatte ja kein Geld.
Wieder nahm er sein Handy in die Hand. Aber konnte er Hannes überhaupt anschreiben? So unsicher, wie er nach dem Kuss gewesen war, schien ihm das keine gute Idee zu sein. Wusste Anna davon? Hannes war normalerweise immer ehrlich, offene Worte in einer Beziehung waren für ihn das A und O.
Vielleicht war es Anna auch nicht recht, wenn sie Zeit miteinander verbrachten nach dem Kuss. Der nicht geschehen wäre, wenn es ihn nicht gäbe. Irgendwie brachte er den Menschen um sich herum kein Glück. Im Gegenteil. Was, wenn wegen ihm die Beziehung zwischen Hannes und Anna zerbrach? Wegen einem Kuss, der nicht geschehen wäre, wenn er nicht den Unfall...
Er seufzte auf.
So blieb er einfach sitzen, bis irgendwann eine Schwester mit dem Frühstück kam. Sie war noch ganz jung und hatte ihn offensichtlich erkannt, schien vollkommen durcheinander, was ihn amüsierte.
Schnell verließ sie wieder das Zimmer und Mark trank erstmal von dem Kaffee. Der gut tat. Dann schmierte er das Brot, obwohl er keinen Hunger verspürte. Aber er musste aufrecht zu dieser Pressekonferenz gehen, da brauchte er Kraft, und irgendwie wollte er Hannes nicht bitten, ihm zu helfen, der ihn die letzten Tage so unterstützt, ihm so beigestanden hatte, wollte ihn nicht zwingen, ihm so nah zu kommen, wenn es ihm doch offensichtlich so schwer fiel.
Es tat weh, dass dieser Kuss sie nun so auseinandergebracht hatte. Wie sehr wünschte er sich, dass er bei ihm wäre, aber nun?
Nein. Mark schnaufte laut auf. Er hatte den Unfall verursacht, er allein. Es war sein Problem und nur seines, da sollte er niemanden mehr mit hineinziehen. Das musste er alleine schaffen. Ohne Hilfe. Der Arzt sprach ja von einer anderen Tablette, die ihm helfen würde. Das wäre ja gut. Und dann konnte er sehen, was passiert.
So aß er vor sich hin und wartete auf den Arzt, der irgendwann kommen würde.
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Fate
FanfictionWenn das Schicksal einen herausfordert, emotional durcheinanderwirbelt, man nicht mehr weiß, wo man steht, wer man ist. Das muss Mark Forster am eigenen Leib erfahren, lernen, mit Gefühlen und Gedanken umzugehen, die ihn zermürben und niederschmett...