Mark's POV
Bevor er zu Max durfte, musste er sich erst untersuchen lassen. So lag er nun oberkörperfrei auf der Liege im Behandlungszimmer und wartete auf den Arzt.
Hannes stand neben ihm, wirkte allerdings irgendwie ernst, nachdenklich, ließ ihn aber nicht aus den Augen, schien ihn zu mustern.
Doch gerade, als Mark fragen wollte, was mit ihm los war, kam der Arzt herein und begrüßte sie.
"Na, Herr Cwiertnia, dann wollen wir mal sehen." Er trat zu ihm und löste das Pflaster an seinem rechten Rippenbogen. Die Fäden waren noch nicht gezogen, so konnte Mark die einzelnen Knoten erkennen.
"Na, ja. Sie sollten nicht so viel Zug darauf ausüben." Er sah ihn direkt an. "Sie müssen sich mehr schonen. Das ist nur die obere Naht, die man sieht und man erkennt genau, dass sie ständig gedehnt wird. Drei Wochen sollten Sie vorsichtig sein, sonst wird die Narbe nicht sauber heilen."
Mit beiden Händen drückte er nun auf dieser Stelle und etwas darunter herum und Mark musste aufstöhnen. "Tut weh, nicht?" Mark nickte und der Arzt schüttelte mit dem Kopf. "Das ist jetzt nicht so schlimm, aber Sie sollten besser aufpassen."
Er pinselte die Narbe mit einer farblosen Tinktur ein und klebte wieder einen frischen Verband auf. "Also so möchte ich noch etwas abwarten." Er sah ihn an. "Ich sehe Sie wieder in fünf Tagen und bis dahin bitte ich Sie, kürzerzutreten. Sie können sich wieder anziehen."
Mark setzte sich hin und zog sich sein T-Shirt wieder an. Dann rutschte er vor und Hannes half ihm beim Aufstehen.
"Falsche Seite." Der Arzt saß am Schreibtisch, füllte etwas aus, sah trotzdem zu ihnen.
Mark blickte ihn fragend an, hatte nicht verstanden, was er meinte.
Der Arzt lächelte, deutete auf Hannes. "Sie müssen ihren Freund von rechts unterstützen, sonst greifen Sie direkt an die Narbe und ziehen die Haut. Das ist der Übeltäter. Außerdem tut es weh." Er stand wieder auf und reichte Mark ein Rezept, musterte ihn.
"Vor einer guten Woche lagen Sie noch auf der Intensivstation, Herr Cwiertnia. Machen Sie langsam. Der Körper braucht Zeit." Dann reichte er beiden die Hand und verließ das Zimmer.
Hannes sah ihn entschuldigend an. "Tut mir leid, ist ja wegen mir, dass es dir Schmerzen verursacht."
Mark boxte ihn in die Seite. "Quatsch! Du machst alles für mich, hab' ja auch nichts gesagt." Er zog sich seine Jacke über. "Lass uns zu Max gehen und mach' dir bloß keine Gedanken wegen mir. Ist alles gut."
Er wusste, dass sich Hannes ständig Sorgen machte und irgendwie wollte er ihm diese nehmen. Auch, wenn momentan noch nichts wirklich gut war, doch er hatte Recht. Das Leben ging weiter und er musste da durch, egal, wie schmerzhaft das war und noch werden würde.
Er hatte eine Verantwortung zu tragen, auch seinen Freunden gegenüber, die ihn so unterstützten. Also atmete er tief durch, versuchte, den Schwindel, der ihn immer wieder erfasste, zu verscheuchen und beim Gehen so wenig wie möglich in Hannes' Arm zu hängen. Irgendwann sollte die Kraft doch zurückkommen.
So gingen sie schweigend über die leeren Gänge und je näher sie dem Zimmer von Max kamen, umso mehr Unruhe spürte Mark in sich aufsteigen. Als sie aus dem Aufzug stiegen hatte sich sein Herzschlag bereits verdoppelt und ein solcher Druck auf seine Brust gelegt, dass er kaum Luft bekam.
"Warte!" Er blieb stehen, seine Knie zitterten und er merkte, wie der Schweiß aus den Poren trat. Mit geschlossenen Augen versuchte er sich zu beruhigen.
Er spürte eine warme Hand an seiner Wange. "Sollen wir gehen?"
Innerlich fluchte Mark über sich selber. Hatte er nicht gerade beschlossen Hannes seine Sorgen zu nehmen? Er musste sich zusammenreißen. "Nein." Er wollte Max sehen, das war ihm wichtig, wenn er auch sonst nichts tun konnte.
Also ging er trotz buttriger Beine weiter, und während sein Magen rebellierte, bogen sie um die Ecke. Kurz musste er schlucken, als er Max' Mutter erblickte, die sich gegen die Scheibe lehnte und welcher man den Kummer, den sie in sich trug, schon von Weitem ansah.
Noch hatte sie nicht gemerkt, dass sie hier waren, doch Mark beschlich ein mulmiges Gefühl. Er war schuld, dass es Max so schlecht ging, das würde sich nicht ändern.
Als sie näher kamen schaute sie zu ihnen rüber und Mark konnte erkennen, dass sie alles andere als erfreut war. Sie musterte ihn ernst, schüttelte dann den Kopf.
"Er soll wieder gehen." Ihre Stimme war belegt, hatte jedoch etwas Scharfes, was Mark einen Stich tief in die Eingeweide versetzte.
"Frau Giesinger..." fing Hannes an, doch sie hob abwehrend ihre Hand nach oben. "Er soll gehen! Johannes, bitte."
Mark war so schockiert, dass er kurz vergaß zu atmen. Seine ohnehin weichen Knie drohten nachzugeben und ihm wurde schlecht. Er spürte ein Zittern in sich, das immer stärker wurde.
"Bitte." murmelte er, versuchte, seiner Stimme Kraft zu geben. "Lassen Sie mich ihn nur einmal sehen. Nur einmal."
Aus ihren Augen rannen Tränen, doch sie sah ihn nur starr an. "Er ist schuld, dass mein Kind da drinnen liegt wie tot! Ich will, dass er geht!"
Jedes Wort traf ihn wie ein Messerstich.
Sie hatte ja recht. Er war schuld, an allem. Wenn Max...sterben würde hätte er nicht nur ein Leben zerstört...eine ganze Familie wäre zerbrochen...
Der Druck in ihm war kaum noch zu ertragen. Sie hatte doch recht, wie konnte er nur hierher kommen und dieser Frau so weh tun. Allein, weil er da war...weil es ihn gab...
Er hörte Hannes reden, doch es kam nicht mehr bei ihm an. Es schien, als hätte sich ein Watteschleier auf seine Ohren gelegt.
Max' Mutter litt Höllenqualen wegen ihm und er...? Er hatte die Dreistigkeit, sie zu bitten, ihn sehen zu dürfen.
Er musste weg hier, wollte ihr aus den Augen gehen, ihr seinen Anblick ersparen...also wand er sich mit aller Kraft aus Hannes' Griff. So schnell er konnte lief er auf wackeligen Beinen los, stützte sich an der Wand entlang.
Doch der Schwindel, welcher ihn erfasste, brachte ihn zum Schwanken, ließ ihn erst gegen die Wand stolpern und dann zu Boden stürzen. Hart prallte er auf, bevor ihm schwarz vor Augen wurde und er nichts mehr spürte.
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Fate
FanfictionWenn das Schicksal einen herausfordert, emotional durcheinanderwirbelt, man nicht mehr weiß, wo man steht, wer man ist. Das muss Mark Forster am eigenen Leib erfahren, lernen, mit Gefühlen und Gedanken umzugehen, die ihn zermürben und niederschmett...