Kapitel 27

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Mark's POV


Er war schon etwas nervös, als sie in die Wohnung traten, aber zu müde, um sich zu viele Gedanken zu machen. Der Tag war anstrengend gewesen und er hoffte, nicht allzu viele Fragen wegen seinem Abgang beantworten zu müssen und dass Anna nicht wirklich sauer auf ihn war.

Doch das erste, was passierte, als er mit Hannes in die Wohnstube trat, waren die vielen Arme, die sich um ihn schlossen und ihn herzten. Alle schienen sich zu freuen, dass er da war, hatten wohl nicht mit ihm gerechnet und Mark war ziemlich erleichtert. Nati verdrückte zwar ein paar Tränen, was ihm nun doch weh tat, aber er hatte ja nicht gedacht, dass sie sich solche Sorgen machen würden, als er sich entschlossen hatte, zu Max zu gehen.

Auch Anna umarmte ihn fest, lächelte ihn offen an und gab ihm einen Kuss auf die Wange, so wie sonst auch. "Ihr kommt gerade recht zum Essen." meinte sie fröhlich und deutete auf den Tisch. Dann rief sie laut "Emil", und der Strolch kam angesprungen, stoppte aber kurz. "Marki!" lachte er und Mark ging in die Hocke, um den kleinen Mann zu drücken. "Du wirst ja immer größer." lachte er. Seit dem letzten Mal war er wieder einige Zentimeter gewachsen. Emil machte sich daraufhin ganz lang. "Ich geh' auch bald in die Schule." kam von ihm, bevor sich alle an den Esstisch setzten.

Anna übernahm das Schöpfen und reichte Mark einen ziemlich großen Teller mit Pasta. "Du siehst aus, als müsste man dich aufpäppeln." grinste sie ihn entschuldigend an. Mark musste lächeln. Er hatte einfach nicht wirklich einen Appetit, aber ihr zuliebe würde er den Teller gerne verputzen. Während sich alle auf ihr Essen stürzten, schmatzte Emil immer ein wenig, wenn er die Nudeln in den Mund sog, was Mark schmunzeln ließ, ansonsten speisten sie weitestgehend ruhig.

Erst als Nitti eine SMS erhielt und ziemlich genervt schien, was dazu führte, dass ihn alle fragend ansahen, durchbrach er die Stille und murmelte nur: "War Esti. Ist halt etwas angepisst."

Hannes sah sofort in seine Richtung und Mark fühlte sich schlecht. Es war ja seine Schuld. Er hatte Esteban sitzen lassen und bisher auch keine Ahnung, was danach geschehen war. Allerdings konnte er sich gut vorstellen, wie wahrscheinlich alle auf ihn losgegangen waren und er sich erklären musste.

Mark seufzte, legte die Gabel beiseite und spürte die Blicke, die indirekt auf ihn gerichtet waren. "Es tut mir leid." Wahrscheinlich kam es genervter rüber als beabsichtigt, aber was sollte er denn sagen? Natürlich wollte er es nicht, hatte sich fest vorgenommen, es durchzuziehen. Aber es war einfach nicht gegangen. Hannes legte seine Hand auf seinen Arm. "Es ist ok. Das muss dir nicht leid tun. Und jetzt ess weiter. Das sprechen wir nachher."

So war es, dass sie nach dem Essen auf dem Sofa saßen, während Anna die Hasennase ins Bett brachte, und Nitti Hannes von dem Tumult nach seinem Verschwinden berichtete. Er selber hörte die Worte, wollte aber eigentlich nichts wissen. "Die haben so durcheinander geschrien, dass man sein eigenes Wort nicht mehr gehört hat. Esteban hatte Mark's Verzweiflung zwar gut auf den Punkt gebracht, aber vor allem der Typ von der Zeitung am Tisch hat ziemlich Zunder gegeben. Und als Esti gemerkt hatte, dass Mark ganz weg war und nicht mehr kommen würde, ist er richtig sauer gegangen."

Schön war das für Esteban bestimmt nicht gewesen und vielleicht sollte sich Mark erklären und entschuldigen, aber das würde er sicherlich nicht heute machen. Wenigstens hatten Hannes und er geredet und sie hatten sich umarmt und gelacht, das war so wichtig für ihn gewesen. Und er hatte Max besucht. Und als es ihm kurz nicht wohl gewesen war, weil ihn alles so traurig gemacht hatte, hatte seine Mutter ihren Arm um ihn gelegt. Diese Berührung hatte ihm auch richtig gut getan. Sie war wirklich nicht mehr böse auf ihn. Und sie wollte, dass er öfter käme.

Mark trank noch einmal von seinem Wasser und seine Gedanken schweiften wieder ab zu dieser Pressekonferenz. Es waren zu viele Menschen, die ihn alle angestarrt hatten und er spürte unmittelbar wieder diesen Druck, der ihm die Luft nahm. Kein Wort hatte er über seine Lippen gebracht. Über Max sollte er etwas sagen, über Max, der so bewegungslos dalag...Mark musste schlucken, fuhr sich mit der Hand über sein Gesicht. Diese Bilder wollte er jetzt nicht mehr in seinem Kopf, sonst könnte er nicht schlafen und er war doch so müde.

Also griff er in seine Hosentasche. Eine hatte er ja noch, das wäre jetzt gut. Er holte sie raus und wollte sie gerade aus der silbernen Umantelung brechen, als er ein "Was tust du da?" vernahm. Überrascht sah er in erstaunte Gesichter. "Gib' mal her." Hannes hielt seine Hand auf, doch Mark lächelte ihn beruhigend an. "Ist nur, dass ich besser schlafen kann." Doch da Hannes seine Hand nicht zurückzog gab er sie ihm.

Dieser sah sich die Tablette an. "Lorazepam." murmelte er, nahm dann sein Handy und tippte wohl den Namen ein. Mark schüttelte den Kopf. "Ist wirklich nur zum Schlafen." Nati hatte sich weit nach vorne gebeugt, musterte Hannes. "Und? Ist es was zum Schlafen?"

Hannes brachte einen Zischlaut hervor und sah Mark ernst an. "Woher hast du das?" Er hatte geahnt, dass sie sich Sorgen machen würden. "Vom Arzt, wegen heute." Was war denn dabei, wenn er einfach ein wenig schlafen wollte, ohne diese ständigen Gedanken?

"Das ist ein Beruhigungsmittel!" Hannes schüttelte den Kopf. "Seit wann nimmst du das? Und hast du noch mehr davon?" Auch Nitti war sehr ernst geworden und Nati legte wie als Bekräftigung ihre Hand auf seine und sah ihn eindringlich an.

Mark hob beschwichtigend die Hände. "Von der hab' ich ehrlich nur noch die eine, war für vorhin und zum Schlafen. Und die ich im Krankenhaus bekommen hab' wollte er mir sowieso nicht geben, obwohl die besser waren." An den Blicken der anderen konnte er erkennen, dass seine Worte die Situation nicht besser gemacht hatten.

Seufzend stand Hannes auf und verließ den Raum.

Nati hielt Mark am Arm fest. "Warst du deshalb so weggetreten, als ich im Krankenhaus war?" Die Zettel auf dem Nachtkästchen. "Du warst wirklich da? Ich hab' von dir geträumt." Unwillkürlich musste er darüber schmunzeln, doch ihr betrübtes Gesicht ließ sein Lächeln erstarren. "Wenn es dir so schlecht geht, warum sprichst du nicht mit uns?" Sie nahm sein Gesicht in ihre Hände. "Ich will auch für dich da sein, Mark. Richtig da sein, nicht nur so nebenher. Das wollen wir alle. Aber du musst uns sagen, was in dir vorgeht."

Seine kleine Schwester. Er hatte sie so lieb. Doch was sollte er sagen, ohne, dass sie sich wieder Sorgen machen würde? Also zuckte er nur mit den Schultern. "Ist halt nicht einfach, und diese ständigen Gedanken...ich freu mich doch, dass du da bist." Doch nichts was er sagte schien sie aufmuntern zu können. Es machte ihn traurig, dass er eigentlich überhaupt nicht für sie da war. "Mark!" rief sie aus, schüttelte den Kopf. "Sei doch einmal ehrlich und sag mir, wie es dir geht!" Hatte er sie tatsächlich wütend gemacht? Er musste schlucken, das wollte er nicht.

Sie ließ seinen Arm los. "Bei dir ist echt Hopfen und Malz verloren." maulte sie und wandte sich ab, hatte Tränen in den Augen, was Mark einen heftigen Stich versetzte. Sofort nahm er ihre Hand. "Hey." Sie sah ihn so traurig an, dass er wieder schlucken musste. Und sie erwartete eine Antwort, eine ehrliche, das konnte er sehen. "Ich..." stotterte er los. "Die...Angst, um Max, und ich bin schuld, das...das...ich schaff das einfach nicht."

FateWo Geschichten leben. Entdecke jetzt