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"Treten Sie zurück!", rief ich und drängte sämtliche Schüler, die aus der Großen Halle strömten, zurück. "Und Ihr drei, kommt sofort mit." Ich deutete auf Hermine, Harry und Ron und warf Draco Malfoy einen scharfen Blick zu, als dieser sich über das Trio lustig machte. "Na los!"

"Die Schlammblüter werden schon sehen", höhnte Malfoy und ich drehte mich um, obwohl ich es auf keinen Fall tun sollte. Doch bevor ich etwas sagen konnte, sah ich eine starke Hand, die Draco von hinten am rechten Ohr packte. Die anderen Schüler und selbst Crabbe und Goyle stoben auseinander. Jetzt wurde der Blick auf Devlin frei, der wütend den Kopf senkte und Malfoy verächtlich ansah.

"Schlammblut?", hörte ich ihn knurren. Der Rest seiner Predigt ging allerdings im Stimmgewirr unter. Ich trieb die drei Schüler vor mir her und hielt die Lippen fest zusammengepresst, als sie mich mit Fragen bombardierten. Es war nicht an mir, mit ihnen über die Geschehnisse zu reden. Ich hatte ja selbst keine Ahnung vom dem, was hier vor sich ging. Wir gingen in mein Büro und ich deutete den dreien sich zu setzen. Quälende Minuten verstrichen, in denen niemand von uns etwas sagte. Zu unserer Rettung kam schließlich Dumbledore, der wie immer über alles und jeden in seiner Schule Bescheid wusste.

"Professor! Wir haben nicht-"
"Professor, uns trifft keine Schuld-"
"Professor Dumbledore, wir waren nur zufällig-'

Dumbledore schien doch tatsächlich leise zu lächeln und fuhr sich mit der Hand über seinen silbernen Bart. Gebannt starrte ich ihn an, mindestens genauso erpicht auf Antworten, wie meine Schüler.

"Ich weiß, Kinder. Zweitklässler wären nie in der Lage dazu gewesen. Ihr müsst mir allerdings alles erzählen, was ihr gesehen habt", sagte er mit Nachdruck und schaute jeden der Drei eindringlich an. Und dann sprudelte es aus den Freunden heraus. Dumbledore nickte wissend mit dem Kopf, gab an den passenden Stellen ein Murmeln von sich und schien generell sehr gefasst. Und das Angesichts der Tatsache, dass Mrs Norris, das dumme Drecksvieh, versteinert an der Decke hing und Filch jedem mit Mord drohte, der dem Tatort zu nahe kam.

Ich dagegen verstand die Welt nicht mehr, mir war kein Zauber bekannt, der so etwas vollbrachte. "Wenn das alles ist, gehen Sie zurück in Ihren Gemeinschaftsraum", sagte ich schließlich und Ron war der Erste, der aufgesprungen und aus der Tür war. Hermine folgte ihm etwas koordinierter, was bedeutete, dass sie nicht beinahe gegen die Statue an der Tür rannte. Harry schien kurz zu zögern. "Ist noch etwas, Harry?", fragte Dumbledore und wir beide schauten den jungen Potter prüfend an. 

"Nein", sagte er schnell und verließ dann ebenfalls das Büro.

"Da ist etwas, das er für sich behält", meinte Dumbledore und ich fuhr mir mit dem Handrücken über die Stirn.

"Da ist er ja schließlich nicht der Einzige", erwiderte ich ein wenig trotzig. Dumbledore schaute mich über den Rand seiner halbmondförmigen Brille aus an und zog die silbernen Augenbrauen hoch. Plötzlich fühlte ich mich wieder wie dreizehn. Damals hatte man mich und meine Freunde in der Küche erwischt, wo uns die Hauselfen ein Törtchen nach dem anderen serviert hatten.
"Ich meine-", setzte ich nun kleinlaut an, doch Dumbledore schob mir eine Schale seiner höllischscharfen Lakritzbonbons hin. Er setzte sich ruhig zurück und faltete seine schlanken Hände. Mein Herz klopfte mir noch immer bis zum Hals. Wenn man so vor Dumbledore saß, vergaß man, dass man Teil des Lehrkörpers war.

"Du hast Recht, Alexandria. Ich weiß mehr, als ich sage. Und auch du wirst mehr wissen, als du sagen wirst. Ich habe dir nämlich etwas zu erzählen", sagte Dumbledore und senkte die Stimme. "Und du darfst niemandem darüber berichten. Nicht einmal Devlin." Nervös beugte ich mich vor und was ich dann zu hören bekam, ließ mich beinahe vom Stuhl fallen.

Ich sollte ins Jahr 1942 reisen und den Erben Slytherins ausfindig machen. Die Kammer des Schreckens wurde damals das erste Mal geöffnet und eine Schülerin getötet. Mein 16-jähriges Ich sollte in Slytherin die Augen und Ohren offen halten und so viele Informationen sammeln, wie ich konnte. Es war wichtig, dass ich niemanden tötete. Nicht einmal um die Schülerin zu retten. Die Geschichte könnte, laut Dumbledore, so stark verändert werden, dass wir dieses Risiko nicht eingehen konnten. Mit der Zeit spielte man nicht, das wusste ich. Doch genau das wurde von mir gefordert. Und ich konnte nicht bestreiten, dass ich Angst hatte. Ich mochte tatsächlich die beste Wahl für diese Aufgabe sein. Ich war schließlich Lehrerin für Verteidigung gegen die dunklen Künste, aber das Monster in der Kammer war auch mir unbekannt.
Die Angst zu versagen und der Druck, Hogwarts gewissermaßen zu retten, schnürte mir beinahe die Luft ab. Also ja, ich hatte schreckliche Angst. Ich wollte nicht sterben und ich wollte nicht scheitern.
Und am wenigsten wollte ich einen Jahrgang und ein Haus mit Tom Riddle teilen. Der Tom Vorlost Riddle, der später einmal Voldemort sein würde. Voldemort, der dunkelste aller Magier. Der Magier, der Harry Potters Eltern eiskalt ermordete und überraschender Weise an Harry selbst, erst ein Jahr alt, versagte.
Ich hatte natürlich die Geschichten gehört, dass der Wildhüter Hagrid, der mir immer ein Freund gewesen war, das Monster entfesselt hatte. Völliger Schwachsinn, wenn man mich fragte. Ein so lieber Kerl, konnte nicht dafür verantwortlich sein. Hagrid hatte Mitleid mit den hässlichsten aller Kreaturen und könnte keiner Fliege etwas zu Leide tun.
Ich lief durch die Flure zu meinem Apartment und wollte gerade die Tür öffnen, als Devlin um die Ecke kam.

"Wir müssen reden, Lexie", sagte er und seine Stimme klang so düster, wie sein Gesichtsausdruck war. Ich schloss kurz die Augen und atmete tief durch. Dumbledores Worte hallten immer wieder in meinem Kopf wieder.

Und du darfst niemandem darüber berichten. Nicht einmal Devlin.

"Jetzt nicht, Dev", meinte ich und öffnete meine Tür, trat ein und wollte sie schließen, als er einen Fuß zwischen Tür und Rahmen stemmte. Er schaute mich wütend an und strich sich frustriert eine dunkle Strähne aus der Stirn. Ich wollte es ihm so gerne sagen, doch ich konnte nicht. Durfte es nicht. Zu seinem und meinem Schutz.

"So lasse ich mich nicht abspeisen", knurrte er und ich lächelte matt. Das war ein Abschied. Wer weiß, ob ich wieder kommen würde. Und wenn ja, in welchem Zustand ich wieder kommen würde. Also stellte ich mich auf die Zehenspitzen und hauchte ihm einen sanften Kuss auf die Wange, ehe ich ihn zurück drückte und die Tür vor seinem verdutzten Gesicht schloss.

"Leb wohl, Dev", flüsterte ich und hoffte, ihn und diese Welt wiederzusehen.

Our Time - Eine Harry Potter/ Tom Riddle Fanfiction Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt