Mark's POV
Er hörte Geräusche und öffnete die Augen. Es war noch dunkel. Nur die Straßenlampen warfen ein bizarres Licht in den großen Raum, ließen schemenhaft die einzelnen Möbelstücke erkennen.
Mark setzte sich seine Brille auf und blinzelte Richtung Gang, von wo er diese scharrenden Geräusche vermutete. Als würde jemand etwas suchen. Warum dieser jedoch kein Licht angeschaltet hatte? Merkwürdig.
Er setzte sich hin und beschloss, der Sache auf den Grund zu gehen, da es doch irgendwie unheimlich war. Vorsichtig stützte er sich an der Lehne ab und versuchte aufzustehen. Seine Beine waren schwach, aber es ging, also tastete er sich langsam um das Sofa herum und tippelte mit zaghaften Schritten zur Tür, die in den Gang führte.
Dort lehnte er sich kurz gegen den Rahmen, musste verschnaufen.
Er sah in den Flur, aber dort war alles verwaist. Trotz Dunkelheit konnte er erkennen, dass sich niemand hier aufhielt.
Hatte er sich geirrt?
"Hallo Mark."
"Ahhh!" Sein Herz setzte aus. Erschrocken wandte er sich um. Diese Stimme kannte er.
Entgeistert sah er ihn an. "M..M...Max..." stammelte er, zitterte am ganzen Körper. "Was machst du hier?" Er konnte es nicht glauben, wie kam er hier her?
Der Angesprochene zuckte mit den Schultern, lächelte ihn an. "Ich suche mein Leben" meinte er knapp. "Ich hab es irgendwo liegen lassen. Hilfst du mir, es wiederzufinden?" Er lächelte immer noch, kam näher und tätschelte ihn an der Schulter...
"Mark, wach auf! Komm' schon." Hannes. Wieso Hannes? Wo war Max?
Er riss die Augen auf, keuchte schwer und sah in Johannes' betrübte Augen. "Wo ist Max?" Verzweifelt blickte er sich um, doch sie waren allein.
"Pscht." machte Hannes, strich ihm über den Arm. "Er ist nicht da."
"Doch!" Mark richtete sich schweißgebadet auf, konnte das nicht glauben. Er hatte ihn doch gesehen. "Er war hier." Aber wieso lag er wieder auf dem Sofa? Langsam registrierte Mark, dass es bereits hell war und er wahrscheinlich geträumt hatte. Dennoch spürte er Panik in sich aufsteigen. "Ich muss zu Max" stammelte er und sah Hannes bittend an. "Bitte, lass uns zu Max gehen." Angst ergriff ihn. Er musste wissen, wie es Max ging, hatte ein ungutes Gefühl.
Hannes setzte sich zu ihm. "Wir können ja nachher, wenn die Schwester und der Doc da waren..."
"Nein! Jetzt!" rief Mark und er spürte, wie er zitterte. Eindringlich sah er Hannes an, nahm dessen Hand. "Bitte. Er sucht sein Leben. Ich muss wissen, was mit ihm ist..."
Hannes nickte. "Ok, ich fahr hin. Aber du bleibst hier. Ich komme sofort zurück und sag dir Bescheid. Einverstanden?"
Mark war erleichtert, nahm Hannes sofort in den Arm. "Danke." murmelte er.
Als sie sich lösten, ging dieser aus dem Zimmer, kam wieder, zog sich seine Jacke an und lächelte ihn aufmunternd an. "Du drehst aber nicht durch. Versprich' mir das."
Mark nickte. "Versprochen."
Johannes' POV
Er wusste zwar, dass Mark nur geträumt hatte, doch auch, dass er sich ohne Beweis nicht mehr beruhigen würde. Leider würden sie keine Informationen über das Telefon erhalten und Max' Mutter durfte nichts in das Krankenzimmer mitnehmen. Hoffentlich war sie überhaupt dort. Es war noch ziemlich früh und irgendwann musste sie sich auch ausruhen. Mit Yannik, Max' Bruder, hatte er keinen Kontakt, dieser lebte auch nicht in der Nähe.
Mit Glück fand Johannes einen Parkplatz und lief zügig durch die schwingende Glastür und den großen Gang entlang. Als er um die Ecke kam, sah er sie stehen...und er stoppte.
Warum stand sie am Fenster und war nicht bei ihm?
Sie schien ihn zu bemerken, sah ihn an. "Johannes!" rief sie und eilte auf ihn zu. Ihre Augen waren gerötet, sie hatte geweint.
Sofort nahm er sie in den Arm und sie schluchzte an seiner Brust. Sein Herz schlug heftig. Was war hier passiert? Er wartete, bis sie sich etwas beruhigt hatte, hielt sie dann etwas vor sich und sah sie an. "Was ist los?"
Wieder kamen ihr die Tränen. "Ach, Johannes. Sein Herz...es hatte...aufgehört zu schlagen..." Sie schluchzte laut und Hannes Atem setzte fast aus, er schluckte schwer.
"Und jetzt?" Er hatte Angst vor der Antwort, hoffte, dass er gerettet werden konnte.
"Ich darf nicht zu ihm. Sie haben ihn wiederbelebt und er ist stabil...aber ich darf nicht zu meinem Jungen." Sie weinte heftiger und Hannes zog sie wieder an sich. Mark hatte es gespürt, geträumt. Ob Zufall oder nicht spielte keine Rolle. Er war geschockt.
Als die letzten Schluchzer ihre Lippen verließen und sie tief ein und aus atmete, beschloss Hannes Kaffee zu organisieren. Damit standen sie wenige Minuten später gemeinsam vor dem Fenster und sahen zu Max, der wie immer still dalag.
"Sie haben bestimmt noch nicht gefrühstückt." Max' Mutter war tapfer und, da sie ihren Sohn allein aufgezogen hatte, ihre Beziehung auch besonders eng. "Möchten Sie nicht kurz mit zu mir kommen? Ich bringe Sie auch gleich wieder her." Er lächelte sie schräg an und sie lehnte sich an ihn.
"Danke Johannes, Sie sind ein guter Junge. Aber Mark ist bei Ihnen. Ich weiß nicht, ob ich..."
"Ich bin jetzt nur hier, weil Mark geträumt hat, dass es Max schlecht geht." Er konnte einerseits verstehen, dass sie Hemmungen hatte und er wusste auch, dass sie versuchte, Mark nicht zu hassen. Vielleicht war es aber doch zu früh, ein Verzeihen zu erhoffen.
Wie erwartet schüttelte sie den Kopf. "Ich werde nachher in die Cafeteria gehen. Aber danke."
Hannes nickte, musste es akzeptieren. "Ich muss zurück. Mark macht sich Sorgen."
Sie lächelte ihn an und sie umarmten sich noch einmal, dann machte sich Johannes auf den Weg nach Hause.
Wie sollte er Mark das beibringen? Ohne, dass er wieder in ein Loch fiel. Im gleichen Atemzug, als er das dachte, ohrfeigte er sich selber dafür. Mark war bereits in dem Loch und nichts würde das ändern, ausser, Max würde aufwachen und gesund werden. Er musste jetzt lernen, dass das nun ein Teil seines Lebens war, man konnte es nicht mehr auslöschen und ungeschehen machen.
Schwer lief er die Stufen zu seiner Wohnung hoch. Nitti saß am Esstisch, hatte Frühstück gemacht und Natalie war bei Mark, das konnte er bereits vom Eingang aus erkennen.
"Hannes?" Mark klang aufgeregt.
Er ging zu ihnen in die Wohnstube und setzte sich auf die kurze Seite des L-Sofas, schräg vor Mark, der ihn erwartungsvoll, aber auch ängstlich, musterte. Nati, die neben ihrem Bruder saß, nahm sofort dessen Hand.
Hannes lächelte ihn gequält an, nickte. "Du hattest recht. Es ging Max nicht gut." Kurz überlegte er, ob er es nicht doch unterschlagen sollte, entschied sich aber dagegen. Atmete kurz tief ein. "Sein Herz hatte aufgehört zu schlagen, sie mussten ihn wiederbeleben. Aber jetzt ist er wieder stabil."
Er registrierte die entsetzten Gesichter von Natalie und Nitti, nur Mark blieb ungewöhnlich ruhig, schien nach kurzem Schock in sich gekehrt, biss sich nur auf die Unterlippe, die Augen blickten traurig und leer, dann nickte er, sah runter auf seine Hände, murmelte ein "Gut." Mehr nicht.
Johannes war erschüttert, als er Mark so beobachtete, weil es ihm in diesem Augenblick so richtig bewusst wurde. Von diesem fröhlichen, positiven Freund mit dem schelmischen Grinsen und dem Schalk im Nacken war nichts mehr zu sehen.
Es gab ihn nicht mehr.
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Fate
FanfictionWenn das Schicksal einen herausfordert, emotional durcheinanderwirbelt, man nicht mehr weiß, wo man steht, wer man ist. Das muss Mark Forster am eigenen Leib erfahren, lernen, mit Gefühlen und Gedanken umzugehen, die ihn zermürben und niederschmett...