Kapitel 46

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Nitti's POV


Wieder wartete er vor dem Gebäude auf Mark, der sich schon seit beinahe zwei Stunden in dem Studio der MAZ & More GmbH in der Stralauer Allee befand, wo das 'Sat1 Frühstücksfernsehen' aufgezeichnet wurde. Unter anderem sollte es in diesem Beitrag auch um die anstehende Tour und die Liveshows von den 'Kids' gehen. Matthias hatte er vorhin noch begrüßt, der extra nach draußen gekommen war, um ihn zu sehen. Dieser hatte versprochen es locker angehen zu lassen.

Dennoch dauerte es nach Nitti's Gefühl bereits viel zu lang, da die halbe Stunde, die man zwischen den Nachrichten anberaumt hatte, schon längst verstrichen war. Immer wieder sah er zum Eingang, wo ab und zu eine Person das Gebäude betrat oder verließ. Nur Mark war nicht zu sehen. Nachdem er wieder einmal auf und ab gelaufen war und schon nervös wurde, ging endlich die Tür auf und er kam heraus, rieb sich das Gesicht. Erleichtert atmete er auf, doch als er bei ihm ankam, lächelte Mark zwar kurz, doch Nitti spürte, dass es nicht echt war. "Ist was los gewesen?" Sofort kam Unruhe in ihm auf. "Geht's dir gut?" Mark nickte, winkte jedoch ab. "Lass uns gehen, um 14 Uhr müssen wir im Studio Adlershof sein und ich brauch' nen Kaffee."

"Mark!" kam es plötzlich vom Eingang und beide sahen sich um. Matthias Killing kam angesprungen, blieb vor ihnen stehen und fasste Mark an dessen Schulter. "Geht's wieder?" Misstrauisch blickte Nitti von einem zum anderen. "Was war mit Ihm?" fragte er langsam. Mark stöhnte kurz auf. "Nichts, alles gut, mir war nur kurz etwas komisch. Ist schon vorbei." Matthias zog die Augenbrauen hoch, was Nitti's Besorgnis nur vergrößerte. "Komisch ist gut. Ich dachte, du klappst mir zusammen." meinte er und sah zu ihm. "Er hat sich etwas hingelegt. Aber er sieht schon besser aus. Ist alles in Ordnung?" Mark nickte und gab ihnen ein Lächeln. "Mir geht's jetzt echt gut. Ich denke wirklich, dass das nur der Kreislauf war." Der Moderator deutete an, wieder rein zu müssen. "Wenn was ist, gib Bescheid." warf er ihnen noch zu und sprintete wieder Richtung Eingang.

Sofort kamen Nitti die Worte von Hannes in den Sinn bezüglich einer inneren Blutung, und Angst schlich in ihm hoch. "Ich bring dich ins Krankenhaus, das gefällt mir nicht." meinte er bestimmt. Bei Schmerzen und Schwindel hatte Hannes gesagt und Nitti konnte sich nicht erinnern, dass Mark beim Kaffee am Morgen irgendwie auffällig gewesen wäre. Doch Mark griff nach seinem Arm. "Mir geht's wirklich gut. Wenn da was wäre, würd' ich das merken. Wir haben noch nichts gefrühstückt und da drin war die Luft etwas stickig. Lass' uns einen Kaffee trinken gehen und was essen." Es beruhigte ihn nicht wirklich, dennoch nickte er nach einer Weile und sie liefen zu seinem Auto, fuhren ein paar Straßen weiter und hielten bei einem kleinen Café.

Nachdem sie sich gestärkt hatten, waren auch Nitti's Nerven wieder heruntergefahren, da Mark sehr gesprächig war und sie sich intensiv über die Vorbereitungen für die Tour ausgetauscht hatten. Es wurde auch mal Zeit, dass sie in ihr eigenes Studio kamen, um mit dem Einspielen und -singen der Setlist anzufangen. Zudem musste er mit ihm noch die letzten Akkorde von 'Genau wie du' einüben, was Mark, nur von sich am Klavier begleitet, singen wollte.

Dazwischen wurde dieser noch von ihrem Tour Manager wegen einem Problem mit einer Bühne angerufen. Obgleich die Arenen so groß waren, gab es mit der Halle in Oberhausen bezüglich der Höhe und der vorschriftsmäßigen Handhabe Schwierigkeiten, die Mark mit wenigen Anrufen klären konnte. Nun hatte er wiederum Manuel Owono am Apparat, um grünes Licht zu geben. Für diese kleine zweite Bühne, die innerhalb der Halle aufgebaut werden würde, hatte er nun eine Ausnahmegenehmigung, wenn ohne Pyrotechnik gearbeitet wurde, was ja kein Problem war. Für Nitti das Zeichen, dass Esti alles freigegeben hatte für die Tour.

Er sah auf sein Handy. Jetzt müssten sie langsam los. Das Studio Adlershof war doch eine Ecke entfernt und zu spät sollten sie dort nicht erscheinen. Esteban würde dort warten. Er deutete Mark an aufzustehen, ging derweil an die Theke zum Zahlen und gemeinsam liefen sie aus dem Café und zum Auto. Nun war auch das Gespräch beendet und Mark sah ernst zu ihm, während er sich anschnallte. Nitti hielt inne und wartete, ob Mark etwas sagen würde. Doch dieser sagte nichts, lächelte nur kurz. Er lächelte zurück und fuhr dann los.

Für die Strecke brauchten sie eine geschlagene dreiviertel Stunde und als sie ankamen stand Esti schon an der Tür. Für Nitti war es selbstverständlich bei solchen Meetings dabei zu sein, weshalb er nach dem Parken gemeinsam mit Mark zügig zum Eingang schritt. Eine Begrüßung zwischen ihnen fand jedoch quasi nicht statt, da Esteban das "Hallo" von Mark offensichtlich ignorierte und, ohne ein Wort zu wechseln, voraus in das Gebäude lief. Nitti schüttelte mit dem Kopf, konnte das Verhalten von ihm nicht verstehen und auch kaum selber ertragen, doch Mark lächelte ihn nur an und nahm ihn am Arm, um hinterherzugehen.

In einem der Konferenzräume waren bereits mehrere Menschen anwesend und Nitti war überrascht, als er den Geschäftsführer von Talpa, Karsten Roeder, erkannte, der dem Treffen anscheinend persönlich beiwohnen wollte. Sie liefen zu ihm und begrüßten sich. Dann bat der Chef alle sich an den Tisch zu setzen.

"Mark, schön, dass Sie gekommen sind." fing er an und sah Mark dabei direkt an, jedoch wanderte der Blick auch immer wieder zu Esteban, der auf seiner Lippe kaute und nervös schien. Ein ungutes Gefühl erfasste Nitti. "Ich freue mich, dass es Ihnen besser geht und wir Sie bald in der Liveshow von den 'Kids' wiedersehen." Puh, dann war das wenigstens geklärt. "Aber wir sind natürlich nicht hier, um über die jetzige Show zu sprechen, wir müssen ja vorausschauend planen und ihr Management hat uns schon signalisiert, dass Sie unseren Gedanken und Entscheidungen aufgeschlossen gegenüberstehen."

Welchen Entscheidungen? Der Geschäftsführer von Talpa fuhr fort. "Wir hoffen alle sehr, dass sich der Zustand von Max bald in Wohlgefallen auflöst und es auch ihm wieder besser geht, jedoch hängt diese Situation noch eine Weile über Ihnen, Mark. Sie haben durch Ihr öffentliches Auftreten die Meinungsbildung wieder auf eine grundlegend positive Basis gehoben, jedoch wird bei einer zu erwartenden gerichtlichen Anhörung alles wieder in den Medien erscheinen. Deshalb haben wir uns mit Ihrem Manager darauf verständigt, bis auf Weiteres Ihre Teilnahme bei weiteren Staffeln der 'Kids'auszusetzen."

Nitti war geschockt. Das war doch sein Baby, seine große Freude in diesem Business, mit den Kindern so eine Show zu machen. Fünf Staffeln hatte er das Fähnchen der Freude hochgehalten und mit einem Mal soll alles vorbei sein? Er sah zu seinem Freund, dem alle Farbe aus dem Gesicht gewichen war und der nur stumm nickte. Was jetzt wohl in ihm vorging...

"Das soll kein Ende sein, Mark, verstehen Sie bitte. Aber wir müssen uns auch nach den öffentlichen Gegebenheiten orientieren. Momentan ist deshalb alles schwierig. Über Ihre Mitarbeit bei 'Voice of Germany' wurde beispielsweise noch nichts entschieden. Da warten wir den 21.04. ab und die Reaktion darauf. Herr de Alcázar hat uns Ihre Zustimmung gegeben, dass wir frei entscheiden können und eine weitere Zusammenarbeit, sollte sie stattfinden, dann einfach wieder neu verhandeln."

Es war ein Rauswurf. Nach den vielen Jahren warfen sie Mark aus dem Geschäft...und Esteban hatte es gewusst, und nichts gesagt. Das restliche Gerede bekam Nitti nicht mehr mit. Zu aufgeladen war er. Immer wieder fiel sein Blick zu Mark, der einfach dasaß, zuhörte und ab und an nickte. Irgendwann war alles vorbei und die Herren standen auf und gingen.

Nachdem alle den Raum verlassen hatten, sah Nitti fassungslos zu seinem Freund, der immer noch still und in sich gekehrt dasaß. Seine Gesichtsfarbe glich weiterhin einer Wand und er musste schlucken. Dann erhob sich Mark plötzlich, blickte kurz zu ihm und ging Richtung Tür hinaus. Nitti richtete seine Augen noch einmal auf Esteban, der ebenfalls noch da geblieben war und nun doch etwas betreten wirkte, doch Mitgefühl verspürte er für ihn nicht. Schnell ging er Mark hinterher und sah ihn im leeren Gang an der Wand gelehnt stehen, traurig nach unten sehend.

"Hey." Nitti klopfte ihm vorsichtig gegen die Schulter, wusste nicht, was er sagen sollte. "Komm', wir gehen." war das Einzige, was ihm mit einem Kloß im Hals über die Lippen kam. Mark nickte, stieß sich von der Wand ab, wollte wohl einen Schritt laufen und taumelte plötzlich, stützte sich schnell an der Wand ab. Doch bevor Nitti erschrocken eingreifen konnte, fasste Esteban nach ihm, der nun auch bei ihnen stand, doch Mark entzog sich ihm kraftlos, wandte den Kopf von ihm ab und Nitti konnte sehen, wie ihm eine Träne über die Wange lief. Wütend und enttäuscht sah er zu Esteban. Was hatte er mit seinem Freund gemacht? Er konnte es nicht verstehen.

Diesen entschuldigenden Blick, den Esti nun zeigte, wollte Nitti nicht mehr sehen. Also nahm er Mark vorsichtig am Arm und ging mit ihm langsam zum Ausgang und ans Auto. Sie mussten weg von hier, einfach nur weg.

FateWo Geschichten leben. Entdecke jetzt