Kapitel 26

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Johannes' POV


Mark wandte sich ganz zu ihm um, lehnte sich dann mit dem Rücken an die Wand, zuckte mit den Schultern. "Egal."

Hannes konnte seinen Blick nicht einschätzen, allerdings machte er, obgleich er sehr erschöpft wirkte, einen relativ gefassten Eindruck. Kurz lächelte er Mark an. "Sollen wir nach Hause gehen?" Er bemerkte die hochgezogenen Augenbrauen von Mark, der dann nur meinte: "Sollen wir?" Hannes konnte die Skepsis heraushören, also nickte er demonstrativ. "Ja."

Doch Mark sah nur nach unten, scharrte mit dem Fuß am Boden herum. "Weiß nicht."

"Willst du woanders hin? Ich kann dich überall hinbringen. Wo du willst." Hannes fühlte sich wieder so unsicher, doch dieses Mal hatte er nicht vor, davonzulaufen. Das war jetzt eine Sache zwischen ihnen und er musste sich dieser Situation stellen, egal, wie es weitergehen würde.

Wieder zuckte Mark mit den Schultern und es wurde still zwischen ihnen.

"Wir können hier auch stehenbleiben, aber sie werden nach dir suchen und bestimmt eine Erklärung wollen. Lass uns abhauen." Irgendwie musste er Mark beweisen, dass alles in Ordnung war und er hatte auch recht. Nach diesem Abgang würden sie eine Rechtfertigung erwarten, zu der er sicherlich nicht in der Lage war.

Nun nickte Mark doch, blickte mit einem fragenden Ausdruck zu ihm hoch. Hannes zeigte den Gang entlang. "Die haben bestimmt einen Hinterausgang." Ohne ein Wort setzte sich Mark in Bewegung, stützte sich dabei an der Wand ab. Hannes scheute sich, ihm zu helfen, hatte das Gefühl, es ihn allein versuchen lassen zu müssen.

So liefen sie schweigend zwei weitere Gänge entlang, wobei Hannes immer darauf bedacht war, einzugreifen, sollte Mark ins Schwanken geraten, bis ein Schild tatsächlich auf einen Ausgang hindeutete, den sie auch nach wenigen Metern erreichten. Die Sonne schien noch, als sie nach draußen traten. Es war ein Hinterhof, der mit einem kleinen Fußweg zu einer Straße führte. Kurz musste sich Hannes orientieren, meinte dann: "Ich hole das Auto und wir treffen uns hier, ok?"

Mark nickte, doch noch ehe Hannes einen Schritt tat, hielt Mark ihn zurück. "Bitte nur wir, ja?"

Hannes war überrascht, aber er nickte. "Ja, nur wir." Dann lief er außen um das Gebäude herum zu dem Parkplatz. Bevor er einstieg schrieb er Nitti, dass er bei Mark wäre und sie bitte mit dem Taxi heimfahren sollten. Er würde sich melden. Hoffentlich war es für sie okay, aber im Moment würde er alles tun, damit es Mark gut ginge.

Also fuhr er los, suchte die Seitenstraße und fand ihn an einem Pfeiler gelehnt stehen. So unbeobachtet konnte Hannes wieder diese Traurigkeit erkennen, die ihn das Herz zusammenkrampfen ließ. Er hielt neben ihm und Mark stieg zaghaft ein, lächelte kurz und sah dann auf seine Hände, die er auf dem Schoß liegen hatte und knetete. Aufmunternd legte Hannes nun doch eine Hand auf seine und suchte den Blickkontakt. "Also, du entscheidest. Wo sollen wir hin?"

"Vielleicht können wir einfach ein wenig fahren...und reden?" Es war nur geflüstert, aber Hannes hatte ihn verstanden. Er musste schlucken. Eigentlich hätte er derjenige sein sollen, der den Anfang macht, es sei denn, Mark würde über etwas anderes sprechen wollen, was er allerdings nicht glaubte. Hannes nickte und startete den Motor. Fieberhaft überlegte er, wo er hinfahren könnte, entschied sich dann für den schnellsten Weg raus aus der Stadt.

Während sie noch im Hauptverkehr mitschwammen blickte Mark nur aus dem Fenster, doch als die Straßen immer weniger befahren waren spürte Hannes, dass er beobachtet wurde.

"Warum hast du mich geküsst?" Er wusste, dass die Frage kommen würde, dennoch fühlte er sich in diesem Moment überrumpelt und sein Herz fing an gegen seine Brust zu hämmern. Was sollte er jetzt sagen? Hannes wusste, dass dieses Gespräch jetzt wichtig war für ihr weiteres Miteinander und daher sollte er genau überlegen, welche Worte er wählte. Obwohl Mark eigentlich ganz andere Probleme hatte, als den Kuss. Trotzdem, es musste geklärt werden.

Rechts von sich erblickte er den großen Parkplatz eines Sportplatzes, der von vielen Bäumen umgeben war, also beschloss Hannes spontan, das Auto dort zu parken. Er konnte sich nicht konzentrieren, wenn er gleichzeitig auf den Verkehr achten musste.

Als der Motor schließlich erstarb entstand eine unangenehme Stille, die Hannes nervös machte. Er schloss kurz die Augen, wandte sich dann Mark zu und nahm seine Hand. "Egal, wie das jetzt wird, aber ich hoffe, dass wir die Freunde bleiben, die wir sind. Ich will das hier mit dir nämlich nicht verlieren." Er seufzte. So genau wusste er eigentlich nicht, was er sagen sollte. "Ich kann auch nicht wirklich sagen, dass ich den Kuss bereue, aber er war ganz sicher nicht geplant." fing er an.

Mark hielt seinem Blick stand, doch er konnte nicht in ihm lesen, seine Gedanken nicht erkennen. Irgendwie wirkten seine Augen trüb und undurchdringlich, was Hannes unsicher machte.

Er befeuchtete seine Lippen. "Wir sind jeden Tag zusammen, Mark. Und es lässt mich nicht kalt, wenn ich sehe, wie du leidest, ganz und gar nicht." Er spürte, wie seine Emotionen anfingen hochzukochen. Das gerade eben bei dieser Pressekonferenz war wieder so ein Beispiel, was ihn innerlich zerriss.

Tief atmete er durch und fuhr fort: "Natalie hat mich darauf aufmerksam gemacht, dass ich mich dir gegenüber anscheinend so verhalte, als würde ich mehr als Freundschaft für dich empfinden." Bei diesen Worten lachte Mark auf und sah auf ihre Hände. Auch Hannes konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. "Genau deswegen." Natürlich hielt er wieder Mark's Hand und zog mit seinem Daumen unbewusst Kreise auf seinem Handrücken.

Nun drückte er Mark's Hand etwas fester. "Mark, ich weiß nicht, was das ist. Ich liebe Anna und ich habe ein Kind mit ihr. Aber vielleicht hat Nati doch irgendwie recht. Auf jeden Fall damit, dass du mir unglaublich wichtig bist und ich sehr gern mit dir zusammen bin. Ob das mehr wie Freundschaft ist...ich weiß es nicht und der Gedanke daran verwirrt mich. Ich war über den Kuss genauso geschockt wie du, das kannst du mir glauben, und ich hatte sowohl dir, als auch Anna gegenüber ein solch schlechtes Gewissen, dass ich mich unmöglich benommen habe. Ich konnte nicht mehr locker sein und hatte Angst darüber zu sprechen."

"Das hab' ich ja gemerkt, und ich wollte dich auch gerade wegen Anna nicht in eine unangenehme Situation bringen." Mark lächelte ihn verlegen an. "Du bist mir doch auch wichtig, ich hoffe, dass du das weißt. Wirklich sehr wichtig. Ohne dich würde ich das alles doch überhaupt nicht können."

Hannes war solche Worte von Mark nicht gewohnt, der überhaupt sehr selten über seine Gefühle sprach.

"Der Kuss war nicht schlimm, Hannes. Wirklich nicht." Mark lächelte immer noch. "Aber wie geht das jetzt weiter? Ich mein', wenn du nicht weißt, was es ist, was denkst du, wenn wir jetzt hier sind? Ist das ok für dich, so?"

Kurz überlegte Hannes, war froh über Mark's Worte und seine Offenheit. "Ja, ist es. Sehr sogar." Seine Anspannung fiel von ihm ab und er musste spontan lachen. "Dass ich mit dir mal über sowas spreche, hätte ich auch nie gedacht." Auch Mark musste auflachen, löste seinen Gurt und hob die Arme. "Komm' her." Er beugte sich zu Hannes, der es ihm gleich tat und nahm ihn in eine innige Umarmung. Hannes war so erleichtert, genoss die Nähe zu ihm, wusste allerdings auch, dass er sich wirklich klar über seine Gefühle werden musste.

Als sie sich lösten legte Mark eine Hand auf seine. "Ich werde aber nicht mit zu euch kommen." Hannes war geschockt. "Warum?" Er konnte es nicht verstehen, sie hatten doch eben gesprochen. Mark schüttelte den Kopf. "Das kann ich Anna nicht antun. Ich werde in ein Hotel gehen. Max' Mutter hat heute sehr schöne Worte gesagt und dort haben sie noch ein Zimmer frei."

"Du warst bei Max?" Mit großen Augen sah er seinen Freund an.

Mark nickte. "Ich wusste nicht wirklich, was ich tun sollte, aber ich wollte Max sehen. Seine Mutter hat mich dann rübergefahren." Daran hatten sie überhaupt nicht gedacht. Und Hannes hatte schon kurz den Gedanken, dass er...

"Hannes?" Mark sah wieder auf seine Hände. "Ja, Mark." "Ich möchte auch nicht, dass das mit uns kaputt geht. Aber du sagst es mir, wenn du weißt, was das für dich ist, das mit uns, ja?"

Hannes musste lächeln, nickte dann. "Ja, ganz sicher." Mit der Hand fuhr er an Mark's Wange, drehte sein Gesicht zu ihm. "Aber du gehst in kein Hotelzimmer, du kommst mit zu uns, hörst du? Und da gibt es keine Widerrede."

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