Johannes' POV
Es war angenehmes Vorfrühlingswetter und sie spazierten etwas im Hirschpark umher. Um diese Zeit waren wenige Menschen unterwegs und so blieben sie wahrscheinlich unentdeckt. Nitti und er trappten Mark und Nati hinterher, die Händchen haltend voraus liefen, wobei Mark das Tempo bestimmte.
"Mir ist das Herz so in die Hose gerutscht, als Nati diesen Ausspruch mit dem Bruder von sich gegeben hatte." Nitti schüttelte den Kopf, doch Hannes war es nicht anders gegangen. Er hatte nicht geglaubt, dass Mark das Lied wirklich spielen könnte, hatte ihn schon vor seinem geistigen Auge voller Verzweiflung aus dem Fenster stürzen sehen bei Nati's Abgang. Oder ihn zumindest vor anderen Dummheiten bewahren müssen. "Das hätte echt in die Hose gehen können." Hannes würde sie sicher noch fragen, ob sie sich der Situation schon bewusst gewesen war.
Sie horchten auf, als Mark vor ihnen laut lachte und seine Schwester in die Seite boxte. Er sah spontan zurück, wobei er leicht schwankte, und zeigte auf Nati. "Vielleicht wäre es doch besser, ich geb' sie ab. Will sie jemand von euch haben, kostet auch nicht viel. Schnäppchen." Diesmal bekam er einen Schlag auf den Arm.
Lachend liefen sie weiter und Hannes fühlte sich einerseits froh, genoss diesen schönen Augenblick, konnte die Anspannung allerdings noch nicht ablegen, die ihn seit ihrem Aufenthalt im Studio ergriffen hatte. Es hatte ihm weh getan, als Mark das Lied von Max gespielt und gesungen hatte, er hatte spüren können, wie schlimm das für ihn gewesen war. Und auch jetzt sah er trotz eigentlich guter Stimmung einfach nur fertig aus.
Plötzlich schwenkten die zwei vor ihnen nach rechts ab und auf eine Bank zu und Nati rief "Pause!". Beim Hinsetzen ergab es sich automatisch, dass Hannes neben Mark Platz nahm, den er unwillkürlich in seinen Arm zog und der sich auch sofort an ihn lehnte. Als Hannes das bewusst wurde, musste er schmunzeln und doch wollte er nichts daran ändern, genoss die Nähe zu seinem Freund.
Die halbe Nacht hatte er gegrübelt, was er tun könnte, um Mark eine weitere Gabe von Medikamenten zu ersparen. Denn auch sein Hausarzt hatte gemeint, dass es eventuell nicht ohne ginge, wenn er innerhalb der nächsten Wochen emotional stabil auf Tour gehen wollte. Wobei Hannes momentan nicht sicher war, ob das überhaupt klug war nach dem Auftritt vom Vortag.
"Du denkst zu viel." murmelte Mark in die Stille. Als Hannes seinen Kopf etwas drehte konnte er das Schmunzeln in seinem Gesicht erkennen und dass er ihn musterte. Er liebte dieses Lächeln und die Wärme, die es verbreitete. Aus den Augenwinkeln sah er, wie Nati und Nitti in Richtung des kleinen See gingen, der etwas entfernt war. Wahrscheinlich wollte er sie auch wegen vorhin löchern.
"Was geht nur in deinem Köpfchen vor sich?" machte Mark weiter und das Schmunzeln wurde zu einem Grinsen. Wie er das vermisst hatte und wie froh er sich fühlte, dass Mark es gerade ihm schenkte. Er musste über seine Gedanken den Kopf schütteln, dennoch wanderte sein Blick wieder zu seinen Lippen. Sie waren so weich gewesen, das wusste er noch.
Plötzlich stieg dieses Begehren in ihm hoch und so sehr er auch versuchte es zu unterdrücken, es ging nicht. "Ähm." machte er. Sollte er wirklich? Mark sah ihn direkt an, hauchte ein "Ja?", doch das machte es augenblicklich auch nicht besser. Hannes räusperte sich, wollte mutig sein. "Darf ich dich küssen?"
Mark lächelte, setzte sich etwas auf und blickte ihm in die Augen. "Joa." Dann beugte er sich etwas vor und legte Hannes seine Hand auf die Wange. Sachte, ganz sachte berührten Mark's Lippen Hannes seine, der diese leichte Liebkosung in sich aufsaugte. Vorsichtig bewegte auch er jetzt seine Lippen gegen die von Mark, die so zart waren...
"Das ist gruselig, wie du mich so anstarrst." Hannes schreckte von Mark's Worten auf und sah ihn verwirrt an. Was war das gewesen? Er musste schlucken. Das hatte er sich doch nicht wirklich vorgestellt? Er spürte, wie Hitze in ihm aufstieg und sah beschämt auf die Seite.
"Was auch immer du gedacht hast, es ist alles gut." Hannes konnte das leichte Lachen in den Worten vernehmen und Mark legte den Kopf wieder an seiner Schulter ab. Erleichtert, dass er nun die Röte, welche höchstwahrscheinlich sein Gesicht zierte, nicht wahrnehmen konnte, bemerkte er auch, wie sein Pulsschlag sich Gott sei Dank langsam wieder normalisierte.
Dennoch war er verwirrt. Warum hatte er gerade geträumt, dass er Mark küssen würde? Hatte er so ein Verlangen nach ihm? War es doch mehr als Freundschaft? Obwohl er am Morgen seine Anna so leidenschaftlich verabschiedet hatte, dass er dachte, dieses Thema wäre irgendwie vorbei. Und nun? In was hatte er sich da wieder hinein manövriert.
Natalie und Nitti kamen zurück und ihren Gesichtern nach zu urteilen hatten sie über das Thema gesprochen, da Nati irgendwie betreten wirkte. "Wir sollten langsam zurück gehen." Nitti schien versucht locker, doch irgendetwas bedrückte ihn. "Esteban hat geschrieben, möchte nachher kommen, mit dir reden." Er sah zu Mark, der dann zustimmend nickte. "Trifft sich ja gut, wollte ich doch auch."
Also löste er sich aus Hannes' Arm und stand auf. "Bin bereit." Langsam gingen sie wieder zurück in Richtung Parkplatz. Plötzlich spürte Hannes jemanden an seinem Ärmel zupfen. Nati hielt ihn zurück, hing sich dann bei ihm ein und vergrößerte ein wenig die Distanz zu den Vorauslaufenden.
"Tut mir leid wegen vorhin." säuselte sie. "Ich war nur so sauer und verletzt, weil ich das Gefühl hatte, dass er zu macht. Weißt du, das ist nicht schön, wenn dein eigener Bruder anscheinend so wenig Vertrauen zu dir hat, um seine Probleme mit dir zu teilen. Ich hatte wirklich das Gefühl, ihn irgendwie zu verlieren, verstehst du das?" Das verstand Hannes nur zu gut und nahm sie seitlich in den Arm. "Aber ich glaube, es hat ihm doch geholfen. Danke." Er meinte, was er sagte, auch, wenn er diesen Tag mit seinen Auf und Ab's lange nicht vergessen würde.
Während der Autofahrt war es still zwischen ihnen, auch, weil Mark ziemlich direkt eingeschlafen war und niemand ihn aufwecken wollte. Hannes freute sich darüber, da es ohne Gabe eines Medikaments geschehen und dadurch sicherlich auch erholsamer war. Dennoch wanderten seine Gedanken wieder zu seiner Tagträumerei und dem Kuss, der sich so real angefühlt hatte.
Als sie in seine Straße einbogen, konnten sie sehen, dass Esteban bereits auf sie wartete. Er lehnte gegen sein Auto, die Arme vor dem Körper verschränkt, den Blick ernst nach unten gerichtet. Nitti beugte sich nach vorne. "Das sieht nicht wirklich gut aus." murmelte er. Hannes nickte, parkte ein und sah zu Mark, der sich eigentlich erholen sollte.
Der Tag war noch nicht zuende. Und Mark's Manager sah nicht so aus, als würde er gute Nachrichten bringen.
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Fate
FanfictionWenn das Schicksal einen herausfordert, emotional durcheinanderwirbelt, man nicht mehr weiß, wo man steht, wer man ist. Das muss Mark Forster am eigenen Leib erfahren, lernen, mit Gefühlen und Gedanken umzugehen, die ihn zermürben und niederschmett...