Kapitel 32

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Mark's POV


Mit dem Zufallen der Tür blieb Mark nachdenklich zurück.

So frustriert kannte er Esti nicht, der wirklich nicht mehr zu wissen schien, was er noch machen konnte. Dass er als Lösung die Kapitulation vorschlug, zeigte deutlich, wie katastrophal die Situation wirklich war.

Dabei waren sie ein prima eingespieltes Team, in welchem er eigentlich immer darauf bedacht war, nur das Beste für ihn umzusetzen. Mark selber wollte auch nie einfach nur die Marionette eines Managements sein, hatte Mitspracherecht in allen Bereichen, bestand auch darauf. Und dennoch, wie oft hatte Esti ihn aus einer Situation gerettet, in welche er sich unbedacht hinein manövriert hatte und erst im Nachhinein, beim Durchsprechen, das Problem, das dadurch entstanden war, wahrgenommen.

So erinnerte er sich an dieses Interview über die Entstehung eines Songs, als er locker über die beteiligten Personen berichtet hatte. Erst Esteban hatte ihn dann auf die wahre Intention dieser Fragen hingewiesen und es musste komplett zurückgezogen werden, um niemanden der erwähnten Namen in Schwierigkeiten zu bringen. Trotz der massiven Kritik der schreibenden Presse, er hätte dieses stillschweigende Recht, ein Interview zu kürzen, durch die vollständige Verweigerung missbraucht.

Immer hatte Esti eine Lösung parat. Und nun? Jetzt war es seine Schuld, dass sein Manager so an seiner Grenze war. Und mit einem hatte er auch so recht, Verlässlichkeit war etwas anderes.

Kurz seufzte er auf, spürte die Blicke der anderen auf sich. Eigentlich war er müde und daher auch nicht wirklich in der Lage, klar zu denken. "Das werden wir verhindern." Nitti schien immer noch fassungslos, doch Mark konnte nichts Passendes erwidern. Schließlich hatte er in den letzten Tagen selber oft das Gefühl gehabt, alles hinschmeißen zu wollen, weil er sich zu leer und hoffnungslos empfunden, den Sinn und die Kraft verloren hatte. Weil die Schuld, Max so verletzt zu haben, ihn nicht mehr los ließ.

Vielleicht sollten sie einfach eine Nacht darüber schlafen...und schon wünschte er sich wieder so eine Tablette her, die seine Gedanken mit einem Schlag ausblenden würde.

Doch ein leichter Blick zu Hannes zeigte ihm, dass das keine Option war. Er würde ihn und auch die anderen nur in weitere Sorgen stürzen und dieses war sicherlich nicht das, was er wollte. Wieder für sie Dasein war sein Ziel, auch, wenn er nicht wusste, wie er das anstellen sollte. Immer noch fühlte er sich einfach so ausgelaugt und überfordert. Und Esti's Worte hatten das nicht besser gemacht.

"Mark?" Er sah zu seiner Schwester. "Was ist los mit dir? Wir reden mit dir, aber du bist so abwesend." Das hatte er überhaupt nicht mitbekommen. Lächelnd schüttelte er den Kopf. "Ich war nur in Gedanken." murmelte er, räusperte sich aber schnell und warf ein "Was habt ihr denn gesagt?" hinterher. Wenn er ihnen keinen Kummer machen wollte, musste er wenigstens aufmerksam sein.

"Wir haben dich gefragt, ob du etwas schlafen möchtest, während wir was kochen und uns dann nochmal zusammensetzen und überlegen?" Nati streichelte ihm bei diesen Worten sachte über den Rücken. Schlafen würde er gerne, aber er bezweifelte stark, dass seine Gedanken ihm Ruhe geben würden und Appetit hatte er ebenso nicht, im Gegenteil. Seit Esti's Besuch war ihm irgendwie schlecht. Dennoch nickte er. "Kochen klingt doch gut, aber schlafen muss ich jetzt nicht."

Er musste sich zusammenreißen, wenigstens seiner Schwester und den Freunden zuliebe. "Also, kann ich irgendwie helfen?" Über die überraschten Blicke musste er schmunzeln. "Ihr wisst schon, dass ich kochen kann?" Die nun lachenden Gesichter hatte er sich erhofft. Na also, ging doch. Trotz dieser latenten Übelkeit, die ihn quälte, erhob er sich und trottete zu der Küche. Er würde sich das nun nicht anmerken lassen. "Wenn ihr mir noch sagt, was es gibt, dann fang ich an."

Hannes war ihm wohl gefolgt, stand plötzlich neben ihm. "Wir dachten an Pasta und Salat." Mark lächelte ihn an und meinte nur: "Ich kann leckere Soßen." Dafür erntete er ein fröhliches Grinsen. "Dann sag an, was du brauchst, ich mach die Nudeln und Nati den Salat."

"Das war mir ja klar." Nun kam Natalie auch zu ihnen und gemeinsam fingen sie mit dem Zubereiten an. Es tat Mark gut, einfach nur Zwiebeln zu schneiden und anzubraten. Dann enthäutete er Tomaten, gab diese dazu, löschte das Ganze mit etwas Wein ab und ließ es vor sich hin köcheln.

Währenddessen gingen seine Gedanken immer wieder zurück zu Esteban's Aussagen. An der Organisation und Durchführung einer Tour dieser Größenordnung waren so immens viele Leute beteiligt. Kaum einer hätte bei einer solch kurzfristigen Absage die Möglichkeit, einen neuen Job oder, als Veranstalter, einen Hauptact zu finden, der den finanziellen Verlust ausgleichen könnte.

Alleine diesen Menschen zuliebe müsste er die Tour eigentlich durchziehen. Egal, wie. Es waren doch nur grobe zwei Stunden, die er durchhalten müsste. Und Nitti hatte recht, bis in drei Wochen hatte er sich doch wohl wieder so erholt, dass er etwas umherhopsen könnte. Körperlich wenigstens.

Er ging ein paar seiner Lieder durch, spürte sofort den Kloß im Hals, wenn er an sie dachte. Warum nur fiel es ihm so schwer, an Musik zu denken? Am Klavier hatte es ihm Überwindung gekostet, auch nur einen Ton zu spielen. Mark schüttelte über sich den Kopf. Eigentlich wusste er schon, was es war, wollte sich das nur nicht eingestehen. Er hatte einfach Angst. Angst vor seinen Gefühlen, die er nicht im Griff hatte zur Zeit.

Seine Gedanken wanderten wie so oft zu Max. Und sofort war da diese Furcht, dass ihm etwas passieren könnte? Ein eiskalter Schauer erfasste ihn, ließ ihn erzittern und ihm wurde nun doch so dermaßen übel, dass er sich umdrehte, "Ich geh' kurz zur Toilette." murmelte und so schnell und unauffällig wie es ging ins Bad hetzte. Sobald er dort war und den Deckel angehoben hatte, musste er sich auch schon übergeben. Viel war es nicht, was kam, hatte er doch seit dem Frühstück nichts mehr gegessen, dennoch dauerte es eine ganze Weile, bis der Würgereiz endlich abebbte und Mark sich erschöpft auf den Fußboden fallen ließ. Mit dem Kopf lehnte er sich gegen die Fliesen und versuchte seine Atmung zu beruhigen.

Er musste zusehen, dass er wieder zurück in die Küche kam, sonst würden sie sich Sorgen machen. Wahrscheinlich hatte er schon viel zu lange hier verbracht. Also stand er schwankend auf, lehnte sich mit geschlossenen Augen noch einmal gegen die Wand und merkte zufrieden, wie er doch ruhiger wurde.

Schnell betätigte er die Spülung und spülte am Waschbecken noch seinen Mund aus. Jetzt konnte er wieder zu den anderen, die hoffentlich nichts davon bemerkt hatten.

Mit einem letzten Seufzer wandte er sich also ab und erstarrte, blickte in das erschrockene Gesicht von Hannes, der im Türrahmen stand.

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