Alte Freunde

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Kapitel 16 Alte Freunde

Wie immer schließe ich den Laden um sieben Uhr abends ab, schicke Mai nach Hause, sobald sie vorne aufgeräumt hat und widme mich den Bestellungen für die nächsten Tage.

Das Radio aufgedreht, lasse ich meine Hüften schwingen, tänzel um die Kücheninsel herum und genieße den Duft des Tortenteiges. Alle drei Öfen laufen auf Hochtouren, da ich für das kommende Wochenende, Bestellungen für zwei Geburtstage und eine Hochzeit habe. Der Sommer ist auf dem Weg und das merke ich. Immer mehr Termine stehen an, immer mehr Bestellungen trudeln bei mir ein. Und meine Suche nach einer Aushilfe läuft ganz gut bisher. Die Zwillinge haben bei sich an der High School, meine ehemalige High School, fleißig Werbung für mich gemacht, außerdem habe ich eine Stellenanzeige ins Internet gestellt für Qualifizierte Konditorinnen, damit mir jemand in Zukunft auch beim Backen behilflich ist.

Alles wäre perfekt, wenn ich nicht stundenlang nachts im Bett liegen würde, ohne ein Auge zumachen zu können. Es macht mich verrückt, deshalb habe ich angefangen Nachtschichten zu schieben, damit ich wenigsten Produktiv bin.

Ich bin gerade dabei Mehl abzuwiegen, als eine Klingel ertönt. Kurz irritiert, aber schnell verstehend das es von vorne kommt, wische ich mir die Hände an meiner türkisen Schürze ab und gehe in den Laden.

Durch das Glas erkenne ich ein bekanntes Gesicht, mit dem ich um diese Uhrzeit nicht gerechnet hätte. Oder auch allgemein hätte ich nicht mit Anthony gerechnet, der nach meiner gemeinen Ansprache nochmal Kontakt zu mir sucht.

>> Hey. << Meine ich, ziehe die nicht verschlossene Glastür auf, wobei das Glöckchen über uns ertönt. Anthony grinst mich an, während er sich an seinen Oberschenkeln abstützt und schwer am Atmen ist. Vermutlich war er wieder joggen.

>> Ich habe das Licht aus der Küche gesehen und dachte mir, dass du noch da bist. << Erklärt er, was aber nicht erklärt wieso er dann klingelt. Also nicke ich nur, überlege ob ich ihn rein lassen soll.

>> Möchtest du etwas trinken? << Frage ich ihn, trete zur Seite damit er rein kann. Er bedankt sich und nimmt das Angebot an. Gemeinsam laufen wir nach hinten, wo ich ihm ein Glas mit Leitungswasser einschenke. Dieses nimmt er dankend an und leert es in einem Zug. Mit gehobener Braue deute ich auf das Glas, frage ob er noch möchte. Erneut nickt er.

>> Tut mir leid, aber ich bin ziemlich aus der Puste. << Grinst er, und ich frage mich, wieso er so nett ist, obwohl ich ihn das letzte Mal so angemault habe. Sobald das Glas wieder voll ist, deute ich auf die beiden kleinen Sessel in der Ecke, auf die wir uns setzten.

>> Wieso bist du hier? << Frage ich, ziehe meine Beine an mich und beobachte meinen ehemaligen besten Freund. Dieser grinst verlegen, was mich an alte Zeiten erinnert.

>> Nathaniel hat mir erzählt was auf der Hochzeit passiert ist, und ich weiß noch was du zu mir das letzte Mal gesagt hast. Aber ich wollte es noch einmal probieren. << Ich denke an die Hochzeit, die bereits gute zwei Wochen her ist. Seitdem habe ich keinen der Paisley Brüder gesehen, noch etwas von ihnen gehört. Nur in der Zeitung stand, dass Nathaniel sein neues Gebäude in Mellbourn offiziell eröffnet hat. Dazu gab es auf der Titelseite ein großes Bild von ihm vor seinem neuen Gebäude. Mit dem Bürgermeister von Mellbourn und seinen Eltern, die nur dafür aus England angereist sind, lächelt er mit einem stählernen Lächeln in die Kamera. Die Haare ungewohnt akkurat und in einem maßgeschneiderten Anzug. Anthony war nicht auf dem Bild, aber das war mir klar. Er wollte nie Teil dieser Firma sein. Trotzdem ist er letztendlich mit seiner Familie nach England, für die Firma.

>> Was probieren? << Frage ich nach, spiele mit dem Saum meiner Schürze. Im Moment möchte ich ihm nicht in die Augen sehen.

>> Mich Entschuldigen, versuchen es dir zu erklären, vielleicht um Vergebung betteln? << Bei seinen Worten muss ich grinsen, obwohl dran nichts witzig ist.

>> Ich werde mir nicht anmaßen dir Nathaniels Beweggründe erklären zu können. Aber ich kann für mich sprechen. Und ich hoffe ich kann dir erklären, wieso ich gehen musste. << Ich seufzte einmal tief, blicke hoch und mustere Anthonys Gesicht. Auch er seufzt, lächelt schief, kratzt sich am Nacken.

>> Mein Großvater starb zwei Tage nach unserer Prom, das hast du mitbekommen. << Ich nicke bestätigend, fühle ein nervöses kribbeln in meinem Magen.

>> Wir flogen auf seine Beerdigung. Es war so überraschend, für uns alle, dass wir den nächsten Flug in der Nacht genommen haben. Es war sozusagen eine Nacht und Nebel Aktion. Meine Mum war natürlich am Boden zerstört, jeder von uns. Aber sobald wir da waren, fing uns sein Anwalt ab. Er wollte uns das Testament vorlegen, damit wir die Fragen um die Firma so schnell wie möglich klären können. << Anthony räuspert sich, sein Gesicht wird immerzu rötlicher, ich kann förmlich spüren, wie sehr ihn diese Erinnerungen noch schmerzen.

>> Grandpa hat gegen die Vereinbarungen unserer Eltern Nathaniel als seinen direkten Nachfolger und somit Erben und CEO des Paisley Erben eingetragen. Nathaniel musste also in England bleiben.
Ich wusste dass er mich dort brauchen wird. Ich wusste einfach- << Seine Stimme bricht, woraufhin ich ihm sein Glas abnehme, es fülle und es ihm wieder reiche. Ich setzte mich auf meinen Platz, versuche mir meine Tränen zu unterdrücken.

>> Nathaniel stand schon immer unter Druck. Das weißt du. Aber durch dieses Testament hat sich alles geändert.
Er musste sein Studium in England fortsetzten, gleichzeitig irgendwie sichergehen, dass er nicht unser Familienerbe zerstört. Wenn ich wieder zurückgeflogen wäre, ihn da alleine gelassen hätte, wäre er unter diesem Druck zerbrochen. Ich konnte ihn dort nicht zurück lassen. << Den Kloss in meinem Hals runterschluckend, wische ich mir meine laufenden Tränen weg.

>> Und wieso hast du nicht einfach angerufen? Einen Brief geschickt, irgendetwas? << Schniefend versuche ich mich zusammen zu reißen.

>> Ich habe es ihm versprochen. << Erklärt er, woraufhin mein Herz zu gefrieren scheint. Ein spitzer Schmerz durchzieht meine Brust, und ich befürchte jeden Moment die Realität zu verlieren. Ohne Antwort starre ich mich an einen Punkt fest, lasse langsam seine letzte Information durchsickern.

Nathaniel hat Anthony gebeten, nichts zu sagen, Nathaniel hat entschieden, sich nicht zu melden.

Mit meinen Ärmeln wische ich mir übers Gesicht, versuche mich wieder zu fassen.

>> Danke für deine Ehrlichkeit. Aber ich muss das erstmal alles verarbeiten. << Anthony nickt, wirkt dennoch niedergeschlagen und enttäuscht. Still begleite ich ihn zu Tür, vor der er noch einmal stehen bleibt.

>> Wirst du mich verzeihen können? << Fragt er, was mir im Grunde das Herz zerreißt. Deshalb tue ich das für mich gesündeste, und nehme Anthony Paisley in den Arm. Sobald ich mich von ihm löse, versuche ich es mit einem Lächeln.

>> Gute Nacht Anthony. << 

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